Oldtimer Die dubiosen Geschäfte mit den Superkarossen

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Eintrittskarte zum Glamour

Auch der Aldi-Erbe fuhr bald auf das Garagengold ab und muss dabei seinem Freund und Berater Achenbach mehr oder minder blind vertraut haben. „Berthold Albrecht kaufte ganz gezielt Autos, die einzigartig waren und in einem Top-Zustand“, erzählt ein Wegbegleiter, der wegen des aktuellen Streits um das Erbe und der juristischen Auseinandersetzung der Erben mit Achenbach ungenannt bleiben möchte. „Die Autos sah er auch nicht primär als Spekulationsobjekte. Vielmehr sollten sie ihm Spaß bringen und ein Entree zu glamourösen Veranstaltungen wie in Pebble Beach oder an der Villa d’Este verschaffen.“ Der Oldtimer-Schönheitswettbewerb am Comer See ist dank seiner prominenten Teilnehmer eines der Top-Ereignisse in der Branche mit höchstem Glamourwert.

Achenbach, der seit über 30 Jahren große Konzerne und bekannte Vermögende bei Kunstankäufen berät, hatte Albrecht aufgrund seiner vielfältigen Kontakte schnell in die Szene eingeführt und wickelte für den Milliardär die Käufe ab. Bei der Fahrzeugauswahl zog Albrecht zumindest zeitweise den früheren Mercedes-Classic-Chef Zimmermann als Berater hinzu. „Die Oldtimer waren für ihn zum Schluss sein Ein und Alles“, erzählt der Vertraute. Vor seinem Tod habe er sogar noch über Plänen für ein kleines, aber feines Automuseum gebrütet.

Die schönsten Oldtimer
Die vor 25 Jahren in Essen ins Leben gerufene Oldtimermesse Techno Classica blieb auch bei ihrer 26. Ausgabe im Jahr 2014 eine Veranstaltung mit vielen Superlativen. Sie bot 27 Autoherstellern – so vielen wie noch nie – eine Präsentationsplattform. Quelle: Frank G. Heide
Kaufinteressenten und Besucher fanden mehr als 2.500 Automobile von rund 300 Klassikhändlern und mit 36 Rennwagen der Mercedes-Benz-Klassik-Kollektion die bislang größte Fahrzeugschau zur 120-jährigen Motorsportgeschichte der Marke. Quelle: Frank G. Heide
Die Leitmesse für automobile Leidenschaft ist außerdem das weltgrößte Club-Treffen der internationalen Oldtimer- und Youngtimerszene. Über 220 Liebhabervereine sind es, die unter anderem um den schönsten Messestand wetteifern. Quelle: Frank G. Heide
Erstmalig offiziell als Aussteller mit dabei waren AC sowie Maserati und Zagato. Gefeiert wurden darüber hinaus unter anderem 40 Jahre Volkswagen Golf, der erste Sieg eines Mini bei der Rallye Monte Carlo vor 50 Jahren, 60 Jahre Alfa Romeo Giulietta, 30 Jahre Seat Ibiza und 50 Jahre Opel K-A-D (Käpitan, Admiral, Diplomat) sowie ein halbes Jahrhundert Skoda 1000 MB. Quelle: Frank G. Heide
Manche Exponate finden Autofans noch nicht einmal im Museum. So standen in Essen beispielsweise ein Beutler-Porsche und ein Wendler-VW, beide Jahrgang 1957, sowie ein Ford Granada Cabriolet und ein auf Basis des Fiat Barchetta entstandener Spider, der ein Einzelstück ist.
Und so viele Mercedes-Benz 300 SL wie auf der Techno Classica dürfte man ebenfalls wohl nirgendwo sonst auf einen Schlag zu Gesicht bekommen. 
Auch wenn sich in Essen viele Sportwagen und Luxuslimousinen vergangener Tage fanden, das Oldtimer-Hobby ist keineswegs nur das Privileg eines elitären Sammlerkreises. So führt beispielsweise der Citroen 2CV – besser bekannt als „Ente“ – die Liste der Fahrzeuge mit der größten prozentualen Wertsteigerung der vergangenen 14 Jahre an.

Doch statt Architekten sind nun die Anwälte am Zug: Es geht um die Frage, wie viel die 15 Oldtimer tatsächlich wert sind beziehungsweise wie hoch der Wert für die Erbschaftsteuer anzusetzen ist – und ob Achenbach seinen Freund Albrecht beim Ankauf der Fahrzeuge betrogen hat.

Der 62-jährige Kunstberater besitzt selbst eine kleine, aber feine Sammlung von Oldtimern der Marken Mercedes, Porsche, Bentley und Ferrari, die er von einem privaten Mechaniker in Schuss halten lässt. Unter den Fahrzeugen sind ein Bentley, der früher dem Künstler Joseph Beuys gehörte, und ein Exemplar des legendären Adenauer-Mercedes aus dem Jahr 1952 – die Limousine schenkte ihm ein Freund zum Geburtstag.

In Achenbachs Sammlung steht zudem ein Ferrari aus dem Besitz des Fotokünstlers Andreas Gursky, der früher dem Ferrari-Rennleiter und heutigen FIA-Präsidenten Jean Todt gehörte. Zudem ist der Bolide von der Formel-1-Legende Michael Schumacher signiert („To my friend Andreas. Have a safe trip“). Mit den Oldtimern aus der Albrecht-Sammlung können sich Achenbachs Autos jedoch nicht messen.

Durch die gemeinsamen Interessen fanden Achenbach und Albrecht schnell zueinander, privat wie geschäftlich. Vereinbart wurde ein Kommissionsgeschäft, mündlich, wie es heißt. Demnach sollte Achenbach über seine Gesellschaft Art Consulting Kunstobjekte für den Aldi-Erben beschaffen. Und über seine in Stuttgart registrierte Gesellschaft Vintage Car Company (VCC) sollte Achenbach erlesene klassische Fahrzeuge erwerben und sie zum Einkaufspreis an Albrecht weitergeben.

Besser als Aktien: Wertentwicklung hochwertiger Oldtimer seit 2009 (zum Vergrößern bitte anklicken)

Dafür sollte Achenbach fünf Prozent auf den Nettoeinkaufspreis von Bildern und drei Prozent bei Oldtimern erhalten. Durch die Abmachung konnte der öffentlichkeitsscheue Albrecht bei den Kaufverhandlungen stets im Hintergrund bleiben. Dies erleichterte Achenbach einerseits die Verhandlungen über die Objekte. Andererseits wollte Albrecht angeblich so auch seine Aktivitäten gegenüber der Familie verschleiern, wird in Kreisen von Achenbach kolportiert.

Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft soll Achenbach gegenüber Albrecht in einigen Fällen jedoch falsche Einkaufspreise angegeben und so absprachewidrig zu hohe Provisionen kassiert haben.

Durch einen Hinweis aus der Privatbank Berenberg, mit der Achenbach – ohne Erfolg – vor Jahren einen Kunstfonds zu gründen versuchte, soll die angebliche Vorgehensweise aufgeflogen sein. Nach einem Gutachten, das die Familie Albrecht in Auftrag gab, soll der Verkehrswert von Kunstobjekten und Fahrzeugen deutlich niedriger sein, als nach den gezahlten Kaufpreisen zu vermuten war.

Preise durch die Decke

Das allein ist allerdings noch kein zwingender Beleg für einen Betrug. Denn der aktuelle Verkehrswert von Kunstwerken und Oldtimern lässt sich nur schwer schätzen. „Was ein Oldtimer tatsächlich wert ist, zeigt sich erst beim Verkauf oder bei einer Auktion“, sagt Martin Halder, Betreiber mehrerer exquisiter Oldtimer-Zentren in Berlin und Zürich. Für bestimmte Autos gebe es weltweit nur eine Handvoll zahlungskräftiger Interessenten. „Wenn die bei einer Auktion aufeinandertreffen, gehen die Preise durch die Decke.“ Andernfalls bleiben alte Autos oft monatelang stehen, ohne dass sich dafür jemand interessiert. Der Oldtimer-Handel braucht viel Geduld und Ausdauer.

Schwerer wiegt der Vorwurf, dass Achenbach bei den Kommissionsgeschäften mit seinem Freund Albrecht mit fingierten Rechnungen gearbeitet haben soll und Belege fälschte. Die Anwälte der Albrecht-Erben nahmen zu den Verkäufern einiger der Fahrzeuge Kontakt auf und bemerkten beim Abgleich der Rechnungen zum Teil eklatante Abweichungen: In einem Fall soll sich eine Differenz von vier Millionen Euro ergeben haben zwischen dem Betrag, den Achenbachs VCC für zwei Autos zahlte, und dem Betrag, den er Albrecht in Rechnung stellte. Auch die Finanzbehörden werden sich deshalb wohl noch mit dem Fall Achenbach zu befassen haben.

Jede Menge Gesprächsstoff also für die nächsten Schloss Bensberg Classic und die Oldtimer-Szene.

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