Oldtimer Garagengold vor Kurskorrektur?

Am Wochenende startet mit der der Bonhams-Auktion im Mercedes-Museum und der Retro Classics in Stuttgart der Oldtimer-Frühling. Experten erwarten Hinweise auf die weitere Preisentwicklung auf dem Veteranen-Markt.

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Der Mercedes Benz W 07. Quelle: Presse

Der japanische Kaiser besaß sieben gepanzerte Exemplare, die Könige von Ägypten, Albanien und Bulgarien, aber auch der deutsche Reichspräsident Paul Hindenburg und Papst Pius XI in Rom hatten immerhin ein Fahrzeug des Typs in ihrer Garage stehen: Der Mercedes W 07, auch bekannt als Typ 770 oder kurz „Der Große“, war in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein echtes Statussymbol und exquisites technologisches Wunderwerk.

Der aufwändig gelagerte Achtzylinder-Benziner mit 7,7 Litern Hubraum und bis zu 200 PS Leistung lief so ruhig, dass man auch bei Vollgas nur ein Säuseln hörte. Bei den Aufbauten konnten die Mercedes-Kunden zwischen einer geschlossenen Pullman-Limousine, einem offenen Tourenwagen mit sechs Sitzplätzen, einem ebenfalls sechssitzigen Cabriolet und einem viersitzigen Cabriolet wählen. Die Innenräume waren mit Holz und Leder prächtig ausgekleidet, die Verarbeitung war vom Feinsten.

Der Oldtimermarkt in Daten und Fakten

Der automobile Luxus hatte allerdings seinen Preis: Allein das Fahrgestell eines W07 – ohne Aufbau und Sitze – kostete knapp 30.000 Reichsmark, in heutiger Währung wären dies inflationsbereinigt etwa 100.000 Euro. Das Topmodell des Mercedes 770 K, das sechssitzige Cabriolet F, kostete schon 44.500 Reichsmark. Später stieg der Preis sogar auf 47.500 Reichsmark – dafür gab es damals auch ein Einfamilienhaus in guter Großstadtlage. Wer sich so ein Auto leisten konnte, zählte zur Elite der Gesellschaft.

Auktionshaus hofft auf 2,8 Millionen Euro für einen W 07

Das britische Auktionshaus Bonhams bringt am kommenden Samstag im Stuttgarter Mercedes-Museum eines der wenigen erhaltenen Exemplare dieses Traumwagens aus den 1930er-Jahren unter den Hammer. Das viersitzige Cabriolet – eines von nur insgesamt 18 Exemplaren, die im Werk Sindelfingen jemals in Handarbeit entstanden – wurde am 18. August 1931 nach Berlin an den Tänzer, Schauspieler, Film- und Revue-Produzenten Eric Charell ausgeliefert. Mit Operetten wie „Die drei Musketiere“ und „Im weißen Rößl“, mit Konzerten in London und Paris sowie aufwändigen Filmproduktionen war Charell in den Goldenen Zwanzigern“ bekannt und so reich geworden, dass er sich den „Großen“ leisten konnte.

Die Geschichte des 85 Jahre alten Prunkwagens ist lückenlos belegt, der Zustand nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten wieder erstklassig. Die Experten von Bonhams haben den Wert des Mercedes auf 2,3 bis 2,8 Millionen Euro taxiert – ob er den Schätzpreis erreicht oder sogar noch übertrifft, hängt davon ab, wie locker den Bietern das Geld sitzt.

Diese Modelle werden 2015 Oldtimer
Kultsportler, Cabriolets und Katalysatoren - Die H-Kennzeichen-Klassiker des Jahres 2015 Quelle: BMW
Schlagzeilen machten im IAA-Jahr 1985 weniger die vernunftbetonten Autos, sondern vielmehr die vielen V-Max-Racer einer völlig neuen Vierventil-Fraktion mit Leistungskurven, die scheinbar Luzifers Lockruf folgten ... Quelle: Presse
Allen voran der dieserart aufgerüstete Altstar Lamborghini Countach S Quattrovalvole, der mit 455 PS exakt fünf PS mehr aufbot als der Vierventiler im neu vorgestellten Porsche 959. Quelle: Presse
...der Vierventiler im neu vorgestellten Porsche 959 Quelle: Porsche
Auch sonst war Maranello nicht mehr das Maß der Dinge, wenn es  um Tempo ging. Katapultierte der neue Vierventil-Sechszylinder im BMW M5 den Viertürer doch in der neuen Supersportwagenzeit von 6,5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Quelle: Screenshot
Kaum langsamer war das 16-V-Kraftwerk in der IAA-Weltpremiere BMW M3. Quelle: Presse
Ziviler und deutlich erschwinglicher: Golf GTI 16V Quelle: Volkswagen

Michael Bock, der Leiter des Mercedes-Museums und Hausherr der Auktion, ist selbst gespannt, wie groß das Interesse an den Fahrzeugen sein wird und um welche Autos sich die Bieter Gefechte um den Zuschlag liefern werden. Oldtimer haben sich in der Zeit der niedrigen Zinsen vom Liebhaberobjekt längst zur lukrativen Geldanlage entwickelt. Entsprechend hoch werden historisch wertvolle, gut erhaltene und äußerst rare Exemplare wie jenes Mercedes-Cabriolet vom Typ 770 gehandelt: Die Käufer spekulieren dabei auf kräftige Wertsteigerungen in den kommenden Jahren und einen ordentlichen Gewinn bei einem Wiederverkauf.

Kalkül statt Emotionen

Die hohen Renditen, die sich mit dem so genannten Garagengold erzielen lassen, beschert Verkäufern auf Oldtimer-Messen wie der Retro Classics in Stuttgart (26. bis 29. März) oder der Techno Classica in Essen (15. bis 19. April), aber auch den großen internationalen Auktionen von Bonhams, RM Auctions, Coys oder Artcurial ein ganz neues Publikum – Menschen mit dicken Geldbörsen, denen der Besitz wichtiger ist als das Fahrvergnügen oder die Begeisterung für die Technik der historischen Autos.

Die Highlights der Oldtimer-Auktion
Mercedes 500 K Roadster von 1934Gehörte einst dem Berliner Rechtsanwalt Alfons Sack, der zu Geld und zweifelhaftem Ruhm kam, indem er Joseph Goebbels und andere bekannte Nationalsozialisten unter anderem im Reichswehrprozess von 1939 verteidigte. In den 70er Jahren war das Auto in Posen wiederaufgetaucht und später dann in Schweden aufwändig restauriert worden. Bonhams hatte den Wert des Fahrzeugs auf 3,5 Millionen Euro geschätzt – am Samstag ging der Wagen für 3,1 Millionen Euro weg. Quelle: Bonhams
Mercedes-Benz 540 K Cabriolet von 1936Gerade einmal 97 Exemplare des Typs hatte Mercedes in jenem Jahr produziert. Eines davon kaufte ein Nachtclub-Besitzer aus Paris blieb bis 2010 in der Hand des Erstbesitzers und wurde 2007 umfangreich restauriert. Für einen Betrag von 2,242 Millionen Euro fand der Wagen nun einen neuen Besitzer. Quelle: Simon Clay
Mercedes 300 SL FlügeltürerMit diesem Wagen erkundeten Sterling Moss und Denis Jenkinson 1954 die Streckenführung der Mille Miglia. 1,85 Millionen Euro bot ein Sammler in Stuttgart für den Wagen – zu wenig für den aktuellen Besitzer, einen Amateur-Rennfahrer aus Großbritannien, der sich deutlich mehr erhofft hatte. Quelle: Bonhams
Mercedes C-Klasse von 2005Mit diesem Fahrzeug schrieb die Mercedes-Benz Rennsportgeschichte: Mika Hakkinen nahm damit an der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft teil und gewann beim Rennen im belgischen Spa. Ein in Großbritannien lebender Motorsportenthusiast aus den USA, sicherte sich das Fahrzeug mit einem Gebot über 460.000 Euro. Quelle: Bonhams
Mercedes 560 SLDeutlich über dem Schätzpreis landete das Mercedes-Cabriolet, das der Schauspieler und Oscar-Preis-Gewinner Sean Penn 1987 seiner Frau Madonna Ciconne zur Hochzeit schenkte. Die Beziehung der weltbekannten Sängerin mit dem schwarzen 560 SL hielt allerdings länger als mit ihrem Mann Jean Penn: Während die ehe schon nach wenigen Monaten annuliert wurde, gab sie den Wagen erst 1996 aus der Hand. Mit einem Tachometerstand von 82.000 Kilometern wurde das Cabriolet jetzt für knapp 70.000 Euro an einen Sammler versteigert. Ähnliche Fahrzeuge – allerdings ohne prominente Vorbesitzer – werden im Internet schon zu Preisen um die 30.000 Euro gehandelt. Quelle: Bonhams
Unimog der Luftwaffe von 1963Dieser Wagen sorgte für ein heftiges Bietergefecht. Geschätzt auf eine Summe zwischen 40.000 und 50.000 Euro, fiel der Hammer schließlich bei einem Gebot von 82.800 Euro. Quelle: Bonhams

„Die alten Sammler haben oft aus einer Emotion heraus gekauft. Die neuen Investoren hingegen bieten mit Kalkül und sorgfältiger Prüfung des Objekts ihrer Begierde durch einen Experten“, beobachtet Mercedes-Benz-Classic-Chef Bock. Und wie Gemälde oder andere wertvolle Kunstgegenstände landen die Autos nach dem Erwerb meist hinter Schloss und Riegel: Aus Sorge, bei Ausfahrten könnte die Millionenwerte durch Steinschlag oder technische Defekte Schaden nehmen, werden sie von ihren Besitzern in klimatisierten Garagen gehütet, die für die Öffentlichkeit meist nicht zugänglich sind und selbst vor der eigenen Familie oft geheim gehalten werden.

Rekordergebnisse bei Oldtimer-Auktionen

Enthusiasten mögen das bedauern, verhindern können sie die Entwicklung nicht. Und der Trend wird wohl noch eine ganze Weile anhalten. Denn Geld ist im Überfluss vorhanden und längst fließt es nicht nur in Westeuropa, Nordamerika, im Mittleren Osten und in Japan in den Aufbau von Fahrzeugsammlungen. Auch neureiche Chinesen wissen inzwischen um den Wert des alten Blechs und sehen die Chance, durch den Besitz wertvoller alter Autos Zutritt zu elitären Kreisen zu erlangen und mitunter sogar neue Geschäftsfreunde zu gewinnen.

Dies alles schlägt sich in den Rekordergebnissen nieder, die im vergangenen Jahr bei großen Oldtimer-Auktionen erzielt wurden. Und es zeigt sich im Index, den die in London beheimatete Historic Automobile Group International (HAGI) des deutschen Bankers Dietrich Hatlapa auf der Basis der Preisentwicklung 50 besonders hochwertiger Fahrzeuge erstellt: Der so genannte HAGI-Index kletterte im Februar auf 275,88 Punkte und auf ein neues Allzeit-Hoch, das fast 200 Prozent über dem Ausgangspunkt von Ende 2008 lag.

Historische Ferraris sind begehrt

Getrieben wurde der Index vor allem von den hohen Geboten, die bei auf Auktionen in aller Welt für historische Fahrzeuge der Marke Ferrari abgegeben wurden: Ein 54 Jahre alter Ferrari 250 California Spyder aus dem früheren Besitz des Schauspielers Alain Delon wurde zu Jahresbeginn bei einer Auktion von Artcurial in Paris für sage und schreibe 16,3 Millionen Euro einem unbekannten Telefonbieter zugeschlagen. Der Schätzpreis für den Scheunenfund in erbärmlichem Originalzustand hatte bei einer Summe zwischen 9,5 und 12 Millionen Euro gelegen.

Oldtimer und ihre Bewertung

Bei Oldtimern der Marken Porsche und Mercedes hat sich das Geschäft hingegen etwas beruhigt. Der HAGI-Index P, der den Markt für hochpreisige Porsche-Fahrzeug abbildet, sank im Februar um 1,09 Prozent gegenüber dem Vormonat, der HAGI-Index MBCI für Mercedes-Oldtimer sogar um 1,85 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat – die Preisentwicklung scheint hier vorerst an eine Decke gestoßen zu sein. Mercedes-Benz-Classic-Chef Bock ist dies durchaus recht: „Es scheint ein gewisser Realismus in den Markt zurückzukehren. Das mindert die Gefahr der Überhitzung.“

Die Bonhams-Auktion in Stuttgart wird zeigen, ob tatsächlich eine Trendwende beim Garagengold bevorstehet und der Markt wieder stärker von Käufern statt von den Anbietern bestimmt wird. Im vergangenen Jahr, bei der ersten Auktion dieser Art im Mercedes-Museum, waren von 47 angebotenen Fahrzeugen immerhin 35 zugeschlagen worden. Am Ende des Tages stand ein Erlös von über 12 Millionen Euro.

Dieses Jahr werden erneut 44 Fahrzeuge der Marken Mercedes und Benz aufgerufen, neben automobilen Young- und Oldtimern auch ein Mercedes-Damenrad von 1928 – taxiert wurde es auf einen Wert von mindestens 4.000 Euro. Die Autos sind deutlich teurer.

Montoya-Rennwagen wird versteigert

Zu den Highlights der Veranstaltung zählen neben jenem Mercedes 770 von 1931 ein Mercedes 370 S Roadster aus dem gleichen Jahr (500.000 Euro), ein Mercedes Kompressor-Cabriolet des Typs 540 K von 1938 (2 bis 2,5 Millionen Euro), mehrere Flügeltürer sowie ein Mercedes 300 SL Roadster von 1960 aus dem früheren Besitz des Ruhrbarons Alfried Krupp von Bohlen und Halbach – der schokoladenfarbene zweisitzige Sportwagen ist auf rund eine Million Euro taxiert.

Wer das Besondere sucht: Unter den Hammer kommt auch diesmal ein Rennwagen aus dem Bestand der Mercedes-Motorsportabteilung. Es handelt sich um ein Fahrzeug der C-Klasse, mit dem der spätere Formel-1-Pilot Juan-Pablo Montoya 1996 an der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft teilnahm. Wenigstens 350.000 Euro sollte einem Interessenten das Auto wert sein. „Gegenüber dem Vorjahr ist die Qualität der Fahrzeuge nochmals besser“, freut sich Bock.

Er erwartet entsprechend auch ein Auktionsergebnis, das deutlich über dem von 2014 liegt: „Alles andere wäre eine Enttäuschung.“ Und es wäre wohl auch ein schlechtes Omen für all jene, die Oldtimern primär als Spekulationsobjekt betrachten.

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