Der japanische Kaiser besaß sieben gepanzerte Exemplare, die Könige von Ägypten, Albanien und Bulgarien, aber auch der deutsche Reichspräsident Paul Hindenburg und Papst Pius XI in Rom hatten immerhin ein Fahrzeug des Typs in ihrer Garage stehen: Der Mercedes W 07, auch bekannt als Typ 770 oder kurz „Der Große“, war in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein echtes Statussymbol und exquisites technologisches Wunderwerk.
Der aufwändig gelagerte Achtzylinder-Benziner mit 7,7 Litern Hubraum und bis zu 200 PS Leistung lief so ruhig, dass man auch bei Vollgas nur ein Säuseln hörte. Bei den Aufbauten konnten die Mercedes-Kunden zwischen einer geschlossenen Pullman-Limousine, einem offenen Tourenwagen mit sechs Sitzplätzen, einem ebenfalls sechssitzigen Cabriolet und einem viersitzigen Cabriolet wählen. Die Innenräume waren mit Holz und Leder prächtig ausgekleidet, die Verarbeitung war vom Feinsten.
Der Oldtimermarkt in Daten und Fakten
Die Preise für historische Fahrzeuge sind 2013 gestiegen, das geht aus einer Berechnung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) hervor. Dessen Deutscher Oldtimer Index legte um 8,1 Prozent zu, 2012 betrug das Plus 4,2 Prozent. Vor allem im zweiten Halbjahr 2013 beobachtete der Verband eine deutliche Aufwärtsentwicklung im Markt.
Der BMW 520i (E12) hat laut VDA 2013 prozentual am meisten an Wert gewonnen. Damit steht in der Rangliste der Fahrzeuge mit dem höchsten Zuwachs gegenüber den Vorjahr erstmals ein Modell von BMW ganz oben. Den ersten BMW der 5er-Reihe produzierten die Münchner von 1972 bis 1981.
Zwei Trends beobachteten Analysten 2013 auf dem Oldtimer-Markt: Einerseits gibt es den Investmenttrend, in Sachwerte auszuweichen. Darunter fallen zum Beispiel die Auktionen, in denen seltene Fahrzeuge, wie der Flügeltürer Mercedes 300 SL, extrem hohe Preise erzielen.
Auf der anderen Seite des Oldtimer-Booms stehen die echten Enthusiasten. Sie geben im Schnitt für ein Fahrzeug weniger als 20.000 Euro aus. Ein reines Liebhaberhobby, denn es ist schließlich kein exorbitanter Wertzuwachs erkennbar: In der Regel kompensiert er nicht einmal die stetig anfallenden Wartungs- und Erhaltungskosten.
Innerhalb der vergangenen 15 Jahre haben zwei Volumenfahrzeuge besonders stark an Wert gewonnen: Bei der „Ente“ Citroen 2CV 6 und dem „Bulli“ VW T2 verzeichnet der VDA den höchsten Zuwachs.
Der Flügeltürer Mercedes 300 SL erzielte in den vergangenen Monaten Rekordpreise. So zahlte ein Käufer auf einer US-Auktion 1,4 Millionen Dollar für ein restauriertes Exemplar, auf der selben Veranstaltung kam ein ramponierter Flügeltürer im Originalzustand gar für 1,9 Millionen Dollar unter den Hammer.
Auf Deutschlands Straßen sind mehr Youngtimer unterwegs. Die Zahl der Fahrzeuge im Alter von 20 bis 29 Jahren stieg 2013 auf rund vier Millionen.
Im Schnitt fällt jeder dritte Youngtimer bei der Hauptuntersuchung durch und erhält im ersten Anlauf keine neue Plakette.
Nie zuvor fuhren mehr historische Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen als heute. Derzeit sind es mehr als 314.000 Klassiker mit H-Kennzeichen. Jedes Jahr wächst der Bestand um rund zehn Prozent. Dabei ziert das H-Kennzeichen nur solche Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt und nach einer amtlichen Prüfung als „kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut“ anerkannt sind. Insgesamt sind rund 452.000 Autos mit mehr als 30 Jahren auf dem Buckel unterwegs.
Auch das aktuell teuerste Auto der Welt wurde 2013 versteigert: Für 29,7 Millionen Dollar (rund 21,8 Millionen Euro) kam ein Mercedes W 196 Silberpfeil Rennwagen aus dem Jahr 1954 unter den Hammer.
Laut dem Marktbeobachter „Classic-Tax" liegt der Durchschnittswert eines Oldtimers in Deutschland bei rund 15.000 Euro.
Der automobile Luxus hatte allerdings seinen Preis: Allein das Fahrgestell eines W07 – ohne Aufbau und Sitze – kostete knapp 30.000 Reichsmark, in heutiger Währung wären dies inflationsbereinigt etwa 100.000 Euro. Das Topmodell des Mercedes 770 K, das sechssitzige Cabriolet F, kostete schon 44.500 Reichsmark. Später stieg der Preis sogar auf 47.500 Reichsmark – dafür gab es damals auch ein Einfamilienhaus in guter Großstadtlage. Wer sich so ein Auto leisten konnte, zählte zur Elite der Gesellschaft.
Auktionshaus hofft auf 2,8 Millionen Euro für einen W 07
Das britische Auktionshaus Bonhams bringt am kommenden Samstag im Stuttgarter Mercedes-Museum eines der wenigen erhaltenen Exemplare dieses Traumwagens aus den 1930er-Jahren unter den Hammer. Das viersitzige Cabriolet – eines von nur insgesamt 18 Exemplaren, die im Werk Sindelfingen jemals in Handarbeit entstanden – wurde am 18. August 1931 nach Berlin an den Tänzer, Schauspieler, Film- und Revue-Produzenten Eric Charell ausgeliefert. Mit Operetten wie „Die drei Musketiere“ und „Im weißen Rößl“, mit Konzerten in London und Paris sowie aufwändigen Filmproduktionen war Charell in den Goldenen Zwanzigern“ bekannt und so reich geworden, dass er sich den „Großen“ leisten konnte.
Die Geschichte des 85 Jahre alten Prunkwagens ist lückenlos belegt, der Zustand nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten wieder erstklassig. Die Experten von Bonhams haben den Wert des Mercedes auf 2,3 bis 2,8 Millionen Euro taxiert – ob er den Schätzpreis erreicht oder sogar noch übertrifft, hängt davon ab, wie locker den Bietern das Geld sitzt.
Michael Bock, der Leiter des Mercedes-Museums und Hausherr der Auktion, ist selbst gespannt, wie groß das Interesse an den Fahrzeugen sein wird und um welche Autos sich die Bieter Gefechte um den Zuschlag liefern werden. Oldtimer haben sich in der Zeit der niedrigen Zinsen vom Liebhaberobjekt längst zur lukrativen Geldanlage entwickelt. Entsprechend hoch werden historisch wertvolle, gut erhaltene und äußerst rare Exemplare wie jenes Mercedes-Cabriolet vom Typ 770 gehandelt: Die Käufer spekulieren dabei auf kräftige Wertsteigerungen in den kommenden Jahren und einen ordentlichen Gewinn bei einem Wiederverkauf.
Kalkül statt Emotionen
Die hohen Renditen, die sich mit dem so genannten Garagengold erzielen lassen, beschert Verkäufern auf Oldtimer-Messen wie der Retro Classics in Stuttgart (26. bis 29. März) oder der Techno Classica in Essen (15. bis 19. April), aber auch den großen internationalen Auktionen von Bonhams, RM Auctions, Coys oder Artcurial ein ganz neues Publikum – Menschen mit dicken Geldbörsen, denen der Besitz wichtiger ist als das Fahrvergnügen oder die Begeisterung für die Technik der historischen Autos.
„Die alten Sammler haben oft aus einer Emotion heraus gekauft. Die neuen Investoren hingegen bieten mit Kalkül und sorgfältiger Prüfung des Objekts ihrer Begierde durch einen Experten“, beobachtet Mercedes-Benz-Classic-Chef Bock. Und wie Gemälde oder andere wertvolle Kunstgegenstände landen die Autos nach dem Erwerb meist hinter Schloss und Riegel: Aus Sorge, bei Ausfahrten könnte die Millionenwerte durch Steinschlag oder technische Defekte Schaden nehmen, werden sie von ihren Besitzern in klimatisierten Garagen gehütet, die für die Öffentlichkeit meist nicht zugänglich sind und selbst vor der eigenen Familie oft geheim gehalten werden.