
Mit hohen Belastungen kennt er sich aus. Der neue Porsche-Chef Oliver Blume hat einige Freizeit-Triathlons und Langstreckenläufe hinter sich, bei 21-Kilometer-Halbmarathons kommt er dem Vernehmen nach an die 90-Minuten-Marke. Die dabei erwiesene Belastbarkeit könnte der 47-Jährige an der Spitze des Sportwagenbauers gut gebrauchen. Porsche hat nämlich eine steile Wachstumsphase hinter sich. Nach Expertenmeinung dürfte es schwer werden, dieses Level zu halten, das Wachstum könnte künftig geringer ausfallen. Das nötige Netzwerk hat Blume, seit gut 20 Jahren ist der große, schlanke Mann im VW-Konzern tätig.
Die Personalie Blume ist keine Überraschung - unmittelbar nach dem Wechsel von Matthias Müller auf den Chefsessel der Wolfsburger Konzernmutter Ende vergangener Woche stand sie so gut wie fest. Blume ist zwar erst seit Anfang 2013 für die Produktion von Modellen wie dem 911-er und Cayenne zuständig - seither hat er aber, wie bei Porsche von allen Seiten bestätigt wird, gute Arbeit geleistet.
LBBW-Autoanalyst Frank Biller verweist darauf, dass das Leipziger Werk in Blumes Amtszeit deutlich erweitert und technisch aufgerüstet wurde. Das Hochfahren der Produktion vom Geländewagen Macan in Leipzig sei auch ein Verdienst von Blume. „Obgleich er natürlich nicht alleinverantwortlich ist und schon viel Vorarbeit geleistet worden war.“ Binnen fünf Jahren hat Porsche seinen Absatz, Umsatz und seine Mitarbeiterzahlen fast verdoppelt - zumindest ein Teil dieses Erfolges ist ein Verdienst von Blume.
Vorgänger Müller bleibt für Blume als VW-Chef in Reichweite. Analyst Biller hält das für vorteilhaft. „Sollte Blume Rat von einem Mentor brauchen, wäre Müller nicht aus der Welt - ganz im Gegenteil.“
Vom Diesel-Schlamassel bei VW ist Porsche nicht betroffen - Diesel ist beim Sportwagenhersteller ohnehin nur von nachrangiger Bedeutung, die bemängelten Vierzylinder-Motoren hat man nicht im Programm. Als Krisenmanager ist Blume somit vorerst nicht gefragt.
Der VW-Abgas-Skandal im Überblick
Die US-Umweltbehörde EPA teilt in Washington mit, Volkswagen habe eine spezielle Software eingesetzt, um die Messung des Schadstoffausstoßes bei Abgastests zu manipulieren. In den Tagen darauf wird klar, dass weltweit Fahrzeuge von VW und der Töchter betroffen sind – darunter auch Audi und Porsche. Die VW-Aktie bricht ein.
VW-Chef Martin Winterkorn tritt nach einer Krisensitzung der obersten Aufseher zurück. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen VW. Anlass dafür seien auch eingegangene Strafanzeigen von Bürgern, heißt es.
Der VW-Aufsichtsrat tagt. Nach langer Sitzung beruft das Gremium Porsche-Chef Matthias Müller zum neuen Konzernchef und trifft einige weitere Personal- und Strukturentscheidungen. Verantwortliche Motorenentwickler werden beurlaubt.
Nach mehreren Strafanzeigen startet die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsvorwürfen. Entgegen einer ersten Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig gibt es keine Ermittlungen gegen Ex-Chef Martin Winterkorn persönlich.
Das Aufsichtsrats-Präsidium beschließt, Hans Dieter Pötsch per registergerichtlichen Anordnung in den Aufsichtsrat zu berufen. Das ist möglich, weil mehr als 25 Prozent der Aktionäre Pötsch favorisiert haben. Die Familien Porsche und Piëch, die Pötsch gegen die Bedenken des Landes Niedersachsens und der Arbeitnehmer durchgesetzt haben, halten über die Porsche SE rund 52 Prozent der VW-Anteile. Julia Kuhn-Piëch, die erst dieses Jahr nach dem Rücktritt von Ferdinand und Ursula Piëch in das Kontrollgremium aufgerückt war, verlässt den Aufsichtsrat wieder.
Es ist klar, dass die betroffenen VW-Fahrzeuge in die Werkstatt müssen, damit die Schummel-Software verschwindet. Bei einigen Motorenwerden die Techniker selbst Hand anlegen müssen. Eine Rückruf-Aktion, so wird es am nächsten Tag bekannt werden, soll 2016 starten. Die geschäftlichen und finanziellen Folgender Krise sind nicht absehbar. Die Kosten der Abgas-Affäre werden jedoch enorm sein. Der neue Chef muss sparen: "Deshalbstellen wir jetzt alle geplantenInvestitionen nochmal auf denPrüfstand", kündigt Müller an.
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ordnet einen verpflichtenden Rückruf aller VW-Dieselautos mit der Betrugssoftware an. In ganz Europa müssen 8,5 Millionen, in Deutschland 2,4 Millionen Wagen in die Werkstatt. VW hatte eine freiwillige Lösung angestrebt.
Der Skandal beschert dem Konzern im dritten Quartal einen Milliardenverlust. Vor Zinsen und Steuern beläuft sich das Minus auf rund 3,5 Milliarden Euro.
Der Skandal erreicht eine neue Dimension. VW muss - nach weiteren Ermittlungen der US-Behörden - einräumen, dass es auch Unregelmäßigkeiten beim Kohlendioxid-Ausstoß (CO2) gibt. Rund 800.000 Fahrzeuge könnten betroffen sein. Die VW-Aktie geht erneut auf Talfahrt.
Der Diesel-Skandal in den USA weitet sich aus. Erneut. Es seien mehr Drei-Liter-Diesel der Marken Volkswagen und Audi betroffen, als bislang angenommen, erklärt die US-Umweltbehörde EPA. Die Autobauer bestreiten dies zunächst. Wenige Tage später, am 24. November, müssen sie allerdings einräumen, ein sogenanntes „Defeat Device“ nicht offengelegt zu haben. Die Software gilt in den USA als illegal.
Die Auswirkungen des Skandal zwingen VW zudem zum Sparen: VW fährt die Investitionen für das kommende Jahr runter. 2016 sollen die Sachinvestitionen um eine Milliarde Euro verringert werden. „Wir fahren in den kommenden Monaten auf Sicht“, sagt VW-Chef Müller. Weitere Ausgaben bleiben auf dem Prüfstand.
Neuer Ärger für Volkswagen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nun auch wegen mögliche Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit falschen CO2-Angaben. Die könnten dazu geführt haben, dass zu wenig Kfz-Steuer gezahlt wurde.
Zumindest etwas Positives für die Wolfsburger: Zur Nachrüstung der millionenfach manipulierten Dieselmotoren mit 1,6 Litern Hubraum in Europa reicht nach Angaben von Volkswagen ein zusätzliches, wenige Euro teures Bauteil aus. Bei den 2,0-Liter-Motoren genügt ein Software-Update. Das Kraftfahrtbundesamt genehmigt die Maßnahmen. Auch wenn VW keine Angaben zu den Kosten macht – es hätte schlimmer kommen können.
Der Maschinenbauer begann seine Karriere vor gut 20 Jahren bei Audi, 2004 wechselte der gebürtige Braunschweiger als Planungsleiter zu Seat. Fünf Jahre später kam er als Chef der Produktionsplanung der Marke Volkswagen nach Wolfsburg. Als er 2013 beim Stuttgarter Bolidenbauer das Ressort Produktion und Logistik übernahm, schwärmte Blume von Porsche als „ganz besonders emotionale Marke“.
Im Unternehmen gilt Blume als robuster und durchsetzungsfähiger Manager, der stets geradlinig vorgeht. Im persönlichen Umgang wird er als eher zurückhaltend beschrieben. Blume hat zudem gute Drähte zur Arbeitnehmerseite, wie sich an geradezu enthusiastischen Äußerungen von Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück zeigt. „Der Olli“, wie Hück ihn nennt, sei „ein hundertprozentiger Porscheaner“. Obwohl er erst seit knapp drei Jahren beim Sportwagen-Hersteller tätig ist? Hück nickt und lässt sich zu einem Wortspiel hinreißen. „Der Blume ist keine Knospe mehr, sondern eine Blüte in voller Pracht.“
Aber liegt die Messlatte für den neuen Firmenboss nicht so hoch, dass er praktisch nur verlieren kann? Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft in Nürtingen sagt hierauf: „Natürlich kann die Porsche-Wachstumsstory nicht mit einer weiteren Absatz-Verdoppelung fortgesetzt werden - das ist aber allen Beteiligten klar.“
Die Markteinführung eines Elektro-Porsche möglicherweise im Jahr 2018 wäre eine große Herausforderung, mit der sich Blume seine Sporen als Firmenchef verdienen könnte, sagte Diez. Es gehe zudem um die Stärkung neuer Märkte, etwa im asiatischen Raum außerhalb Chinas - insgesamt sieht Diez keineswegs eine undankbare Aufgabe auf Blume zukommen.