Onlinehandel Warum Autohändler ins Netz müssen

Die Deutschen haben sich 2013 beim Autokauf zurückgehalten. Das könnte daran liegen, dass es so gut wie unmöglich ist, Neuwagen online zu kaufen - obwohl sich immer mehr Kunden diese Option wünschen. Händler sollten diesen Trend nicht verschlafen.

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Verpassen Autohersteller und -händler den Online-Autohandel? Quelle: dpa/dpaweb

Autohersteller und -händler verkaufen am Kunden vorbei: Nur 2,95 Millionen Neuwagen wurden vergangenes Jahr neu zugelassen, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mitteilte. Das waren 4,2 Prozent weniger als noch 2012. Bereits im Vorjahr hatte es einen Rückgang um 2,9 Prozent gegeben. Das liegt nicht nur an den Neuwagenpreisen. Laut der Studie "Spinning the Wheel Online" der Innovations- und Technologieberatung Arthur D. Little, sind Autohersteller und -händler einfach immer weniger dort präsent, wo ihre Kunden einkaufen - nämlich im Netz. Laut Studie verändert das Internet das Kundenverhalten massiv.

"Kunden recherchieren vor einem Kauf mehr denn je im Internet, worauf Hersteller und Händler zwar seit geraumer Zeit mit verstärktem Marketing und Kundenpflege im Internet reagieren", heißt es. Dennoch kommt die Studie zu dem Schluss, dass die Branche die Potenziale der Online-Autohandels nicht hinreichend ausschöpft. Nachholbedarf bestehe besondere in Sachen Kundeninteraktion. Derzeit werden nur drei Prozent der Neuwagenkäufe online abgeschlossen. Die Studienautoren gehen davon aus, dass sich der Anteil bis zum Jahr 2020 verdoppeln wird. Damit wächst auch der Druck auf den Handel, das Internet nicht nur als reines Informationsmedium für die Kunden zu nutzen. "Die Kunden erwarten heute nahtlos vernetzte Prozesse über verschiedene Kanäle hinweg bei ein und demselben Hersteller", sagt Rosa Meckseper von Arthur D. Little. "Die Kunden wollen heute im Autohaus nicht noch einmal alles konfigurieren müssen, sondern die Konfiguration sollte dem Händler schon vorliegen."

Ein gutes Beispiel, was die Ansprache der Kunden im Netz angeht, ist BMW. Bereits im Juli 2013 beschloss das Unternehmen, seine Autos künftig auch online zu verkaufen. "Wir können uns gut vorstellen, dass der Verkauf im Internet bei allen Modellen ergänzend eingesetzt wird", sagte BMW-Deutschland-Vertriebschef Roland Krüger damals gegenüber WirtschaftsWoche. Hinzukomme, dass es künftig Berater gebe, die sowohl den i3 als auch anderen Modelle Kunden zu Hause verkaufen sollen. Eine sogenannte "Mobile Sales Force" ist laut Krüger bereits eingerichtet. "Die Erwartungen und Bedürfnisse unserer Kunden verändern sich, dem wollen wir Rechnung tragen."

Was Hersteller und Händlermachen müssen


Die größten Autobauer der Welt
Volkswagen-Chef Martin Winterkorn hat gut Lachen: "Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich erstmals mehr als zehn Millionen Fahrzeuge verkaufen, dieses große Ziel hatten wir eigentlich erst für 2018 angestrebt", sagte Winterkorn der „Bild am Sonntag“. "Unser großer Wachstumsmarkt ist natürlich China. Dort werden wir in diesem Jahr voraussichtlich 3,6 Millionen Autos verkaufen, von denen übrigens weit über 90 Prozent vor Ort in China gebaut werden." Erreicht VW dieses Ziel, stiegen die Wolfsburger dadurch zum größten Automobilhersteller der Welt auf. Doch noch sieht das Ranking der größten Autobauer wie folgt aus... Quelle: dpa
BentleyDer britische Luxuswagen-Hersteller Bentley hat im abgelaufenen Jahr so viele Autos verkauft wie noch nie. Die Volkswagen-Tochter mit Sitz in Crew lieferte 2013 genau 10.120 Wagen aus. 2012 waren es 8510. Im bisherigen Rekordjahr 2007 waren 10.014 Bentleys verkauft worden, wie Vorstandschef Wolfgang Schreiber sagte. „2013 ist das vierte Jahr in Folge, in dem der Absatz zweistellig steigt“, so Schreiber. Der weltweite Marktanteil im Preissegment über 150.000 Euro liege bei 25 Prozent. 86 Prozent der Produktion geht in den Export, vor allem in die USA, China und Nahost. Der europäische Markt läuft schleppender. Allerdings stieg auch der Absatz in Deutschland deutlich. 544 Bentleys wurden den Angaben zufolge 2013 nach Deutschland geliefert, ein Plus von 22 Prozent zum Vorjahr. Kunden warten derzeit im Schnitt 45 Monate auf ihren bestellten Bentley. Schreiber will den Absatz bis 2018 auf 15.000 Autos hochschrauben und dafür in den nächsten Jahren mehrere hundert Millionen Euro in den Standort Crew investieren. Die Mannschaft von derzeit 3700 Mitarbeitern soll allein um 400 zusätzliche Leute aufgestockt werden, um bis 2016 einen luxuriösen Geländewagen auf den Markt zu bringen. Von den Absatzzahlen der Autohersteller wie Audi, BMW oder Daimler kann Bentley allerdings nur träumen... Quelle: REUTERS
AudiAudi hat auch im Dezember deutlich mehr Autos verkauft und damit erneut ein Bestjahr perfekt gemacht. Im vergangenen Jahr verkaufte der Konzern weltweit rund 1,57 Millionen Autos, ein Plus von 8,3 Prozent. Bereits im November hatte Audi die Rekordwerte von 2012 erreicht. „Unser strategisches Etappenziel von 1,5 Millionen Auslieferungen haben wir zwei Jahre früher als geplant erreicht und sogar komfortabel übertroffen“, sagte Vorstandschef Rupert Stadler. Quelle: REUTERS
DaimlerDie Schwaben haben und im vergangenen Jahr 1,32 Millionen Autos ihrer Top-Marke Mercedes verkauft. Das entspricht einem Plus von 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Quelle: dapd
BMWVon ihrer Kernmarke setzten die Bayern im vergangenen Jahr 1,54 Millionen Fahrzeuge ab. Das entspricht einem Plus von 12 Prozent gegenüber 2011. Quelle: dpa
Fiat-ChryslerDer Fiat-Konzern lieferte im vergangenen Jahr 4,2 Millionen Fahrzeuge weltweit aus - sechs Prozent mehr als 2011. Fiat profitiert dabei vom guten Geschäft der US-Tochter Chrysler. Denn ähnlich wie die Kollegen von PSA Peugeot Citroen litten die Italiener massiv unter der Absatzkrise in Europa, sie verkauften dort 16 Prozent weniger als im Vorjahr. Quelle: dpa
Nissan RenaultCarlos Ghosn - Chef der französisch-japanischen Allianz - kann zufrieden mit sich sein. Bei Nissan lief es hervorragend, Partner Renault litt unter der Schwäche des europäischen Markts. Die Renault-Gruppe setzte weltweit 2,55 Millionen Fahrzeuge und damit 6,3 Prozent weniger als im Vorjahr. In Europa sank der Absatz um volle 18 Prozent. Die Marke Renault verkaufte weltweit 2,1 Millionen Fahrzeuge, Dacia knapp 360.000 Autos. In Deutschland setzte Renault inklusive der Marke Dacia im Jahr 2012 mit 170.000 Einheiten rund 11.000 Fahrzeuge weniger ab als 2011. Die Marke Renault allein verkaufte 2012 in Deutschland 123.779 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Der Marktanteil sank um knapp 0,4 Prozentpunkte. Quelle: REUTERS

Mit dem neuen Verkaufskonzept stieß BMW allerdings bei seinen Händlern auf Widerstand, weil der Hersteller mit seinem Internet-Vertrieb und den eigenen Verkaufstruppen in direkte Konkurrenz zu den BMW-Händlern tritt. "Wir haben BMW unmissverständlich gesagt, dass direkte Verkaufskanäle von uns abgelehnt werden müssen", sagte Werner Entenmann, Präsident des BMW-Händlerverbandes. "Nach unseren Protesten", sagte ein einflussreicher Händler, "hat BMW zugesichert, die Verkaufstruppen in Deutschland vorerst nicht einzusetzen." Dazu sagte Krüger, trotz der geplanten Veränderungen "ist und bleibt der Handel das Rückgrat des Verkaufs."

Geschichte des Niedergangs

Diese Haltung bemängeln die Experten von Arthur D. Little. Erschwerend komme hinzu, dass viele Händler dem Internet eine andere Bedeutung zumessen als die Kunden. So wollen laut Studie 40 Prozent der Kunden künftig ein Auto über das Internet kaufen, weil sie glauben, darüber günstiger an ein neues Fahrzeug zu kommen als bei einem Händler. Die Hersteller hingegen sehen im Internet den wesentlichen Vorteil der Verfügbarkeit rund um die Uhr und weniger das Thema Preis. Außerdem reagierten sowohl Handel als auch Hersteller immer noch zu langsam auf Kundenanfragen. "Die meisten Kunden erwarten heute, dass in Echtzeit reagiert wird, während sich die meisten Hersteller sich noch mit einer Reaktionszeit von 24 Stunden zufrieden geben beziehungsweise die Händler mit durchschnittlich neun Stunden – für viele Kunden ist dies jedoch zu lang", heißt es in der Studie. Lediglich die Premiumhersteller seien in diesem Punkt bereits weiter.

Geht es nach den Autoexperten von Arthur D. Little, sollten sich Händler und Hersteller die folgenden fünf Punkte zu Herzen nehmen, wenn sie künftig keine Kunden verlieren wollen.

  • Kundenbindung (CRM) verbessern: Der Handel muss einen besseren Abgleich mit den Kundenbedürfnissen hinbekommen
  • neue und innovative Vertriebsformate schaffen, die Kunden an einem Ort ihrer Wahl bedienen
  • Preis- und Produktstrategie müssen auf das Multi-Kanal-Konzept abgestimmt sein und mit den Händlern abgesprochen werden
  • Hersteller und Händler müssen mobile Apps sowie integrierte Fahrzeugdienstleistungen anbieten
  • Statt auf komplexer Standortstrukturen zu beharren, müssen Händler und Hersteller Vertriebsinitiativen starten, sonst werden sie von Zwischenhändlern überholt
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