Die prominenteste Männerfreundschaft des Silicon Valley fing mit einem Pfau an. Der schillernde Vogel war eines Morgens auf das Grundstück von Oracle-Gründer Larry Ellison gewandert und machte dort so viel Krach, dass der Hausherr wütend zu seinem Nachbarn hinüberstapfte. „Du magst das Viech also auch nicht“, stellte der berühmte Nachbar trocken fest und erklärte, dass der Vogel das Geschenk einer Freundin sei.
Für Ellison war das der Beginn seiner „lebenslangen Freundschaft“ zu Apple-Mitgründer Steve Jobs. Beide waren bei Adoptiveltern aufgewachsen, hatten ihr Studium geschmissen und wurden als Unternehmer reich und berühmt. „Sie erzählen uns immer, dass jeder ersetzbar sei“, klagte Ellison im Oktober 2011 beim Begräbnis seines Freundes. „Aber ich glaube das nicht.“
Nun hat der Multimilliardär, der immer noch als oberster Softwarearchitekt und Verwaltungsratschef von Oracle agiert, offensichtlich einen neuen Seelenverwandten. Im Dezember ist er in den Verwaltungsrat von Tesla eingezogen, nachdem er zuvor eine Milliarde Dollar in den Elektroautobauer investiert hatte. Ob er in dem Gremium aber für die von Aufsichtsbehörden und anderen Aktionären erhoffte strengere Kontrolle sorgt, ist zweifelhaft. Erste Äußerungen deuten in eine andere Richtung: Sein Engagement sehe er als Glaubensbekenntnis für seinen „sehr engen Freund“ Elon Musk, ließ Ellison die Welt wissen.
Im Silicon Valley ziehen viele Parallelen zwischen Jobs und dem Tesla-Gründer. Beide retteten ihre Unternehmen mehrfach vor der Pleite und machten sie gegen viele Widerstände zu Weltmarken. Und beide verschlissen mit ihrer Besessenheit reihenweise Mitarbeiter, denen sie schier unerreichbare Vorgaben machten.
Auch für Ellison können die Ziele immer noch nicht groß genug sein. Der 74-Jährige fördert Forschung für ein längeres Leben, von der er selbst noch profitieren will. Und noch immer will er die Konkurrenz aus dem Weg räumen – allen voran den verhassten deutschen Wettbewerber SAP. Dass dessen Übervater Hasso Plattner dem Oracle-Gründer einst den nackten Hintern gezeigt haben soll, weil der ihn während eines Unfalls bei einem Segelrennen überholte, statt ihm zu helfen, wird im Silicon Valley noch immer gern erzählt.
Für seinen Freund Musk legt Ellison sich kräftig ins Zeug. In dem Mann, der Elektroautos und Raketen bauen lässt, der die größte Akkufabrik der Welt betreibt, Innenstädte untertunnelt und den Mars besiedeln will, sieht er einen großen Visionär, den kleinere Geister einfach nicht begreifen können. „Der Kerl landet Raketen. Und ihr sagt, er weiß nicht, was er tut“, beschwerte sich Ellison Ende Oktober bei einem Auftritt vor Analysten, den er wie üblich in Sportjackett und T-Shirt absolvierte. „Wer seid ihr überhaupt?“, polterte er weiter. „Vergesst Ford, vergesst General Motors ...“
Eng verbunden
Das Engagement dürfte die Börsenaufsicht SEC mit Skepsis registrieren. Nachdem Musk den Kurs der Tesla-Aktie mit einer missverständlichen Äußerung bei Twitter in die Höhe getrieben hatte, drang die Behörde auf mehr Unabhängigkeit im Verwaltungsrat. Musk musste den Vorsitz an die australische Telekommanagerin Robyn Denholm abgeben. Doch die meisten Kontrolleure sind ihm weiterhin eng verbunden – etwa sein Bruder Kimbal und die Wagnisfinanzierer Steve Jurvetson und Antonio Gracias.
Beobachter glauben nicht, dass sich Ellison in dieser Runde mit der Rolle des prominenten Abnickers begnügen wird. „Er interessiert sich schon seit Langem für Elektroautos und Raumfahrt“, sagt Holger Müller, Analyst bei Constellation Research und einst selbst acht Jahre bei Oracle beschäftigt. „Und er will natürlich auch kein Geld verlieren.“
Jets, Jagdflugzeuge, Superyachten, eine ganze Insel
Aber kann Ellison wirklich ausreichend Distanz wahren, wenn er derart begeistert ist? Seine Lebensmaxime „Sachen selbst durchdenken und nicht annehmen, dass Experten automatisch recht haben“ könnte auch von Musk stammen.
Ellisons Wunsch, es allen und ganz besonders dem Establishment zu zeigen, hat sicher auch mit seinem Werdegang zu tun. Seine kränkelnde Mutter gab ihn im Alter von neun Monaten zu Verwandten, die ihn adoptierten. Nach Abbruch seines Studiums ging er 1966 nach Berkeley, wo er sich als Programmierer verdingte. 1977 gründete er mit Geschäftsfreunden ein eigenes Softwareunternehmen, das sich auf moderne Datenbanksysteme spezialisierte – und dessen wichtigster Kunde und Geldgeber zunächst die CIA war. In den folgenden Jahren setzte sich Oracle, ähnlich wie SAP, als Standard bei Geschäftssoftware durch. „Es gab durchaus bessere Produkte“, erinnert sich der Silicon-Valley-Managementberater Geoffrey Moore. „Aber Larry ist ein begnadeter Verkäufer, der stets auf Wachstum drängt.“
Mit ähnlicher Leidenschaft ist auch Musk bei der Sache – und das auch dann, wenn es finanziell knapp wird. Wie Musk hat auch Ellison um ein Haar alles verloren, in den frühen Neunzigerjahren geriet Oracle wegen Problemen mit einer neuen Generation seiner Datenbank in Geldnot. Doch das ist lange her. Mit einem geschätzten Vermögen von 60 Milliarden Dollar steht der Oracle-Gründer in der Rangliste der reichsten Bewohner des Silicon Valley aktuell ganz vorne. Und das zeigt er auch: Ellison besitzt Jets, zwei Jagdflugzeuge, mehrere Superyachten und hat in Hawaii gleich eine ganze Insel gekauft. Im Jahr 2000 setzte er mit einem Heer von Anwälten durch, dass Flugzeuge in San José auch nachts landen dürfen. Fortan konnte er jederzeit mit seiner Gulfstream V auf der Landebahn aufsetzen.
Zahlreiche Liebschaften haben früher die Kolumnen der Tageszeitung „San José Mercury News“ gefüllt. Ellison ist bisher viermal verheiratet gewesen, zuletzt mit der Schriftstellerin Melanie Craft. Das Bild eines Egomanen beförderte auch der US-Journalist Mike Wilson mit seinem 2003 erschienenen Enthüllungsbuch „Der Unterschied zwischen Gott und Larry Ellison“. Auf das Werk will der Oracle-Gründer auch heute noch nicht angesprochen werden.
Tatsächlich kultiviere dieser sein Image als Bad Boy, sei im persönlichen Umgang aber wesentlich netter, als man annehmen würde, sagen Weggefährten. Fachlich halten die ihn ohnehin für über jeden Zweifel erhaben. „Es gibt niemanden, von dem ich mehr gelernt habe als von Larry“, schwärmt etwa Marc Benioff, der früher selbst bei Oracle arbeitete und als Gründer von Salesforce selbst zum Milliardär wurde. Ellison hatte auch in Salesforce investiert. „Larry ist nach all den Jahrzehnten hier im Valley immer noch einer der genialsten Köpfe“, sagt auch Tom Siebel, der sein gleichnamiges Unternehmen im September 2005 für 5,8 Milliarden Dollar an Oracle verkauft hat.
Heikel wird es nur, wenn sich Ellisons Leidenschaften für Software und Segeln in die Quere kommen. So wie im Jahr 2013. Da musste ein anderer, sichtlich peinlich berührter Top-Manager, dem zahlreich erschienenen Publikum bei der wichtigen Kundenmesse Oracle OpenWorld verkünden, dass der Gründer des Unternehmens leider ausgerechnet heute unabkömmlich sei. Tatsächlich feuerte der in der Nähe der Golden Gate Bridge von seiner Yacht aus sein Team beim Rennen um den America’s Cup an. Während immer mehr Kunden schimpfend den Vortragssaal verließen, gewann das Boot das Rennen – und später trotz eines zuvor gewaltigen Rückstands auf Wettbewerber Neuseeland auch die begehrte Trophäe.
Auch die Szene könnte von Musk stammen. Wie Larry hat auch Elon keine Probleme damit, Weggefährten und Kunden vor den Kopf zu stoßen. Er geht einen sehr eigenen Weg – in Zukunft mit einem neuen, starken Freund.