Teilverkauf des Opel-Forschungszentrums? „Ein Angriff auf das Herz der Marke Opel“

Wenn nicht reagiert wird, könnte vom Autobauer nur noch eine Marke namens Opel übrig bleiben. Quelle: imago images

PSA denkt einem Bericht zufolge darüber nach, sich von Teilen des Opel-Entwicklungszentrums zu trennen. Ein Sprecher relativiert. Der Opel-Gesamtbetriebsrat reagiert entsetzt: Das nehme man „nicht kampflos hin“.

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Könnten Teile des Forschungs- und Entwicklungszentrums von Opel in Rüsselsheim verkauft werden? Das legt ein bislang unbestätigter Medienbericht der französischen Zeitung „Le Monde“ nahe. Demnach denkt der französische Autobauer über einen Teilverkauf nach. Veräußert werden könnten vier Bereiche, die insgesamt mit 500 Millionen Euro bewertet würden, berichtet die französische Tageszeitung „Le Monde“ unter Berufung auf ein internes Dokument. In den Bereichen arbeiteten 3980 Angestellte.

Die wichtigsten Antworten zu dem Thema:

Was ist an dem Bericht dran?
Während es bei PSA hieß, man wolle „Spekulationen“ nicht kommentieren, antwortete ein Opel-Sprecher, der Autobauer lote für sein Entwicklungszentrum in Rüsselsheim mögliche Partnerschaften aus. Das Sanierungsprogramm „PACE“ könne zusätzlich zu internen organisatorischen Maßnahmen „auch strategische Partnerschaften umfassen“, teilte der Sprecher auf Anfrage mit. Das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim werde auch künftig alle Opel-Modelle entwickeln und die Aufgaben der 15 Kompetenzzentren für die gesamte PSA-Gruppe übernehmen, so der Sprecher. Wegen des „stark rückläufigen“ Volumens von Auftragsarbeiten für General Motors und im Rahmen der Mitbestimmung gelte es, mit den Sozialpartnern eine Lösung zu finden. Dies sei Bestandteil der Ende 2017 unterzeichneten Rahmenvereinbarung. Laut PSA seien bisher keine Entscheidungen getroffen worden.

Opels Produktionsstandorte in Europa

„Le Monde“ berief sich in ihrem Bericht unter anderem auf ein auf Mitte Mai datiertes Dokument. Die Zeitung verwies zudem auf eine nicht namentlich genannte Quelle aus dem Umfeld der PSA-Führungsgremien – demnach sei tatsächlich ein Verkauf eines Teils der Opel-Entwicklung in der Pipeline, das ein Viertel der Mitarbeiter betreffe. Laut der Zeitung soll Opel im April in einer Präsentation für die Interessenten erklärt haben, eine dauerhafte Lösung für die Mitarbeiter anzustreben – über eine „Partnerschaft“ oder ein „Miteigentümerschaft-Konzept“. Im Opel-Entwicklungszentrum in Rüsselsheim arbeiten mehr als 7000 Ingenieure.

Was sagt Opel?
Nach dem Le-Monde-Bericht meldete sich Opel-Chef Michael Lohscheller zu Wort. „Wir haben ein klares Ziel: Wir wollen uns als Gesamtunternehmen und explizit im Engineering nachhaltig und erfolgreich aufstellen und qualifizierte Beschäftigung am Standort sichern“, so Lohscheller in einer Mitteilung. „Wir wissen jedoch, dass die Auftragsvolumen von GM in den kommenden Jahren drastisch abnehmen werden. Deshalb prüfen wir unterschiedliche Optionen, wie eine nachhaltige und erfolgreiche Aufstellung im ITEZ (Internationales Technisches Entwicklungszentrum, Anm. d. Red.) erreicht werden kann. “

Strategische Partnerschaften mit anderen Unternehmen seien dabei Teil dieser Überlegungen. „Aktuell wurden jedoch, wie bereits betont, noch keine Entscheidungen dazu getroffen. Es steht noch nicht fest, welche Optionen tragfähige Lösungen sein könnten“, so der Opel-Chef. „Es ist selbstverständlich, dass unsere Sozialpartner in den Prozess eingebunden werden.“

Sind bereits Käufer in Sicht?
PSA sei wegen der Verkaufspläne bereits an die französischen Firmen Altran, Akka und Segula sowie die deutsche Bertrandt herangetreten und habe deren Interesse abgeklopft. Wie „Le Monde“ berichtet, könnte der Verkauf bis Jahresende unter Dach und Fach gebracht werden.

Wenn das Entwicklungszentrum weiterhin alle Opel-Modelle und Teile für den Konzern entwickelt: Warum soll es dann teilweise verkauft werden?
Weil die verbliebenen Aufgaben wohl nicht mehr ausreichen, um 7000 Ingenieure auszulasten. Früher hat Opel viele Komponenten für den damaligen Mutterkonzern General Motors entwickelt – diese Aufträge fallen zukünftig weg. In Rüsselsheim sollen unter anderem Brennstoffzellentechnologie und eine Plattform für leichte Nutzfahrzeuge für alle PSA-Marken entwickelt werden. Das heißt im Umkehrschluss: Die Plattformen für die Pkw-Modelle, Antriebe, Elektrik/Elektronik, Assistenzsysteme, Infotainment und Interieur werden in anderen PSA-Zentren entwickelt und in Rüsselsheim nur noch für die Opel-Modelle angepasst.

Opels Managerverschleiß auf dem Chefposten
Michael Lohscheller Quelle: Opel
Karl-Thomas Neumann Quelle: obs
Thomas Sedran Quelle: dpa
Stephen Girsky Quelle: dpa
Karl-Friedrich Stracke Quelle: dpa
Nick Reilly Quelle: REUTERS
Hans Demant Quelle: AP

PSA hat doch immer betont, wie wichtig das Entwicklungszentrum für den Konzern sei. Woher kommt dann diese Wende?
Die Auslastung nach dem Wegfall der GM-Aufträge sind nur ein Faktor. Das „Handelsblatt“ spekuliert, dass sich möglicherweise PSA-Chef Carlos Tavares „gravierend verkalkuliert“ habe, sowohl was die Produktivität der Werke angehe als auch mit Blick auf ein zusätzliches Forschungs- und Entwicklungszentrum. Soll heißen: Die positiven Effekte, die sich Tavares mit der Übernahme erhofft hat, sind in dieser Form wohl nicht eingetreten. Zumindest scheint in Paris die Erkenntnis gereift zu sein, dass die Entwicklungsaufträge anderswo günstiger erledigt werden können als in Rüsselsheim.

„Strategische Partnerschaft“ oder Teilverkauf – welches Szenario ist wahrscheinlich?
Es ist noch zu früh, um diese Frage zu beantworten. Möglich ist auch eine Kombination: Erst wird ein Entwicklungsdienstleister als Partner an Bord geholt, später zieht sich dann PSA ganz zurück. Das könnte es PSA ermöglichen, juristisch die gegenüber den Mitarbeitern eigegangenen Verpflichtungen einzuhalten. Zudem könnte das – in Verbindung mit Zusagen für künftige Entwicklungsaufträge – die Suche nach einem Käufer vereinfachen.

Ende Mai haben sich Unternehmen und Arbeitnehmer auf eine umfassende Beschäftigungssicherung bis einschließlich Juli 2023 geeinigt. Gegen Lohnzugeständnisse der verbleibenden Beschäftigten sicherte Opel zu, den Stamm in den deutschen Standorten von bislang rund 19.000 Menschen nur um 3700 zu vermindern, auf freiwilliger Basis über die verschiedenen Abfindungs- und Vorruhestandsprogramme.

Was sagt der Betriebsrat zu dem Bericht?
Die Opelaner stemmen sich gegen einen möglichen Teilverkauf des Forschungs- und Entwicklungszentrums. „IG Metall und Gesamtbetriebsrat werden einen solchen Angriff auf das Herz der Marke Opel (...) nicht kampflos hinnehmen“, teilte der Gesamtbetriebsrat in Rüsselsheim mit. Opel-Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug sagte „Le Monde“, er habe bislang nichts von solchen Gesprächen gewusst. Wenn sich dies bewahrheite, wäre es eine „unglaubliche und beispiellose Provokation“ gegen die Arbeitnehmervertreter, zitiert ihn das Blatt.

Dem widerspricht Lohscheller. „Wir haben mit der IG Metall und dem Gesamtbetriebsrat regelmäßig und bereits seit Dezember 2017 besprochen, dass wir strategische Partnerschaften im Engineering als Option prüfen, um langfristig Beschäftigung im ITEZ zu sichern“, so der Opel-Chef. „Diese Information ist auch Bestandteil der ebenfalls vom Gesamtbetriebsrat unterschriebenen Vereinbarung aus dem vergangenen Jahr. Die Behauptung, dass wir in der Einigungsstelle solche Pläne dementiert haben, ist falsch.“

Die Rüsselsheimer planen nun für Donnerstag kurzfristig eine Betriebsversammlung.

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