Porsche-Chef Matthias Müller "Wir sind nur ein kleiner Fisch"

Bei Porsche läuft es wie geschmiert: Der Firmenchef Matthias Müller will in diesem Jahr erstmals mehr als 200.000 Autos verkaufen und rechnet im Interview mit seinem Vorvorgänger Wendelin Wiedeking ab.

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Porsche-Chef Matthias Müller im Interview Quelle: dpa Picture-Alliance

WirtschaftsWoche: Herr Müller, herzlichen Glückwunsch.
Matthias Müller: Wozu?

Zur Berufung in den Vorstand des Volkswagen-Konzerns.
Das darf man nicht überbewerten: Es ist nur konsequent, dass nach der erfolgreichen Integration von Porsche in den VW-Konzern die Marke auch im Konzernvorstand vertreten ist. Für mich ändert sich erst einmal gar nichts, weil ich ohnehin schon versucht habe, die Dinge mitzugestalten.

Zur Person

Es heißt, dass Sie als Leiter eines neuen Vorstandsressorts künftig für alle sportlichen Marken im Konzern verantwortlich sein werden, also auch für Lamborghini und Bentley?
Ach wissen Sie, das ist mal wieder ein neues Gerücht. Ich gehe als Vorstandsvorsitzender der Marke Porsche in den Konzernvorstand, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Alles, was sich ansonsten an Gestaltungsoptionen ergeben sollte, werden wir zu gegebener Zeit sehen.

Nur für Fans scharfer Kurven
In dem 4,48 Meter langen Sportwagen steckt der 3,8 Liter große Boxer-Motor aus dem Carrera S. Quelle: Porsche
Seine offizielle Premiere feierte der Cayman GT4 auf dem 85. Genfer Autosalon. Quelle: Porsche
Mit stärkerem Motor, strammerem Fahrwerk und schärferem Design erkämpft sich der Cayman GT4 Anschluss an den Porsche 911. Quelle: Porsche
Fahrer und Beifahrer nehmen in Leder-Alcantara-Sportsitzen Platz. Das Sportlenkrad ist serienmäßig, weitere Rundstrecken-Extras wie Keramikbremsanlage oder Sport-Chronopaket sind ebenfalls erhältlich. Quelle: Porsche
Auch bei einem Spitzentempo von 295 km/h haftet der Cayman dank seines verbesserten Abtriebs sicher auf dem Asphalt. Quelle: Porsche
Dabei zeugen nicht nur Motorleistung, Design und Ausstattung, sondern auch der Preis von hohem Niveau. Quelle: Porsche
Von der Rundstrecken-Variante des 911, dem GT3, übernimmt der drei Zentimeter tiefer gelegte Zweisitzer zum Beispiel Fahrwerks-Komponenten sowie die Bremsanlage. So ausgerüstet platziert sich der Sportler mit einer Rundenzeit von sieben Minuten und 40 Sekunden auf der Nürburgring-Nordschleife. Quelle: Porsche

So oder so – Ihr Terminplan wird mit der neuen Aufgabe nochmals verdichtet: Sie leiten parallel die Porsche AG, sitzen im Aufsichtsrat der Porsche-Holding. Aus dem Rennen um die Nachfolge von Martin Winterkorn als Konzernchef haben Sie sich aber kürzlich selbst genommen, mit der Erklärung, Sie seien zu alt dafür.
Meine Meinung ist, und die vertrete ich auch hier, dass man auch über einen Generationswechsel nachdenken sollte, wenn sich die Frage eines Tages stellt. Und wenn man über einen Generationswechsel spricht, dann denke ich nicht, dass ich dafür dann noch der richtige Mann bin. Im Moment fühle ich mich überhaupt nicht alt, sondern pudelwohl hier bei der tollsten Firma der Welt. Und ich habe bereits drei Aufgabenstellungen. Denen werde ich mich weiter mit vollem Einsatz widmen.

Sie bringen jedenfalls gute Daten mit: Porsche hat im vergangenen Jahr 189.850 Autos verkauft, 17 Prozent mehr als im Jahr davor. Der Gewinn stieg um gut 5 Prozent. Geht die Rekordfahrt so weiter?
Wir sind mit der Gewinnentwicklung zufrieden: Unser Ziel bleibt eine durchschnittliche operative Rendite von 15 Prozent – aktuell liegen wir bei 16 Prozent. 2014 haben wir auch eine ordentliche Kapitalrendite von 27 Prozent. Wir sind also im grünen Bereich. Aber man muss auch sehen, dass Porsche in einer Investitionsphase steckt: Wir müssen unsere Produkte pflegen, neue Technologien entwickeln und den Stau auflösen, den der frühere Vorstand hinterlassen hat. Das alles kostet eine Menge Geld.

Wo gibt es denn einen Stau aus der Ära von Wendelin Wiedeking?
Das Geschäftsmodell bei meinem Vorvorgänger war ein anderes als unseres heute. Sein Streben ging dahin, die Wertschöpfungstiefe von Porsche geringzuhalten und möglichst wenig zu investieren. Er hat deshalb Autos fremd entwickeln und extern bauen lassen. Zu der Zeit mag das richtig gewesen sein: 2003 hatte Porsche ganz wenig Geld zur Verfügung. Infolge dieser Strategie hat man sich aber in eine starke Abhängigkeit gebracht von den großen Zulieferern. Das hat das Geschäft teuer und unhandlich gemacht. Heute wollen wir das Kerngeschäft selbst beherrschen.

"Das Apple-Modell ist nicht auf uns übertragbar"

Was zählen Sie zum Kerngeschäft?
Ich nenne ein einfaches Beispiel: So komplizierte Blechbauteile, wie wir sie verwenden, kann nicht jeder herstellen. Und die Werkzeuge, die man dafür braucht, auch nicht. Beim neuen Panamera, der kommendes Jahr auf den Markt kommt, haben wir größte Mühe gehabt, Werkzeugbauer und Lieferanten zu finden, die diese Teile zu guter Qualität und akzeptablen Kosten herstellen. Da sollte man überlegen, ob es nicht Sinn macht, mittelfristig Kompetenzen in die Werke zurückzuholen, um bei den aus unserer Sicht 10 oder 20 qualitäts- und markenbestimmenden Bauteilen wieder unabhängiger zu werden. Und die großen Zulieferer warten nicht auf uns, für die sind wir nur ein kleiner Fisch.

Die Fertigungstiefe bei Porsche soll also eher steigen als sinken? Einige Experten raten dagegen, die Autofertigung nach dem Vorbild der Smartphone-Hersteller sogar komplett auszulagern.
Das Apple-Modell ist nicht auf uns übertragbar. Die Autoindustrie ist sozial sehr entwickelt. Wir könnten uns nicht erlauben, unsere Produkte unter derartigen Bedingungen herstellen zu lassen wie etwa Apple bei Foxconn in China.

Der Sportwagen unter den SUV
Gebaut wie der Cayenne in Leipzig soll der Macan die Gesamtproduktion um ein stolzes Drittel steigern – auf dann bald 200.000 Autos im Jahr. Die Rechnung könnte aufgehen ... Quelle: Sebastian Schaal
Der Porsche Cayenne ist der heute mit Abstand am meisten verkaufte Porsche, weit vor der Ikone 911. Und der Markenname soll auch bei den kompakten SUV-Modellen seine Strahlkraft entfalten. Technisch beruht der neue Macam auf dem Audi Q5 ... Quelle: Sebastian Schaal
Die bereits gute Konzern-Plattform wurde von aber einer Rundum-Veredelung unterzogen, Mehr als zwei Drittel der Komponenten des Macan sind entweder Porsche-Eigenentwicklungen oder wurden Porsche-typisch angepasst und abgestimmt. So gesehen ist er der Sportwagen unter den SUV ... Quelle: Sebastian Schaal
Der „Tiger“, so der aus dem Indonesischen übersetzte Name, sieht auf den ersten Blick aus wie der Cayenne – nur weniger mächtig, weniger schwer, sympathischer. 17 Zentimeter weniger Länge (4,68 m), acht weniger in der Höhe (1,62) und fast gleiche Breite (1,92) ergeben sogar einen sportlichen Eindruck, wenn man dieses Prädikat einer hohen Schrägheck-Limousine überhaupt zubilligen will. Quelle: Sebastian Schaal
Trotz „Sportwagen-typisch niedriger Sitzposition“ (Pressetext) ist das Ein- und Aussteigen eine leichte Übung im Vergleich zu einem 911. Materialien und Verarbeitung wirken hervorragend. Quelle: Sebastian Schaal
Das Armaturenbrett enthält nur drei Instrumente, den Drehzahlmesser natürlich in der Mitte. Es wird weit weniger als im Cayenne von den Luftdüsen dominiert, die Mittelkonsole liegt tiefer, für Fahrer und Beifahrer ergibt sich ein eher großzügigerer Raumeindruck. Quelle: Sebastian Schaal
Die Raumverhältnisse hinten sind bei weitem nicht so üppig wie im Cayenne. Der Macan ist halt der kleinere Bruder. Wer als Erwachsener hinten sitzt, ist in puncto Beinfreiheit auf die Gnade der Vorderleute angewiesen. Quelle: Sebastian Schaal

Warum beteiligt sich Porsche am Düsseldorfer Zulieferer Capricorn?
Das Unternehmen hat sehr hohe Kompetenzen zur Fertigung von Leichtbauteilen, die für uns im Rennfahrzeug 919 Hybrid eine Rolle spielen. Dieses Know-how möchten wir uns sichern.

Noch mal zurück zum „kleinen Fisch“: Wird Porsche 2015 die Schwelle von 200.000 verkauften Autos überschreiten?
Das werden wir kaum verhindern können.

Wo würden Sie sagen: Jetzt ist genug?
Die natürliche Grenze liegt für mich nicht in irgendeiner absoluten Absatzzahl von 190.000 oder 210.000 Autos, sondern in einem Marktanteil. Wenn wir heute bei einem Weltmarkt von mehr als 70 Millionen Pkws auf einen Anteil von nicht einmal 0,3 Prozent kommen, ist das doch nichts. Und es kommt nicht bloß auf die Stückzahl, sondern auf den Modellsplit an: Wie viele Cayenne verkaufen wir in Relation zum 911 und welche Motorisierungen in welchen Autos?

Es gibt relevante Menschen in Ihrem Unternehmen, die über Ihren sportlichen Geländewagen Macan nicht glücklich sind, weil Porsche pro Stück damit weit weniger verdient als etwa mit dem 911.
Aber stellen Sie sich doch Porsche mal ohne den Macan vor. Wir würden einen riesigen Markt herschenken. Drei Viertel der Käufer sind Neukunden, in China geht fast jeder zweite Macan an eine Frau. Diese Volumenmodelle bringen uns junge Kunden und das Geld, das wir brauchen, um uns die markenprägenden Modelle auch weiterhin leisten zu können.

"Wir müssen uns mit dem E-Auto beschäftigen"

Zur Rentabilität von Porsche soll der neue Standortsicherungsvertrag beitragen. Die Gespräche darüber ziehen sich bald fünf Monate hin. Wann kommt die Einigung?
Die Sondierung beginnt gerade erst jetzt, sodass wir vor den Sommerferien einen unterschriftsreifen Vertrag haben werden. Ich erwarte keine großen Auseinandersetzungen, sondern einen kreativen und konstruktiven Dialog.

Und wann steht die Entscheidung über die siebte Baureihe von Porsche an?
Unsere Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Und wir lassen uns nicht zu einer Entscheidung drängen. Was gibt es denn schon groß für Möglichkeiten?

PS-Protze auf dem Genfer Autosalon
Der 85. Genfer Automobilsalon, der am 5. März seine Pforten für Besucher öffnet, schwelgt in Leistung und Luxus. Doch nicht nur die Mobile der Schönen und Reichen dürfen PS-Orgien feiern. Auch die Großserienhersteller brennen bei Studien und Neuheiten ein Feuerwerk der bürgerlichen Boliden ab. Quelle: Presse
So darf sich ein Ford Focus RS mit 320 PS produzieren, der Audi A3 RS mit 367 PS, der Honda Civic Type R mit 280 PS (hier im Bild) oder der Opel Corsa OPC künftige Kunden mit 207 PS locken. Quelle: Presse
46,25 Dollar sind der magische Betrag, um den derzeit die Autoindustrie und ganze Volkswirtschaften kreisen. Die umgerechnet 39,50 Euro waren vergangene Woche in London für ein Barrel Rohöl der Sorte „Nordsee Brent“ fällig. Nie zuvor in diesem Jahrhundert waren 158,98 Liter Öl (entspricht einem Barrel) so preiswert. Förderländer stöhnen unter dem Preisverfall. Des einen Leid, des anderen Freud: Autofahrer auf der ganzen Welt begeistern die tiefen Spritpreise, die positiven Impulse für viele nationale Konjunkturen sind unverkennbar, und die Autoindustrie profitiert vom Sexappeal großer und leistungsstarker Fahrzeuge. Quelle: Presse
Offenbar vollkommen vergessen ist das Krisenjahr 2008, als der Ölpreis die Marke von 150 Dollar pro Barrel riss und drohte auf die 200 Dollar zu marschieren. Damals mussten Messe-Premieren in puncto Leistung in Sack und Asche gehen und um jeden Tropfen Verbrauchssenkung ringen. Aber nun darf erst einmal wieder gebolzt werden. Den Trend zu Selbstbewusstsein und Status läutete bereits die erste wichtige Automesse des Jahres, die Detroit-Motorshow im Januar ein. Nun geht die Party in Genf weiter. Quelle: Presse
Mercedes-Benz überlässt die besten Bühnenplätze der Spaß-Tochter AMG. Die enthüllt ihre Interpretation des CLA Shooting Brake (360 PS). Neu sind auch die AMG-Beiträge zur C-Klasse. Mit 476 PS so stark wie keine C-Klasse zuvor. Alpina will mit dem B6, seiner Interpretation des BMW 6er-Gran Coupé glänzen, das 600 PS aus seinem aufgeladenen 4,4-Liter-V8 mobilisiert. Quelle: Presse
Mercedes hat für den Dauerbrenner G-Modell ein neues Paket geschnürt. Der G 500 4x4² verdoppelt quasi das bereits legendäre Vermögen des Off-Roaders über Stock und Stein zu fahren. Vorausgesetzt genügend solvente Genf-Besucher skandieren „Haben wollen!“, geht das Modell Ende des Jahres für rund 300.000 Euro in Kleinserie. Mit 422 PS sollen dann auch fast senkrechte Felswände kein unüberwindliches Hindernis für den Kraxler mehr errichten. Quelle: Presse
Die Exoten und extrem Getunten gehören zu Genf wie der See, das Verkehrschaos und Preise, die den Messebesucher selbst am Würstelstand in Schnappatmung versetzen. McLaren toppt mit dem 675LT seine Straßensportler. Der Name ist Programm: 675 PS ... Quelle: Presse

Porsche könnte zum Beispiel einen kleinen Panamera auflegen.
Ja, warum nicht, ich habe mich dem nie verschlossen. Das Problem ist nur: Wie schaut denn so ein kleiner Panamera aus? Wie viel Kopffreiheit sollte man im Fond haben, und was für einen Antrieb kriegt der Wagen? Einen Hybridantrieb, oder fährt er rein elektrisch?

Letzteres wäre nicht schlecht...
Ja. Aber gerade auf dem Gebiet gibt es viele Unwägbarkeiten: Wie leistungsfähig werden in vier oder fünf Jahren die Batterien dafür sein, und was werden sie kosten? Heute kostet ein Akkupack immer noch sehr viel – und keiner wird damit so recht glücklich. Die Kunden nicht, weil die Reichweite zu gering ist und der Wiederverkaufswert nicht akzeptabel ist. Und wir nicht, weil wir damit kein Geld verdienen. Wir müssen uns aber mit dem Thema E-Auto beschäftigen, um für jede Eventualität gewappnet zu sein.

Porsche ist Teil eines Großkonzerns, das hilft doch?
Das hilft sicherlich. Aber auch dort hat man keine Glaskugel und kann nicht sicher sagen, wie der Antriebsmix der Zukunft aussieht.

Eine Unwägbarkeit für die Porsche-Holding sind die Schadensersatzklagen von Investoren. Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein?
In den USA konnten wir die Rechtsstreitigkeiten vollständig beenden, und in Deutschland haben die Gerichte in den vier Zivilverfahren, in denen es bisher ein Urteil gab, der Porsche SE recht gegeben. Wir sind deshalb zuversichtlich, auch wenn sich die Klärung der Vorwürfe noch länger hinziehen sollte.

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