Porsche-Entwickler "911 als Hybrid bis Ende des Jahrzehnts"

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"Elektromotoren haben andere Anforderungen"

Bei dem Elektroauto-Konzept „Mission E“ haben Sie auf einem fast weißen Blatt Papier begonnen. Wie stark hat sich der Prozess danach von einem konventionellen Sportwagen unterschieden?
Immer wenn eine neue technologische Ära anbricht ist das für einen Ingenieur unglaublich spannend. Die Vielzahl an technischen Lösungen, die untersucht werden, ist zunächst enorm. Erst nach einer gewissen Zeit kristallisieren sich einige Favoriten heraus – je nach den Kriterien und Maßstäben, die man anlegt. In einer solchen Zeit befinden wir uns gerade. Der Projektablauf ist sehr ähnlich, die Module, Baugruppen und die gesamte Architektur unterscheiden sich aber stark.

Können Sie da ein Beispiel geben?
Der Verbrennungsmotor, der Tank und das große Getriebe verschwinden. Diesen Platz können Batterie und Elektromotoren aber nicht 1:1 ausfüllen, da sie andere Anforderungen haben. Zum einen ist ein Elektromotor an sich kleiner als ein Verbrenner mit seinen Zusatzaggregaten. Zum anderen haben wir uns für zwei Elektromotoren – je einen pro Achse – entschieden anstatt einem großen oder vier kleinen für jedes Rad. Es gibt eine Pluralität an Lösungen, die nach Performance, Bauraum, Gewicht und Kosten bewertet werden müssen. Ein Beispiel: Für Radnabenmotoren spricht, dass sie im Fahrzeug selber kaum Platz beanspruchen und die Leistungsmomente pro Rad einzeln verteilt werden können.

Und dagegen?
Die ungefederten Massen sind sehr hoch, was Abstriche für die erzielbare Spreizung zwischen Fahrdynamik und Komfort nach sich zieht. So haben wir uns für die Achsmotoren entschieden: Mit intelligenten Differenzialen können wir auch hier die Leistungsmomente genau verteilen, aber ohne die Nachteile des Radnabenmotors.

Weniger ist mehr
Vor 20 Jahren war es eine regelrechte Zäsur: Porsche brachte einen Sportwagen unterhalb des 911er auf den Markt. Für die Traditionalisten war es ein erneuter Tabubruch, hatten sich die "Hausfrauen-Porsche" 924 und 944 nie blendend verkauft. Doch für den Sportwagenbauer, der in den 1990er Jahren in großen Problemen steckte, war die Entscheidung von Unternehmenslenker Wendelin Wiedeking überlebenswichtig: Der Boxster anno 1996 wurde ein großer Erfolg, sicherte Arbeitsplätze und schuf Umsatz. Für 2016 bekommt die dritte Generation des Mittelmotor-Sportlers ein umfangreiches Update – und die Adelung in Form eines neuen Namens. Quelle: Porsche
Statt dem schlichten Namen Boxster wird die Baureihe künftig mit dem Kürzel 718 geehrt. Neben dem 718 Boxster wird auch das Coupé künftig als 718 Cayman verkauft. Porsche-Kennern ist diese Ziffernfolge gut bekannt: Der ursprüngliche 718 gewann in den 1950er und 1960er Jahren zahlreiche Rennen, darunter die legendäre Targa Florio und den 24-Stunden-Klassiker in Le Mans. Die Besonderheit des 718: Er hatte einen Vierzylinder Boxermotor. Damit gibt er auch die Linie für den heutigen 718 vor. Quelle: Porsche
Soll heißen: Die beiden Sechszylinder-Boxermotoren haben ausgedient. Künftig kommen turbogeladene Vierzylinder zum Einsatz. Im Falle des 718 Boxster leistet der 2,0 Liter große Motor 300 PS, der 718 Boxster S schöpft aus seinem 2,5-Liter-Aggregat sogar 350 PS. Die Zusatz-Leistung des S-Modells kommt nicht nur aus dem größeren Hubraum, hier setzt Porsche einen Turbolader mit variabler Turbinengeometrie an – neben dem 911 Turbo der einzige variable Turbo in einem Benziner weltweit. Noch etwas wird sich mit dem 718 ändern: Hatte bislang der Cayman stets ein paar Pferdestärken mehr als der Boxster, bringen künftig Coupé und Roadster dieselbe Leistung auf die Straße. Quelle: Porsche
Bei dem ersten Vierzylinder-Sportwagen aus Zuffenhausen seit den 60er Jahren sorgt der Turbolader nicht nur für einen niedrigeren Verbrauch (auf dem Papier minus 13 Prozent), sondern auch für deutlich mehr Drehmoment. Der Zweiliter-Motor des 718 Boxster erreicht 380 Newtonmeter (plus 100 Nm), 2er 2,5-Liter-Motor erzielt sogar 420 Newtonmeter (plus 60 Nm). Die Folge: Im Spurt von 0 auf 100 km/h ist der Boxster um 0,8 Sekunden schneller (4,7 Sekunden), der Boxster S noch 0,6 Sekunden. Werte von 4,2 Sekunden waren aber noch vor wenigen Jahren der Sportwagen-Ikone 911 vorbehalten. Quelle: Porsche
Wegen des komplett neuen Motorenkonzepts spricht Porsche intern auch nicht von einem Facelift der 981 genannten Baureihe, sondern gleich von der Baureihe 982. Den grundlegenden Aufbau teilt sich das neue Modell zwar mit seinem Vorgänger, neben den Motoren wurden auch Fahrwerk und Bremsen neu abgestimmt. Um den Anspruch als neues Modell zu untermauern hat Porsche das Design kräftig überarbeitet – nur die Kofferraumdeckel, die Windschutzscheibe und das Verdeck sollen gleich sein. Quelle: Porsche
An der Front prägen vor allem die neuen Scheinwerfer mit den inzwischen Porsche-typischen Tagfahrleuchten mit den vier LEDs das Bild. Im Rückspiegel dürfte der 718 damit noch stärker einem 911er ähneln – was nicht allen 911er-Kunden gefallen dürfte. Quelle: Porsche
Auch am Heck setzt sich die neue Leuchtengrafik mit vier LEDs fort. Außerdem fällt auf, dass der Porsche-Schriftzug und die neue Modellbezeichnung vom Kofferraumdecken ein Stück nach unten auf die Stoßstange gewandert sind. Zudem geht der ausfahrbare Heckspoiler nicht mehr, wie beim 981, fließend in die Heckleuchten über, sondern liegt quasi zwischen den Leuchten auf. Auch die Seitenansicht ist neu: Für den Turbo mussten die Lufteinlässe vergrößert werden, zudem sind die Türen neu gestaltet. Wie im überarbeiteten 911er kommt auch der 718 an den Türgriffen ohne Griffschalen aus. Klingt zunächst vernachlässigbar, sieht im direkten Vergleich aber deutlich hochwertiger aus. Quelle: Porsche

Wenn Sie die Evaluation von verschiedenen Lösungen ansprechen: Spielen alternative Kraftstoffe bei Ihnen noch eine Rolle oder konzentrieren Sie sich auf den Elektromotor?
Sie können nicht bei den Entwicklungs- und Lebenszyklen unserer Produkte ein ganzes Portfolio von heute auf morgen umstellen. Wenn man durch Beimischung oder den kompletten Austausch mit alternativen Kraftstoffen wesentliche Vorteile in der Umweltbilanz erzielen kann, ist das hilfreich. Vor allem dann, wenn wir dafür die bestehende Infrastruktur nutzen können. Und ein noch viel größerer Vorteil ist, dass wir mit den Kraftstoffen nicht nur Neuwagen umstellen können, sondern auch den gesamten Bestand.

Kann das auch eine dauerhafte Alternative werden?
Das hängt ganz davon ab, wie die Gesamtbilanz der alternativen Kraftstoffe ist – aus ökologischer, aber auch ökonomischer Sicht. Die Entwicklung ist hier aber noch lange nicht am Ende.

Herr Steiner, wir danken für das Gespräch.

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