
Der Prozess gegen den früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking geht überraschend in die Verlängerung. Das Landgericht Stuttgart hat die Beweisaufnahme wieder eröffnet. Zusätzlich zu den beiden noch ausstehenden Prozesstagen sollten zwei weitere Verhandlungstermine festgesetzt werden, teilte das Landgericht am Mittwoch mit. Das ursprünglich für 4. März geplante Urteil dürfte sich damit verschieben. Die Entscheidung des Gerichts ist ungewöhnlich, da es die Beweisaufnahme vor dem Plädoyer der Staatanwaltschaft bereits abgeschlossen hatte. Zu den Gründen für die erneute Beweisaufnahme wollte sich das Gericht am Mittwoch nicht äußern.





Wiedeking und Ex-Finanzchef Holger Härter stehen seit Oktober wegen Marktmanipulation vor Gericht. Die Strafverfolger sehen es als erwiesen an, dass die Beschuldigten mit Pressemitteilungen zwischen März und Oktober 2008 den Plan einer Übernahme des viel größeren VW-Konzerns zunächst wahrheitswidrig abgestritten hätten, um Anleger in die Irre zu führen. Mit der Bekanntgabe des Plans am 26. Oktober 2008 hätten sie den VW-Aktienkurs nach oben treiben wollen, um Verlust aus milliardenschweren Optionsgeschäften zu vermeiden.
Porsche und die Hedgefonds
Wegen des gescheiterten Übernahmeversuchs von Volkswagen im Jahr 2009 hat die Porsche Automobil Holding SE (Porsche SE/PSE) als Dachgesellschaft des Sport- und Geländewagenbauers diverse Rechtsstreitigkeiten am Hals. Auch im aktuellen Fall geht es um den spektakulären Wirtschaftskrimi: Mehrere Hedgefonds fühlen sich rückblickend getäuscht und wollen deswegen Geld zurück, das sie damals an der Börse verloren haben. Insgesamt geht es noch um fast 1,2 Milliarden Euro. Die PSE hält die Forderung für unbegründet.
Im Mittelpunkt stehen Pressemitteilungen aus dem Jahr 2008. Damals hatte die Holding zunächst bestritten, ihren Anteil am VW-Konzern auf 75 Prozent aufstocken zu wollen. Einige Monate später gab sie dann aber bekannt, genau diesen Plan zu verfolgen. Die Aktienkurse schossen nach oben - Anleger, die auf fallende Kurse gewettet hatten, verloren viel Geld. Sie werfen der PSE vor, die Öffentlichkeit über ihre wahren Absichten bewusst im Unklaren gelassen zu haben.
Ganz anders: Die Holding habe ihre Pläne stets nach bestem Wissen und Gewissen kundgetan, heißt es dort. Erst zum Zeitpunkt der endgültigen Pressemitteilung sei die Entscheidung, den viel größeren VW-Konzern übernehmen zu wollen, gefallen. Eine Haftung für die darauffolgenden heftigen Kursreaktionen lehnt die PSE ab.
So einige. Schauplätze sind Braunschweig, Stuttgart, Hannover oder auch Frankfurt. Manche Klagen wanderten von einem Gericht zum anderen, weil die Zuständigkeiten umstritten waren. Der aktuelle Prozess wechselte etwa von New York nach Deutschland. Die PSE hatte stets darauf gepocht, dass der Fall vor deutschen Gerichten verhandelt werden müsse, weil sie hier auch ihren Sitz habe.
Im Zusammenhang mit dem Versuch der VW-Übernahme wurde Porsches früherer Finanzchef Holger Härter bereits wegen Kreditbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt. Um Anleger, die sich falsch informiert fühlten, ging es dabei jedoch nicht. Entscheidungen gibt es sonst nur in kleineren Fällen. Das Landgericht Stuttgart hat die Klage der Hedgefonds zudem bereits abgewiesen. Die Fonds wehrten sich jedoch dagegen, so dass der Streit vorm Oberlandesgericht weiterging.
Beim Namen Porsche denken die meisten zuerst an die Stuttgarter Sport- und Geländewagenschmiede. Diese hat mit den Klagen aber nicht direkt etwas zu tun. Die Vorwürfe richten sich gegen die Dachgesellschaft Porsche SE, zur Zeit der Übernahmeschlacht gehörte das operative Porsche-Geschäft aber noch zu dieser Holding. Neben der Porsche AG war die Holding auch damals schon an Volkswagen beteiligt. Um den Ausbau dieser VW-Beteiligung geht es im aktuellen Streit.
Es lief für die Stuttgarter nicht nach Plan. Die Porsche SE verhob sich bei dem Versuch, sich die Macht bei VW zu sichern. Am Ende kam es daher anders: Im August 2012 drehte Volkswagen den Spieß um und verleibte sich das Porsche-Geschäft, das bis dahin unter dem Dach der Porsche SE war, komplett ein. Die Porsche SE selbst ist seitdem ausschließlich an Volkswagen beteiligt - profitiert darüber aber letztlich noch immer von den Erfolgen der Sportwagenschmiede.
Wiedeking und Härter hatten die Vorwürfe der Anklage zurückgewiesen. Vergangene Woche hatte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe für Wiedeking und Ex-Finanzchef Holger Härter sowie Geldbußen für die beiden und den VW-Großaktionär Porsche SE gefordert.
Ein Sprecher der Wiedeking-Verteidiger Hanns Feigen und Walther Graf erklärte, eine erneute Beweisaufnahme sei hilfreich, weil damit auch jüngste, neu erhobene Vorwürfe ausgeräumt werden könnten. So könne ein zügiges Ende des Prozesses mit einem Freispruch erreicht werden. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte dagegen, mit dem Plädoyer keine neue Hypothese aufgestellt zu haben. "Wir halten den Sachverhalt nach den bisher eingeführten Beweismitteln für aufgeklärt." Die Porsche SE lehnte eine Stellungnahme ab.