
Im Porsche-Prozess gegen den früheren Firmenchef Wendelin Wiedeking und dessen Finanzvorstand Holger Härter hat ein Gutachten den Vorwurf der Marktmanipulation nicht erhärtet. In der Finanzkrise sei die Situation an den Börsen 2008 so chaotisch gewesen, dass Kursturbulenzen der VW-Aktie mit wissenschaftlichen Methoden nicht eindeutig einer Porsche-Pressemitteilung zuzuordnen seien, sagte der Wirtschaftsprofessor Hans-Peter Burghof am Freitag vor dem Stuttgarter Landgericht.
Die beiden Manager stehen wegen Manipulation des Kapitalmarktes vor Gericht. Sie sollen mit fehlerhaften und lückenhaften Mitteilungen auf den VW-Kurs eingewirkt haben, um die damals geplante Übernahme des Branchenriesen zu stemmen. Dies bestreiten sie.
Strafverfahren in den Streitigkeiten um die Übernahmeschlacht Porsche - VW
Beschuldigte: Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, Ex-Porsche-Finanzvorstand Holger Härter
Vorwurf: Marktmanipulation
Mögliche Haftstrafe: 5 Jahre
Stand: Anklage im Dezember 2012 erhoben. Prozess beginnt im Oktober 2015.
Beschuldigte: Alle Aufsichtsräte von Porsche im Jahr 2008, darunter Ferdinand Piëch, Wolfgang Porsche, Ex-Henkel-Chef Ulrich Lehner und Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück
Verdacht: Beihilfe zur Marktmanipulation
Mögliche Haftstrafe: 3 Jahre, 9 Monate
Stand: Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt und keine Anklage erhoben.
Beschuldigter: Ex-Porsche-Finanzvorstand Holger Härter
Vorwurf: Kreditbetrug
Mögliche Haftstrafe: 3 Jahre
Stand: Härter wurde in erster Instanz zu 630.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Laufendes Berufungsverfahren beim Bundesgerichtshof.
Burghof stellte vor dem Stuttgarter Landgericht den zweiten Teil eines Gutachtens vor, worin er die Wirkung einer Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 auf den VW-Kurs untersucht. In der Mitteilung, an einem Sonntag, hatte Porsche erstmals die Absicht erklärt, 75 Prozent der VW-Anteile übernehmen zu wollen. An den nächsten beiden Tagen schnellte der Kurs zwischenzeitlich um das Vielfache auf mehr als 1000 Euro in die Höhe. Anleger, die auf einen fallenden VW-Kurs gewettet hatten, machten Milliardenverluste.
Burghof bestätigte zwar einen Zusammenhang zwischen der Mitteilung und dem Kurssprung. Er gab aber zu bedenken, dass man damals wegen der Finanzkrise bereits in einer Situation des Marktversagens gewesen sei, in dem die Wirkung einer Firmeninformation mit bewährten wissenschaftlichen Methoden nicht mehr nachvollziehbar sei.
Im Herbst 2008 war Porsche in einer schwierigen Situation. Man hatte seinen Anteil an VW zuvor schrittweise erhöht und sich hierbei stark verschuldet. Porsche brauchte dringend neue Kredite - der zwischenzeitlich fallende VW-Kurs und somit der niedrigere Wert der Porsche-Beteiligung am Wolfsburger Riesen war hierfür schlecht. Daher wollte Porsche, so der Vorwurf der Anklage, den Markt manipulieren. Die Angeklagten bestreiten das vehement.
Der Übernahmeplan scheiterte, ein Großteil der Kaufoptionen konnte nicht realisiert wurden, statt 75 Prozent schaffte es Porsche nur auf gut 51 Prozent an VW. Später brach Porsche an der Schuldenlast fast zusammen und musste seine Autoproduktion an Volkswagen verkaufen. Heute ist die Porsche SE eine reine Beteiligungsgesellschaft, während die Produktion als Porsche AG eine VW-Tochter ist.
Porsche und die Hedgefonds
Wegen des gescheiterten Übernahmeversuchs von Volkswagen im Jahr 2009 hat die Porsche Automobil Holding SE (Porsche SE/PSE) als Dachgesellschaft des Sport- und Geländewagenbauers diverse Rechtsstreitigkeiten am Hals. Auch im aktuellen Fall geht es um den spektakulären Wirtschaftskrimi: Mehrere Hedgefonds fühlen sich rückblickend getäuscht und wollen deswegen Geld zurück, das sie damals an der Börse verloren haben. Insgesamt geht es noch um fast 1,2 Milliarden Euro. Die PSE hält die Forderung für unbegründet.
Im Mittelpunkt stehen Pressemitteilungen aus dem Jahr 2008. Damals hatte die Holding zunächst bestritten, ihren Anteil am VW-Konzern auf 75 Prozent aufstocken zu wollen. Einige Monate später gab sie dann aber bekannt, genau diesen Plan zu verfolgen. Die Aktienkurse schossen nach oben - Anleger, die auf fallende Kurse gewettet hatten, verloren viel Geld. Sie werfen der PSE vor, die Öffentlichkeit über ihre wahren Absichten bewusst im Unklaren gelassen zu haben.
Ganz anders: Die Holding habe ihre Pläne stets nach bestem Wissen und Gewissen kundgetan, heißt es dort. Erst zum Zeitpunkt der endgültigen Pressemitteilung sei die Entscheidung, den viel größeren VW-Konzern übernehmen zu wollen, gefallen. Eine Haftung für die darauffolgenden heftigen Kursreaktionen lehnt die PSE ab.
So einige. Schauplätze sind Braunschweig, Stuttgart, Hannover oder auch Frankfurt. Manche Klagen wanderten von einem Gericht zum anderen, weil die Zuständigkeiten umstritten waren. Der aktuelle Prozess wechselte etwa von New York nach Deutschland. Die PSE hatte stets darauf gepocht, dass der Fall vor deutschen Gerichten verhandelt werden müsse, weil sie hier auch ihren Sitz habe.
Im Zusammenhang mit dem Versuch der VW-Übernahme wurde Porsches früherer Finanzchef Holger Härter bereits wegen Kreditbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt. Um Anleger, die sich falsch informiert fühlten, ging es dabei jedoch nicht. Entscheidungen gibt es sonst nur in kleineren Fällen. Das Landgericht Stuttgart hat die Klage der Hedgefonds zudem bereits abgewiesen. Die Fonds wehrten sich jedoch dagegen, so dass der Streit vorm Oberlandesgericht weiterging.
Beim Namen Porsche denken die meisten zuerst an die Stuttgarter Sport- und Geländewagenschmiede. Diese hat mit den Klagen aber nicht direkt etwas zu tun. Die Vorwürfe richten sich gegen die Dachgesellschaft Porsche SE, zur Zeit der Übernahmeschlacht gehörte das operative Porsche-Geschäft aber noch zu dieser Holding. Neben der Porsche AG war die Holding auch damals schon an Volkswagen beteiligt. Um den Ausbau dieser VW-Beteiligung geht es im aktuellen Streit.
Es lief für die Stuttgarter nicht nach Plan. Die Porsche SE verhob sich bei dem Versuch, sich die Macht bei VW zu sichern. Am Ende kam es daher anders: Im August 2012 drehte Volkswagen den Spieß um und verleibte sich das Porsche-Geschäft, das bis dahin unter dem Dach der Porsche SE war, komplett ein. Die Porsche SE selbst ist seitdem ausschließlich an Volkswagen beteiligt - profitiert darüber aber letztlich noch immer von den Erfolgen der Sportwagenschmiede.
Auch in einem weiteren Punkt bekam die Staatsanwaltschaft keinen Rückenwind durch das Gutachten. Die Anklage wirft Wiedeking und Härter mit der Mitteilung ein „planvolles“ Einwirken auf den Börsenpreis vor. Genau dies sei aber in den damaligen Marktverwerfungen nicht möglich gewesen, so Burghof. „In einer so chaotischen Situation ist nichts planbar.“ Ob der Kurs nach einer Pressemitteilung nach oben oder nach unten gehe, sei in solchen „Blasenzeiten“ zum Teil schlicht zufällig, weil manche Anleger die Mitteilung anders verstünden, Transaktionen tätigten und ihnen viele andere Anleger folgten - Kaskaden-Effekt nennt Burghof das.
Gutachter Burghof betonte in seinem Vortrag, wie wichtig die damalige Zeit für Wiedeking und Härter war. Generell gelte: Wenn Firmenchefs große Übernahmepläne vermasselten, sei deren Karriere zu Ende. In einigen Metern Entfernung saßen die zwei Ex-Porsche-Chefs im Saal - seit ihren Einlassungen zu Beginn des Verfahrens mit vehementen Unschuldsbeteuerungen vor zwei Wochen verfolgen sie den Prozess schweigend. Nach ihrem Abgang bei Porsche 2009 nahmen die beiden tatsächlich auf keinem anderen wichtigen Chefposten mehr Platz. Planmäßig dauert der Prozess noch bis Februar 2016.