Der frisch gebackene Porsche-Produktionsvorstand Albrecht Reimold sitzt bereits am Tisch des kleinen Besprechungsraums im oberen Stock des Porsche-Messe-Stands auf dem Genfer Autosalon. Der ebenfalls neue Chef Oliver Blume fehlt noch. Gerade hat er dem Fachpublikum die Messehighlights auf der Bühne präsentiert: Den 718 Boxster und den 911R („Racing“). Während die Techniker ihn von Headset und Kabel befreien, beginnt das Interview schon mal ohne ihn.
WirtschaftsWoche Online: Herr Reimold, solange Ihr Chef und Vorgänger noch nicht da ist und uns nicht hört – Hand aufs Herz, was werden Sie im Produktionsressort ändern?
Albrecht Reimold (schmunzelt): Was ich anders mache, wird sich erst mit der Zeit herausstellen. Herr Blume hätte mich nicht als seinen Nachfolger vorgeschlagen, wenn wir nicht viele Ansichten teilen würden. Ich beobachte gerne eine Weile, bilde mir eine Meinung. Nur weil man neu irgendwo hinkommt, muss man nicht alles, was da ist, umkrempeln. Kontinuität ist wichtig für die Mannschaft. Aber natürlich werde ich auch eigene Themen setzen, damit wir weiterhin so erfolgreich sind.
Ein wichtiges Modell für den zukünftigen Erfolg könnte Ihr erstes reines Elektroauto werden, der Mission E. Er wird in Zuffenhausen gebaut, obwohl es in der Produktion schon jetzt recht eng zugeht. Wie wollen Sie das schaffen?
Reimold: Das ist eine sehr große Herausforderung. Wir werden durch einige Interimslösungen Freiraum schaffen. Es gibt viele Einzelschritte. Wir werden zum Beispiel eine Montage für den Mission E bauen, die langfristig zu einer deutlich effizienteren Werkstruktur beiträgt.
Zur Person
Oliver Blume (47) ist seit dem 1. Oktober 2015 Vorstandsvorsitzender der Porsche AG. Blume ist damit Nachfolger von Matthias Müller, der im Zuge des Abgasskandals Ende September zum Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen berufen wurde. Zuvor war Blume Produktionsvorstand bei Porsche, diesen Posten hatte er seit 2013 inne.
Albrecht Reimold (54) ist seit 1. Februar 2016 neuer Produktionsvorstand von Porsche. Reimold folgt in dieser Funktion Oliver Blume, der seit Oktober Vorstandsvorsitzender von Porsche ist. Reimold wechselt aus Bratislava nach Zuffenhausen. Dort leitete er vier Jahre das Volkswagen-Werk, in dem auch die Karosserie des Porsche Cayenne hergestellt wird.
Welche Rolle spielt eine digitale Produktion – Stichwort Industrie 4.0 – für Porsche? Machen Sie sich bei den im Vergleich zu einem Hersteller wie VW doch überschaubaren Stückzahlen überhaupt Gedanken um das Thema?
Reimold: Produktion 4.0 ist keine Frage der Stückzahlen. Wir fragen uns, wie wir Daten in Echtzeit auswerten können, damit sie den Prozess optimal regeln. Und wir überlegen, wie wir vom Auftragseingang bis zur Materialsteuerung Ressourcen möglichst effizient steuern, damit das Material zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Auch eine bessere und schnellere Kommunikation mit den Mitarbeitern fällt unter das Thema Digitalisierung. Das können Apps sein, mit deren Hilfe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Arbeit in den Schichten flexibler organisieren könnten. So etwas haben wir bisher nicht.
Brauchen Sie noch Menschen in der Produktion?
Reimold: Ja, natürlich. Neue Technologien und Softwareanwendungen sind ja dazu da, Lösungen für Probleme zu finden. Wenn die Technik einem Sorgen bei der Arbeit abnimmt, macht die auch wieder mehr Spaß. Darauf kommt es doch an.
Die Tür öffnet sich, Oliver Blume tritt ein, grüßt und nimmt Platz.
Herr Blume, Sie kommen zur rechten Zeit, wir sprechen gerade über die Produktion und die Produkte der Zukunft. Sie haben sich neulich in einem Interview sehr kritisch über das autonome Fahren geäußert.
Oliver Blume: Die Technologien zur Vernetzung sind für uns extrem wichtig. Das gilt für die Produktion ebenso wie für die Fahrzeuge. Der Weg zum autonomen Auto wird über viele Assistenzsysteme führen – etwa den Staupiloten oder Instrumente, mit denen ein Auto selbst einen Parkplatz sucht und einparkt. Bis zum vollständig automatisierten Fahren gibt es unterschiedliche Stufen. Wir werden je nach Baureihe mehr oder weniger Funktionen anbieten. Beim 911er werden autonome Module weniger relevant sein als beim Panamera zum Beispiel. Autonomes Fahren bei Porsche: ja, aber intelligent. Im Vordergrund steht weiterhin, dass ein Porsche-Fahrer seinen Porsche selbst fahren möchte.
"Wir machen das Unternehmen wetterfest für die Zukunft"
Jetzt haben wir schon einen weiten Blick in die Zukunft gewagt. Machen wir nochmal einen Schritt zurück. Porsche ist in den vergangenen fünf Jahren enorm gewachsen. Umsatz, Absatz und Gewinn haben sich mehr als verdoppelt. Die magische Marke von 200.000 ausgelieferten Fahrzeugen haben Sie übersprungen. Mit wie viel Wachstum rechnen Sie mittelfristig?
Blume: Wir rechnen für die nächsten Jahre mit einer Konsolidierung – also keine zweistelligen Zuwächse, sondern ein moderates, wertschaffendes Wachstum. Das ist nur logisch, schließlich haben wir in dieser Zeit keine neue Baureihe geplant. Und wir machen das Unternehmen wetterfest für die Zukunft. Wir werden große Investitionen anpacken. Damit das funktioniert, müssen wir jetzt die Organisation an das schnelle Wachstum der vergangenen Jahre anpassen.
Zu den großen Investitionen gehört das schon angesprochene neue Modell Mission E. Sie haben sich für eine Förderung der Ladeinfrastruktur ausgesprochen. Würden Sie auch selbst ein Netz von Schnelladesäulen aufbauen, wenn der Staat nichts dazu gibt?
Blume: Für den Erfolg der E-Mobilität gibt es zwei wesentliche Faktoren: Erstens: Das Produkt. Es muss preislich attraktiv sein und genug Reichweite bieten. Zweitens: Die Lade-Infrastruktur muss da sein. Aus Sicht von Porsche hat die Infrastruktur Priorität eins – Kaufanreize haben für Volumenhersteller eine höhere Bedeutung. Beide Instrumente sind geeignet, E-Mobilität anzukurbeln.
Schnellladesäulen sind sehr wichtig, weil sie die Attraktivität der Fahrzeuge steigern. Gerade wenn es um lange Autobahnfahrten geht. 15 Minuten Kaffeepause und der Akku ist wieder voll, das ist akzeptabel – zwei bis drei Stunden Warten behindert einfach zu stark. Deshalb würden wir uns sehr freuen, wenn die Bundesregierung beide Themen aufnimmt. Und wir leisten unseren Beitrag.
Können Sie sich einen Zusammenschluss mit anderen Herstellern vorstellen, um eine Schnelladeinfrastruktur aufzubauen?
Blume: Das schließe ich nicht aus. Wir sprechen auch mit anderen Herstellern. Das Thema betrifft uns schließlich alle und zwar weltweit.
Elektroautos, schwächeres Wachstum – die nächsten Jahre stehen demnach ganz im Zeichen der Veränderung. Wie nehmen Sie die Mitarbeiter auf dieser Reise mit?
Blume: Mir ist wichtig, dass jeder, der bei Porsche arbeitet, in die Entscheidungs- und Strategieprozesse eingebunden wird. Das erhöht die Identifikation. Genauso wichtig ist mir eine Führung, die auf Wertschätzung beruht. Da gilt für mich der Grundsatz: Behandle die Menschen so, wie du selbst auch behandelt werden möchtest. Das ist die größte Motivation.
Matthias Müller über...
"VW hat die Lage im Griff und wird die Krise aus eigener Kraft bewältigen."
"Werden es nicht zulassen, dass uns diese Krise lähmt. Im Gegenteil: Wir nutzen sie als Katalysator für den Wandel, den Volkswagen braucht."
"Ein Unternehmen unserer Größe kann nicht mit den Strukturen von gestern gesteuert werden. Schon gar nicht in unserem Umfeld, das sich so schnell ändert."
"Unsere wichtigste Währung sind nicht Stückzahlen oder operative Kennzahlen, sondern Vertrauen in Unternehmen und Produkte."
"Wir haben keinerlei Veranlassung von unserer im Oktober angepassten Jahresprognose abzurücken."
"Wir werden alles streichen und verschieben, was jetzt nicht zwingend notwendig ist. Wir werden uns aber sicher nicht kaputt sparen."
"Überlegungen, einzelne Konzernteile zu verkaufen, stellen wir derzeit nicht an. Zu keiner Sekunde."
"Natürlich ist das Image des Diesels beschädigt."
"Just do it."
Einbeziehung und Wertschätzung – hat das bisher nicht stattgefunden?
Blume: Doch natürlich. Damit es da keine Missverständnisse gibt: Das ist der entscheidende Faktor, warum Porsche in den vergangenen fünf Jahren so erfolgreich gewachsen ist. Herr Müller ist jemand, der diese Art Führung verkörpert und jetzt auch in den Volkswagenkonzern hineinträgt. Ich stehe für dieselben Werte.
Reimold: Zentral ist dabei auch, wie wir ansprechbar sind und wie wir kommunizieren. Ein Chef, der nur auf der Autobahn unterwegs und nie greifbar ist – das funktioniert nicht. Genauso müssen wir über unsere Erwartungen an die Mitarbeiter und über deren Erwartungen an uns sprechen. Das tun wir.
Hier in Genf haben Sie einen klassischen Sportwagen für Puristen auf der Bühne 911 R – auf der IAA war es die Elektro-Studie Mission E. Leidet der Markenkern unter diesem Spagat? Wie bekommen Sie neue und alte Antriebswelt unter einen Hut?
Blume: Beides zu kombinieren, wird für unsere Zukunft entscheidend sein. Das eine tun, das andere nicht lassen. Wenn wir über Mobilität der Zukunft sprechen, wird das bei Porsche niemals eine synthetische Mobilität sein, wo es nur noch um autonomes Fahren und Digitalisierung geht. Es geht immer auch um Spaß und Freude. Das werden wir miteinander kombinieren. Dabei gilt es, die Tradition von Porsche fortzuführen und die Porsche-Gene mit den zukünftigen Technologien zu verbinden. Wir wollen nutzen, was technologisch möglich und sinnvoll ist, aber die Emotion im Fahrzeug lassen.
Herr Blume, Herr Reimold, vielen Dank für das Gespräch.