Präzedenzfall Grammer Das große Zittern der Autoindustrie

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Der Risikofaktor Zulieferer

Wo liegt das Risiko?

Für die Autobauer wäre ein Lieferant von der Größe wie Grammer unter der Kontrolle von Prevent ein Risiko, wenn er sich künftig ihren Preisforderungen entgegenstellt. Trotz Alternativen können die Einkaufschefs große Stückzahlen nicht einfach woanders bestellen, die Vorlaufzeiten liegen bei mehreren Monaten. Bis ein anderer die Teile liefern könnte, würde es mehr als zwei Jahre dauern. Genau darauf könnte Prevent setzen.

In den vergangenen Jahren hat die Familie Hastor ein kaum durchschaubares Imperium aufgebaut, zu dem zahlreiche Beteiligungen aus unterschiedlichen Branchen gehören. „Prevent guckt sich immer am Markt um, was interessant wäre“, sagte ein Insider des weit verzweigten Firmenimperiums der Nachrichtenagentur Reuters. Auf Grammer sei man aufmerksam geworden, weil die Prevent-Tochter Car Trim auf Bezüge für Autositze und Kopfstützen spezialisiert sei. Mit dem Fokus auf solche Schlüssellieferanten könnten die Hastors einen neuen Big Player aufbauen, der sich nicht mehr an das etablierte Machtgefüge halten müsste – und genau das wollen die Autobauer verhindern.

Gibt es noch weitere Zulieferer, von denen die Autobranche derart abhängig ist?

Ja. Im Prinzip jeder Zulieferer, der alleiniger Lieferant für ein Teil ist. So kann auch ein Hersteller von Mittelkonsolen oder Gussteilen plötzlich sehr wichtig werden.

Ein bekanntes Beispiel ist etwa die Firma Kiekert aus Heiligenhaus, die quasi für alle deutschen Autobauer die Schlüssel und Schließsysteme herstellt. 1998 legte ein Lieferstreit mit Ford die Produktion in Köln lahm – tausende Fahrzeuge standen fertig, aber eben ohne Türschlösser auf dem Hof.

In vielen dieser Schlüssel stecken Chips von NXP Semiconductors aus den Niederlanden. So stand NXP im vergangenen Jahr im Blickpunkt, als IT-Experten eine Sicherheitslücke in älteren Chips des Herstellers aufdeckten – wegen der großen Verbreitung waren Millionen Fahrzeuge verschiedenster Hersteller betroffen. Die Liste ließe sich lange fortsetzen – mal ist es ein Spezialist für Türdichtungen, mal von Verkleidungen, der wegen eines bewussten Streiks oder eines Unfalls die Produktion lahm legen kann. Bei Porsche fehlten zum Beispiel 2016 über mehrere Wochen die Displays für das Navigationssystem in den Baureihen Macan und Cayenne.

Autoteile, Yachten und Designermode

Die Familie Hastor hat unter dem Dach der Prevent-Gruppe ein Firmenimperium* aufgebaut. Über Investmentholdings ist sie am Autozulieferer Grammer und am Küchenbauer Alno beteiligt.





* Auswahl; Quelle: eigene Recherchen

Auch in anderen Bereichen deuten sich keine Monopole, aber zumindest Oligopole ab: Die Batteriezellen für Elektroautos kommen vor allem von drei asiatischen Herstellern – Samsung, Panasonic und LG Chem. Nur die wenigsten Unternehmen fertigen ihre Zellen selbst, und selbst dann sitzt im Falle von Tesla und seiner Gigafactory Panasonic als Partner mit im Boot.

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