Preisschock für Autozulieferer 3,5 Milliarden Euro Mehrkosten? Mindestens!

Mahle hat nach eigenen Angaben schon mit einem Teil der Kunden Vereinbarungen getroffenen:. „Mit den noch ausstehenden Kunden befinden wir uns in intensiver Verhandlung und müssen nun zeitnah zu einer Einigung mit den Kunden kommen.“ Quelle: imago images

Die Ausgaben für Energie, Rohstoffe und Transport explodieren – und erreichen die Autozulieferer. Die Folge: Rund 4000 Euro kostet ein E-Auto in der Produktion mehr als 2020. Einen Teil tragen die Hersteller – wenn es die Verträge hergeben.

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Die schlechten Nachrichten liest der Chef des Autozulieferers Mahle lieber vom Zettel ab: Allein von Juli bis Dezember 2021, referiert Michael Frick auf der Bilanzpressekonferenz Ende April, hätten die Mehrkosten aus Rohstoffen und Frachten bei stolzen 300 Millionen Euro gelegen. Aluminium ist für Mahle einer der wichtigsten Rohstoffe, wird in Motorkomponenten und Thermomanagement-Systemen verbaut. Beim Kühler etwa bestehen die Kühlrippen aus Alu. Im zweiten Halbjahr 2021 habe sich Aluminium „um rund 80 Prozent“ verteuert, „die Frachtraten verdoppelten sich“, sagt der Interims-Chef des Autozulieferers aus Stuttgart. 

300 Millionen Euro – wer bietet mehr? Continental, der deutlich größere Dax-Konzern, rechnet für das Gesamtjahr 2022 mit erhöhten Beschaffungs- und Logistikkosten in Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro. „Die Kosten für Beschaffung steigen. Insbesondere für ölbasierte Rohstoffe. Und im Energiebereich. Auch bei der Logistik. Gerade für Reifen.“ So wird es Continental-Chef Nikolai Setzer seinen Aktionären laut einer vorab veröffentlichten Rede am 29. April auf der Hauptversammlung sagen. 3,5 Milliarden Euro mehr Kosten! „Mindestens“, so Setzer.

Die starken Preissteigerungen stellen auch für den Zulieferer Schaeffler „eine der großen Herausforderungen dar, mit denen wir bereits seit der zweiten Jahreshälfte in 2021 umgehen müssen“. Aktuell sehe man beispielsweise eine Verdopplung des Stahlpreises gegenüber dem ersten Halbjahr 2021. 

Ein Elektroauto kostet 4000 Euro mehr

Die Ausgaben für Energie, Rohstoffe und Transport explodieren – und erreichen die Autozulieferer. Nun versuchen die Unternehmen, einen Teil der gestiegenen Kosten an die Hersteller weiterzugeben. Doch vertraglich sind den Zulieferern Grenzen gesetzt. Teurer wird es aber auch für die Hersteller – und damit für die Endverbraucher. Aufgrund des Ukraine-Krieges und der Coronapandemie in China ist ein Ende der Preisspirale nicht in Sicht. 

Die Folgen sind eklatant: Im März 2022 lag der durchschnittliche Anteil der Rohstoffkosten eines amerikanischen Verbrennerautos bei umgerechnet rund 3500 Euro. Das war doppelt so viel wie vor Corona, Anfang 2020. Das haben Berater von AlixPartners berechnet, die in regelmäßigen Abständen die Zahlen dafür erheben. Einzelne Autoteile kosteten im Januar 2022 doppelt so viel wie Anfang 2020. Noch mehr verteuerten sich E-Autos: Per März 2022 sind die Kosten für Rohstoffe eines in Europa gebauten Elektrofahrzeuges um umgerechnet rund 4000 Euro pro Auto gestiegen – das waren 138 Prozent mehr als im Januar 2020. Insgesamt liegen die Rohstoffkosten bei einem in Europa gebauten Elektroauto damit nun bei fast 7000 Euro.

„Nur bei ausgewählten Kunden“

Gerade Autozulieferer geraten dadurch unter Druck. „Rohstoffe werden in erster Linie von unseren Lieferanten für deren Geschäftsprozesse eingekauft“, heißt es bei Volkswagen. Die Zulieferer haben laufende Verträge – und nicht bei allen können steigende Rohstoffkosten an die Autobauer weitergereicht werden.

Mahle etwa berichtet, dass in der Vergangenheit Materialgleitklauseln nur „bei ausgewählten Kunden und Rohstoffen vereinbart“ worden seien. Die Belastungen für Mahle aus den jetzigen Kostensteigerungen für Energie, Zölle, Sonderfrachten und Material gingen daher „über dieses Maß hinaus“. 

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Solche Preisgleitklauseln, sagt Berater Elmar Kades von AlixPartners, gebe es vor allem für Metalle – kaum jedoch auf Energie- und Logistikkosten. Aufgrund der sehr hohen Preise hat etwa der Zulieferer Schaeffler den größten Teil seines Stahlbezugs vertraglich festgehalten – „und zum Teil an einen Index geknüpft“, heißt es im Unternehmen. Steigt der Index, kann Schaeffler mehr beim Kunden abrechnen. Vereinzelt gibt es bei Schaeffler mit Kunden auch Preisanpassungsklauseln. „Dies ist aber sicherlich nicht für alle Verträge der Fall.“

Die Lage ist unübersichtlich: So hat jeder Autobauer mit jedem Zulieferer andere Verträge – allein Volkswagen hat weltweit rund 60.000 Lieferanten. Man kann sich vorstellen, dass jeder Vertrag davon individuell ausgestaltet ist. Das trifft auch auf Preisabsicherungen zu: Im Hinblick auf Energie aus Strom und Gas ist etwa Schaeffler für das Gesamtjahr „größtenteils abgesichert“, sagt ein Sprecher. Allerdings hätten die enormen Preisanstiege der geringen ungesicherten Menge nun aufgrund des stark gestiegenen Preises einen spürbaren Einfluss.

„Als Partner über eine faire Lastenverteilung sprechen“

Problematisch wird es nun vor allem bei Logistik-, Fracht- und Energiekosten. Für solche Kosten existieren in der Regel keine Anpassungsklauseln im Vertrag, die eine Weitergabe steigender Preise rechtfertigen. Die größte Belastung, sagt ein Brancheninsider, seien momentan die Energiekosten, weil diese nicht nur die Einkaufspreise des Materials erhöhten, sondern auch die Transport- und Logistikkosten deutlich steigen ließen. Er sei „zutiefst davon überzeugt“, meint daher Mahle-Chef Frick, dass „in der jetzigen Situation Automobilhersteller und Zulieferer nun gemeinsam gefordert“ seien, um „als Partner über eine faire Lastenverteilung“ zu sprechen und sie so versuchen müssten, „aus dieser schwierigen Situation herauszufinden“.

Seefrachten um 300 Prozent teurer

Laut Mahle stellen in den letzten Monaten die Kostensteigerungen bei Material und Energie die größten Belastungen dar. Rohmaterialien hätten sich in den vergangenen Monaten um bis zu 40 Prozent verteuert, vereinzelt – wie etwa Nickel – auch noch stärker. Starke Preiserhöhungen im Bereich der Frachten seien vor allem für die globalen Seefrachten zu beobachten. Da stelle man auf einzelnen Routen Erhöhungen von mehr als 300 Prozent fest. Mahle kauft den größten Teil seines Materials daher bereits regional ein. 

Weil nicht alles vertraglich geregelt ist und die Zulieferer Milliardenkosten nicht allein schultern können, verhandeln aktuell alle direkten Lieferanten mit ihren Kunden, den Autobauern. Bosch etwa belasten derzeit neben höheren Energiekosten vor allem die höheren Preise bei Kupfer, Aluminium und Stahl. „Weltweit arbeiten unsere Teams in Einkauf und Logistik deshalb mit unseren Lieferanten und Kunden an Lösungen, um trotz der zahlreichen Herausforderungen wettbewerbsfähige Preise zu erzielen und Lieferketten aufrechtzuerhalten“, heißt es bei Bosch.

Auch Continental will „die aktuellen Herausforderungen mit unseren Kunden und Zulieferern partnerschaftlich lösen“, teilte ein Sprecher mit. Wie so eine Einigung aussehen kann, zeigt das Beispiel der jüngst abgespaltenen, ehemaligen Conti-Antriebssparte Vitesco Technologies: „Wir versuchen, mindestens 80 Prozent an unsere Kunden weiterzugeben. Für bestimmte Materialgruppen ist die Weiterreichung durch Vertragsklauseln abgesichert“, sagt Finanzchef Werner Volz. Mit den Kunden sei man in engen und intensiven Verhandlungen. Der Druck ist hoch: Für 2022 erwartet Vitesco eine Teuerung im mittleren, dreistelligen Millionenbereich. 

Mahle konnte schon mit einem Teil der Kunden Vereinbarungen treffen. „Mit den noch ausstehenden Kunden befinden wir uns in intensiver Verhandlung und müssen nun zeitnah zu einer Einigung mit den Kunden kommen“, sagt ein Sprecher.

Dennoch gibt es laut Schaeffler „signifikante Unterschiede in den Preisverhandlungen mit einzelnen Kunden“. Insbesondere in der Sparte Automotive Technologies seien vielfach Einzelverhandlungen die Regel, welche zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen seien. „Ziel kann nur sein, Preisverhandlungen rückwirkend zum 1. Januar 2022 zu führen“, heißt es im Unternehmen.

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Die Preise und damit auch die Kosten pro Auto würden, sagt Berater Kades, wohl nicht mehr auf das Niveau vor 2020 zurückfallen. Die Kosten steigen auch aufgrund der notwendigen strengeren CO2-Regulierung. „Was die Rohstoffe betrifft, werden Zulieferer versuchen die nächsten Verträge anders zu gestalten – und das wird teurer“, sagt Kades. Und weil die Autobauer erkannt haben, dass es wegen Russland eine Zeitenwende gibt, werden sie verstärkt europäische Lieferketten aufbauen – siehe Mahle. „Auch das hat höhere Löhne zur Folge“, sagt Kades. 

Ein Ende der Krise ist daher nicht in Sicht. 

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