Premium-Autos BMW fährt Mercedes hinterher – aber nur knapp

BMW legt zu, aber Daimler wächst schneller: Der Rekordabsatz der Konkurrenz muss BMW-Chef Krüger nicht beunruhigen. Die Zahlen, die er am Dienstag vorstellt, sind solide – und die Weichen für die Zukunft gestellt.

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BMW 7er Quelle: obs

Tage wie der 1. Juli sind nach Harald Krügers Geschmack. Gerade einen Monat ist es her, da durfte der BMW-Chef als Zukunftsprojekt die große Kooperation mit US-Chiphersteller Intel und dem israelischen Bildverarbeitungsspezialisten Mobileye verkünden. "Wir werden pilotiertes Fahren bis 2021 in Serienreife bringen", sagte er stolz und betont lässig. Alle drei Firmenchefs traten ohne Sakko und Krawatte auf. Die Subbotschaft: So cool und lässig wie die Silicon-Valley-Tycoone sind wir längst – und können es besser.

Das muss sich natürlich noch zeigen, aber die Weichen für eine erfolgversprechende Partnerschaft im Sachen autonomes Fahren sind gestellt. Mit Mobileye bindet BMW den Marktführer in Sachen künstliches Sehen an sich – wenn auch nicht exklusiv. Mobileye kooperiert mit allen großen Herstellern. Besonders macht die neue Liaison mit BMW und Intel, dass sie bewusst offen angelegt ist. Die drei wollen nichts Geringeres als einen Standard, eine offene Plattform für autonomes Fahren zu schaffen. Die neue Kooperation ist der erste sichtbare Fortschritt auf dem Weg zum "Digital Leader", der Krüger gerne werden möchte.

Bei der Vorstellung der neue Strategie "Number One: Next" hatte der BMW-Chef sein Ziel klar formuliert: "Bei der Digitalisierung der individuellen Mobilität wollen wir die Führungsposition einnehmen." Man konzentriere sich auf digitale Kundenerlebnisse, vernetztes und autonomes Fahren sowie Geschäftsprozesse.



Aktuell fährt BMW – das legt eine aktuelle Auswertung des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach nahe – den Innovationen der Konkurrenz hinterher. Im Innovationsranking der Instituts unter Leitung von Stefan Bratzel belegt BMW Rang drei hinter Mercedes und Audi. Der Abstand zum Wettbewerber aus Stuttgart ist allerdings denkbar knapp und gerade im Feld automatisiertes Fahren ist der Vorsprung eines Herstellers gegenüber einem anderen schwer zu halten, weil aktuell alle Zulieferer und Autobauer massiv investieren und um die besten Mitarbeiter buhlen.

Mehr Umsatz, geringere Marge

Fakt ist: Mercedes hat in den vergangenen Jahren massiv aufgeholt. Zum Halbjahr ist das Unternehmen was die Zahl der verkauften Fahrzeuge angeht bereits an BMW und Audi vorbeigezogen – und hat im Juni den 40. Rekordmonat in Folge hingelegt.

Münchens Antwort auf die S-Klasse
BMW 7er Quelle: BMW
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Beunruhigen muss das den BMW-Chef nicht, wenn er am Dienstag die Bilanz für das zweite Quartal vorstellt. Da der Automarkt in Europa brummt, konnten die Münchner die Absatzschwäche in den USA mehr als ausgleichen. Beim Umsatz rechnen von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragte Analysten im Schnitt auch mit einem Wachstum im Jahresvergleich um drei Prozent auf 24,7 Milliarden Euro. Für den Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) sagen sie ein Plus von sechs Prozent auf knapp 2,7 Milliarden Euro voraus. Die operative Rendite dürfte damit etwas geringer ausfallen als die 9,4 Prozent aus dem Startquartal – aber immer noch mehr als bei Audi und Daimler.

Der Grund für Krügers Gelassenheit: Er weiß um die Momentaufnahme – Audi hat Bestseller wie den A4 frisch aufgelegt, bei Mercedes rollte im zweiten Quartal die neue E-Klasse an den Start. Bei BMW stehen die wichtigen Neuheiten erst noch an – und Krüger hat sicher halbwegs realistische Schätzungen, wie viele er davon verkaufen wird.

Die BMW-Neuheiten im zweiten Halbjahr

Bereits in diesen Wochen rollt der überarbeitete i3 an den Start. Die von außen sichtbaren Retuschen beschränken sich auf ein Minimum, schließlich sah der i3 bereits vor dem Facelift futuristisch aus. Die große Neuheit ist im Unterboden versteckt: Dank neuer Lithium-Ionen-Zellen fasst der Akku bei gleichen Abmessungen 50 Prozent mehr Strom – 33 statt 22 Kilowattstunden (kWh). Damit wächst Norm-Reichweite des i3 von 190 auf 300 Kilometer. BMW selbst spricht lieber von rund 200 Kilometern unter realen Bedingungen. Und da war zuletzt teilweise schon nach 120 Kilometern Schluss. Die neue Batterie soll sich auch bei bestehenden i3 nachrüsten lassen.



Die zusätzliche Kapazität des Akkus und die damit sinkende Reichweiten-Angst der Kunden dürften den Absatz des i3 mehr ankurbeln als die floppende Kaufprämie für Elektroautos – zumal der staatliche Zuschuss nur in Deutschland gilt und die neue Batterie weltweit eingeführt wird. Dennoch werden die Stückzahlen des Elektroautos überschaubar bleiben. Das Analysehaus IHS Automotive rechnet für das kommende Jahr mit rund 28.300 Einheiten – etwa 2000 mehr als in diesem Jahr.

Neuer Einstiegs-BMW in China

Deutlich größere Sprünge deuten sich in China an. Dort bringt BMW noch in diesem Jahr die 1er Limousine auf den Markt. Anders als in Europa, wo (neben SUV) immer noch Kompaktwagen gefragt sind, stehen beim chinesischen Publikum seit jeher klassische Limousinen hoch im Kurs. Der Stufenheck-BMW wurde in Deutschland mit Unterstützung chinesischer Ingenieure entwickelt, um die Bedürfnisse der angepeilten Kundschaft zu treffen.

Über die Motoren schweigt BMW offiziell noch – es liegt aber nahe, dass in der China-Limousine die Aggregate aus dem im Januar eröffneten Motorenwerk Shenyang eingebaut werden. Und dort laufen Drei- und Vierzylinder vom Band. Mit dem Frontantrieb hat die 1er Limousine technisch mehr mit dem X1 und dem Van 2er Active Tourer gemein als mit den Heckantriebs-Modellen, die hierzulande als 1er angeboten werden.

Wie aus Flugzeugmotoren Luxuslimousinen wurden
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In Deutschland soll die Stufenheck-Limousine aber nicht angeboten werden – für die "gesättigteren Märkte" wie Europa und die USA arbeitet BMW offenbar an einem viertürigen Vertreter der 2er-Baureihe. Ob dieser als 2er Gran Coupé oder 2er GT auf den Markt kommt, ist wohl noch nicht entschieden. Das Potenzial für ein solches Auto ist jedoch offenbar da: IHS Automotive traut diesem Konzept immerhin 60.000 Einheiten pro Jahr zu.

Was Krüger aber am optimistischsten stimmen dürfte, ist das Modell, das erst Anfang 2017 auf den Markt kommt: der neue 5er. Die Business-Limousine – der Kombi kommt gegen Ende des Jahres – bildet quasi das Rückgrat des BMW-Angebots – wie bei Daimler die E-Klasse. Der Impact wird laut der IHS-Prognose deutlich sein: Statt 308.000 5ern wie in diesem Jahr gehen die Experten für 2017 von 385.000 verkauften Exemplaren aus. Im Folgejahr sollen es mit dem dann eingeführten Kombi nochmals mehr werden.

Technisch übernimmt der 5er vieles von dem im vergangenen Jahr vorgestellten Flaggschiff 7er – vor allem bei der Konnektivität und dem teilautonomen Fahren. Beim Thema Leichtbau muss das Massen-Modell 5er allerdings Abstriche machen: Dank eines intelligenten Materialmixes wird er zwar um bis zu 100 Kilo leichter, der innovative Carbon-Kern des 7er bleibt ihm aber verwehrt – die Materialkosten wären wohl zu hoch.

An dieser Entscheidung wird auch der neue Einkaufsvorstand Markus Duesmann nichts mehr ändern – auch wenn er in seiner bisherigen Karriere bei BMW viel mit teuren Materialen zu tun hatte. Der ehemalige Formel-1-Motorenkonstrukteur übernimmt ab 1. Oktober im Vorstand die Verantwortung für Einkauf und Zulieferer. Der 47-Jährige folgt damit auf Klaus Draeger, der die BMW-interne Vorstands-Altersgrenze von 60 Jahren erreicht.

Damit wäre Duesmann das jüngste der aktuellen Vorstandsmitglieder. Die Weichen für die Zukunft in München sind gestellt.

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