Pro und contra Elektroauto VWs radikaler E-Auto-Kurs entzweit die eigenen Händler

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„Es nutzt ja nichts, wenn wir an einer sterbenden Technologie festhalten“


Wie könnte VW seine Händler besser unterstützen?
Also ich hätte mir vor allem eine längere Übergangsfrist und mehr Auswahl gewünscht. Wir hätten zum Beispiel mehr Erdgasmodelle anbieten sollen. Das wäre eine vernünftige Zwischenlösung gewesen, für den Übergang, vor allem im Nutzfahrzeug-Bereich. So ein eCrafter hat einen 36 Kilowattstunden-Akku und braucht voll beladen fast 40 auf 100 Kilometer, die meisten Handwerker lachen uns ja aus, wenn wir den empfehlen.

Aber die Reichweiten sollten dank billigerer Batterien und besserer Modelle bald steigen.
Ja klar. Aber wir brauchen ja jetzt ein Angebot. Wir werden meiner Meinung nach noch lange den Verbrenner haben, parallel zum wachsenden E-Angebot. Ich sehe das Problem vor allem darin: Wenn wir zu früh keine Alternativen mehr anbieten können, und die Leute werden enttäuscht, wie zum Beispiel der Handwerker, weil es nicht ausgereift ist, dann geht der zur Konkurrenz.

VW-Händler Wolf Warncke befürwortet Volkswagens E-Auto-Strategie. Quelle: Privat

PRO: Wolf Warncke, 57, führt das 1932 als Werkstatt und Tankstelle gegründete Autohaus Warncke in Tarmstedt bei Bremen seit 1995 in dritter Generation. Seit 1968 ist der Familienbetrieb VW-Vertragshändler. Warncke ist VW-intern als besonders Elektroauto-freundlicher Händler bekannt. Er meint, dass noch viel mehr Kunden zum Umstieg auf ein Elektroauto bereit wären, als es derzeit tun.

WirtschaftsWoche: Herr Warncke, jeder zweite in ihrem Autohaus verkaufte Pkw ist bereits ein reines Elektroauto.  Trotzdem werfen Sie VW vor, nicht genug für den Absatz von E-Autos zu tun. Was ist denn das Problem?
Wolf Warncke: Im Moment haben wir gerade beim Kleinwagen eUp ein echtes Nachschub-Problem. Einige Kunden warten schon seit drei Quartalen auf den bestellten Wagen. Leider wird der Wagen nur in geringen Stückzahlen gebaut. Dabei war absehbar, dass die technischen Nachbesserungen, die zu einer fast doppelt so großen Reichweite geführt haben, zusammen mit der 2020 erhöhten staatlichen Kaufprämie zu einer sehr hohen Nachfrage führen würden. 

Und Sie haben Alarm geschlagen?
Ja, natürlich! Gerade bei einem Kleinstwagen wie dem eUp sind 9000 Euro Kaufprämie prozentual ein großer Rabatt. Und mit vielen Großkunden, etwa Pflegediensten, waren wir schon mit der alten, um ein Drittel niedrigeren Kaufprämie, in sehr guten Verhandlungen gewesen. Der Konzern hat sich von der Nachfragewelle überrollen lassen. Dabei haben wir VW immer wieder darauf hingewiesen. Leider wollte oder konnte VW die Produktion nicht entsprechend hochfahren. Jetzt haben wir einen Bestellstopp und verlieren womöglich Kunden an die Konkurrenz. Wir hätten gut und gerne drei Mal so viele eUps verkaufen können in den letzten Quartalen und Monaten.

Volkswagens Antwort auf den Tesla Model Y
Die Auslieferung des ID3 hat noch gar nicht so richtig begonnen, da werden die E-Fahrer bereits auf den ID4 eingestimmt. Quelle: Volkswagen
Als erstes SUV mit Stecker soll der ID.4 den Mobilitätswandel der Marke weltweit voranbringen und dem Model Y das Leben schwer machen Quelle: Volkswagen
Der Innenraum wirkt wertiger als beim ID3 Quelle: Volkswagen
Noch vor Weihnachten sollen zu Preisen ab etwa 37.000 Euro die ersten Autos bei den Kunden sein Quelle: Volkswagen
 Wo der ID3 in der schrumpfenden Kompaktklasse antritt, startet der ID4 im Boomsegment der handlichen Geländewagen Quelle: Volkswagen
Nur in zwei Punkten bricht der ID.4 mit den Konventionen seiner Klasse: Für ein SUV dieses Formats ist er ungewöhnlich handlich und wendig, weil die Vorderräder ohne den raumgreifenden Verbrennungsmotor dazwischen deutlich stärker einschlagen können. Und für ein Elektroauto traut er sich dank deutlich mehr Bodenfreiheit mutig auch ins Gelände und meistert in Ehra-Lessien auch jene Schotterpisten, Gruben und Kuppen, auf denen die Niedersachsen ihre Rallye-Autos testen – dabei kommt die Version mit standesgemäßem Allradantrieb erst im nächsten Jahr. Quelle: Volkswagen
Los geht es statt erst einmal mit gleich vier Leistungsstufen für den an der Hinterachse montierten E-Motor von 109 kW/150 PS im Basismodell bis zu 150 kW/204 PS in der vorläufigen Top-Ausstattung. Quelle: Volkswagen

Volkswagen will künftig vor allem die elektrischen Modelle seiner neuen ID-Reihe an die Frau und den Mann bringen. Beim Start gab es viele Probleme, etwa bei der Software des ID.3. Wie kommen denn die neuen E-Modelle bei Ihrer Kundschaft an?
Insgesamt gut. Mit der Reichweite des ID.3 kommen die meisten unserer Kunden gut zurecht. Das Auto gefällt vor allem Leuten, die einen hohen ökologischen Anspruch haben. Es ist nicht so groß und so schwer wie viele andere E-Autos im Markt. Es ist ein E-Auto für Kunden aus der Mittel- und Kleinwagenklasse, genau das brauchen wir.

Gibt es noch technische Probleme? Mit der Software zum Beispiel?
VW hat einige Software-Updates gemacht. Damit sollten die bislang noch fehlenden Funktionen und die kleineren Bugs behoben sein.

Und der neue ID.4? Können Sie uns dazu schon etwas mitteilen?
Ich habe noch keine Verkaufszahlen, den Wagen haben wir ja erst seit einigen Tagen. Aber nach den eher weichen Faktoren wie der Nachfrage nach Probefahrten kommt er sehr gut an. Das ist aber auch kein Wunder. Es ist ein kompakter, mittelgroßer SUV. Auch sein Verbrenner-Pendant, der Tiguan, ist ja ein Verkaufserfolg.



Im Dezember klagten Sie über unzureichende Anreize, die VW seinen Händlern für den gezielten Verkauf von E-Autos gebe. Hat sich das gebessert?
Die Konditionen, die VW uns freien Händlern bei den E-Modellen gibt, sind nach wie vor nicht besonders attraktiv. Ja, man kann von sechs Prozent fixer Provision leben. Für eine wirklich gute Beratung reicht diese Marge aber oft nicht aus. Wir machen das ab einem gewissen Beratungsaufwand auf eigene Kosten. Spezielle Boni für E-Autos etwa gibt es nach wie vor nicht. Die fixe Provision verleitet zum schnellen Verkauf. Ein Verkäufer, der sich mehr Zeit nimmt, um umfassender zu beraten, verdient nicht mehr als einer, der nur den schnellen Abschluss sucht. Das ist bei gängigen Modellen kein großes Problem, aber bei einem reinen Elektroauto sind die Kunden, die eine sehr umfassende Beratung benötigen, noch die klare Mehrheit. Sie haben viel mehr Fragen als bei einem Diesel oder Benziner. Da muss man manchmal extrem weit ausholen, schnell sind zwei Stunden ins Land gegangen.

Und trotzdem verkaufen Sie mehr Elektroautos als andere Wagen, warum? 
Erstens, weil wir persönlich davon überzeugt sind, dass diese Technologie die Zukunft ist. Jedes E-Auto, das einen Diesel oder Benziner ersetzt, hilft dem Klimaschutz. Zweitens spricht sich offenbar sehr weit herum, wenn es einen Händler gibt, der zu E-Autos gut und objektiv beraten kann. Davon profitieren wir. Wir haben inzwischen viele Kunden, die 50 oder gar 100 Kilometer entfernt wohnen; die hätten wir ohne unser Engagement für das Elektroauto sicher nicht.

Obwohl Sie ja an anderen Autos mehr verdienen würden?
Noch, ja. Aber es nutzt ja nichts, wenn wir an einer sterbenden Technologie festhalten und nicht rechtzeitig auf das Kommende setzen. Wir kennen einige unserer Kunden seit Jahrzehnten; die eine oder andere Familie hat hier schon fünf Autos gekauft, und wir wollen auch noch deren Händler sein, wenn es überall Elektroautos gibt, nicht nur beim Autohaus Warncke. Wir sehen den Mehraufwand als Investition in die Zukunft. Wir haben auch eine Verantwortung für unsere Auszubildenden und jungen Mitarbeiter. Ich habe denen gesagt: „Für jeden Ölwechsel, der uns künftig entgeht, brauchen wir halt einen neuen Kunden.“

Und ihre Verkäufer finden das gut?
Ich kann nicht jedem hinter den Kopf kucken, aber die meisten sicher, ja. Viele unserer Verkäufer haben sehr viel Eigenaufwand und Engagement gezeigt und sind zum Beispiel abends und am Wochenende in ihrer Freizeit in das Thema eingetaucht. Die haben eine hohe Eigenmotivation, weil sie entweder privat selbst elektrisch fahren oder von der Technik begeistert sind. Und auch bei komplexen Sachverhalten gewinnt man ja mit der Zeit Routine.

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Wenn man einmal gelernt hat, dass man beim E-Auto nicht nur ein Auto, sondern ein System verkauft, dass man nicht nur zu PS und Verbrauch, sondern zum Beispiel auch zum Laden, zur vermeintlichen Brandgefahr oder zum Klimanutzen beraten muss, sinkt der Aufwand je Verkauf mit der Zeit ja doch.

Mehr zum Thema: Alte Batterien aus gebrauchten Elektroautos würden bald zum gefährlichen Sondermüll, heißt es oft. Dabei gibt es neben einem Zweitleben als Speicher auch funktionierende Recyclinglösungen.

Diese Interviews erschienen erstmals Anfang April 2021 bei der WirtschaftsWoche.

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