Pro und contra Elektroauto VWs radikaler E-Auto-Kurs entzweit die eigenen Händler

Quelle: Presse

Volkswagen setzt wie kein anderer Massenhersteller auf Elektroautos. Der Umschwung ist so massiv, dass es die eigenen Händler in zwei Lager teilt: in knallharte Diess-Gegner – und Diess-Fans. Das sind ihre Argumente.

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Wie kein anderer Konzern setzt Volkswagen unter CEO Herbert Diess auf Elektroautos. Allein in den kommenden Jahren wird der Konzern mehr als 35 Milliarden Euro in neue E-Autos investieren, will bald keine neuen Verbrennungsmotoren mehr entwickeln und hat alternative Technologien wie Wasserstoff verworfen. Schon 2030 sollen 60 Prozent aller neuen VW nur mit Batterie fahren. 

Entsprechend viel Aufregung verursachte deshalb eine verdeckte Recherche der Umweltorganisation Greenpeace, über welche die WirtschaftsWoche im vergangenen Dezember berichtete: Viele VW-Händler ziehen bei Diess' E-Offensive noch nicht mit. Sie empfehlen ihren Kunden weiterhin mehrheitlich Diesel, Benziner oder bestenfalls Plugin-Hybride. Testkäufern im Auftrag von Greenpeace gegenüber offenbarten sie, dass sie nicht nur schlecht im Thema waren, teilweise rieten sie interessierten Kunden sogar explizit von E-Autos ab. 

Nach dem Bericht meldeten sich zahlreiche VW-Händlerinnen bei der WirtschaftsWoche. Viele äußerten Kritik am strikten Elektro-Kurs des Konzerns. Andere sehen ihn als unausweichlich an. Wir haben infolgedessen im April 2021 mit zwei VW-Händlern gesprochen: einem Gegner und einem Befürworter der E-Auto-Strategie. Beide leiten große, vor Jahrzehnten gegründete, Familienbetriebe.

VW-Händler Wolf Warncke lehnt Volkswagens E-Auto-Strategie ab. Quelle: Privat

CONTRA: Klaus Philipp ist seit 2003 geschäftsführender Gesellschafter des Autohaus Kölbl in Unterschleißheim bei München. Das 1957 gegründete Unternehmen hat 150 Mitarbeiter und vertreibt neben Volkwagen auch die Konzernmarken Audi, Skoda und Seat.

WirtschaftsWoche: Herr Philipp, Sie sehen den strikten Elektroauto-Kurs des Volkswagen-Konzerns kritisch, was stört Sie?
Klaus Philipp:  Zunächst muss ich klarstellen, dass ich kein radikaler Gegner der Elektromobilität bin. Im Gegenteil. Ich fahre selbst seit über fünf Jahren elektrisch. Wir haben sogar auf eigene Kosten eine Gleichstrom-Schnellladesäule in unserem Autohaus installiert; dafür musste eigens ein Anschluss gegraben werden. Und wir haben durchaus auch schon viele eUps und eGolfs an zufriedene Kunden und Kundinnen verkauft.

Aber? Nach unserem Bericht vom Dezember meldeten Sie sich bei uns; Sie meinten, die darin skizzierten Probleme seien nur ein Bruchteil der Problematik.
Ja, das sehe ich so. Vor allem, dass der VW-Konzern so radikal auf nur eine Lösung setzt, das Batterie-elektrische Auto, stört mich. Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Diess sich weitere Optionen offen hält. Denn wir haben viele Kunden, die würden gern auf ein klimafreundlicheres Auto umsteigen, aber es funktioniert bei denen einfach nicht. 

Warum nicht, welche konkreten Hindernisse gibt es?
Das größte ist definitiv das Ladenetz. Wir haben viele Firmenwagen-Nutzer. Wenn die zu Hause oder am Arbeitsplatz nicht laden können, können wir ein reines E-Auto einfach noch nicht guten Gewissens empfehlen. Es gibt auch einzelne Kundinnen, die steigen nach drei Jahren wieder zurück um zu einem Verbrenner. Nicht viele, aber die gibt es.

Was hat da genau nicht geklappt?
Eine Kundin wohnt in einem Mehrfamilienhaus im Münchner Norden mit Tiefgarage, der Vermieter wollte dort zehn Wallboxen installieren. Aber die Stadtwerke München haben das abgelehnt. Am Arbeitsplatz konnte die Kundin vor zwei Jahren noch problemlos laden, inzwischen teilt sie sich eine Säule mit vielen anderen Kollegen. Seit der Absatz der Stromer boomt, steht sie dort immer öfter vor einer besetzten Säule. Das ist dann für so jemanden das Ende, erstmal.

Greenpeace führt auch das Vergütungsmodell von Volkswagen als Grund für die Skepsis vieler Händler ins Feld. Sie bekommen bei den neuen Modellen der ID-Reihe sechs Prozent fixe Marge; weniger als bei einem Hybrid, Diesel oder Benziner.
Ach, na ja, dafür muss man die E-Autos beim Agenturmodell nicht vorher auf eigenes Risiko kaufen. Das ist insgesamt schon in Ordnung, man kann nicht generell sagen, sechs Prozent sei zu wenig. Die Rabatte beim Diesel etwa lassen Autohäusern am Ende auch oft nicht viel mehr. Aber bei Elektroautos ist der Aufwand bis zum Vertragsabschluss oft viel höher. Irgendwann rechnet sich das dann nicht mehr.

Volkswagen-Chef Herbert Diess verspricht auf seiner großen Ankündigungs-Show alles auf einmal: ein besseres Ladenetz für E-Autos sowie bessere und zugleich viel billigere Batterien. Kann das überhaupt gelingen?
von Stefan Hajek

Warum?
Sie müssen viel mehr erklären als bei einem Auto mit Verbrennungsmotor. Bei Elektroautos ist viel mehr Grundwissen erforderlich: Wo kann ich laden, wie viel kostet der Strom, welche Lade-Apps und -karten brauche ich? Viele Fragen auch nach komplexen Dingen wie Rohstoffen und Klimanutzen. Bei einem Verbrenner geht’s in der Regel um Preis, Leistung, Ausstattung, das war’s. Außerdem verdienen wir sehr gut am Kundendienst mit Dieseln und Benzinern. Allein die Ölwechsel. Das fällt uns alles weg. Darüber spricht Herr Diess und der restliche VW-Vorstand leider nie.

Also stimmt es doch, dass VW diesen Mehraufwand nicht ausreichend vergütet?
Naja, aus Sicht des Verkaufspersonals wird das oft so sein. Das ist aber sehr stark von der persönlichen Einstellung der einzelnen Verkäufer abhängig. Wir geben unseren Verkäufern keine Linie vor; wenn das persönliche Fahrprofil des Kunden auf ein E-Auto passt, dann verkaufen wir natürlich eins. Aber oft übersteigt der Beratungsaufwand jegliches vernünftige Maß. Viele Kunden wissen nicht mal, wie viele Kilowattstunden Strom ein E-Auto pro 100 Kilometer verbraucht, geschweige denn, wie viel das kostet und wie lange man für das Laden einplanen muss. Die Verkäufer sind dann in der Regel diejenigen, die das alles erklären sollen. Da sind schnell zwei, drei Stunden um. Und sehr oft geht die Interessentin oder der Bestandskunde dann mit einem „ich überlege es mir noch mal“. 

Ein weiteres Ärgernis ist die BAFA-Prämie, also der Teil der Kaufprämie für Elektroautos, die der Staat zuzahlt. Die wird nämlich erst nach frühestens sechs Monaten ausbezahlt. Wenn wir also einen Vorführwagen bereits nach einigen Wochen oder zwei, drei Monaten verkaufen, bekommen wir sie nicht.


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