




Ein VW-Vorstand ist bereits zwischen die Scheiben des Doppelkupplungsgetriebes vom Typ DQ 200 geraten und zermalmt worden: Karl-Thomas Neumann wurde im Sommer vergangenen Jahres als President und CEO von Volkswagen China abgelöst, weil er nach Ansicht der Konzernleitung im fernen Wolfsburg den Problemen mit der ruckenden Schaltautomatik aus chinesischer Produktion nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Dabei soll es schon Probleme mit dem spritsparenden wie komfortablen kleinen Wundergetriebe made in China gegeben haben, als für das China-Geschäft noch der heutige Skoda-Chef Winfried Vahland Verantwortung trug. Sei’s drum. Neumann ist inzwischen Chef beim Konkurrenten Opel – die Probleme mit DQ200 sind geblieben.





Immerhin reagierte Neumanns Nachfolger, der neue China-Vorstand Jochem Heinzmann schnell, als Anfang der Woche in einer populären Sendung im chinesischen Fernsehen Autobesitzer erneut über Probleme mit ihren Volkswagen klagten, bei denen die sieben Gänge mehr oder minder automatisch von einem Doppelkupplungsgetriebe eingelegt werden: Heizmann orderte umgehend eine Rückrufaktion für insgesamt 384.181 Autos an. Ganz freiwillig, wie es heißt, ohnehin habe man eine solche Aktion vorgehabt. In erster Linie ist es eine vertrauensbildende Maßnahme - und eine Geste zur Beschwichtigung.
So will VW seine Töchter im neuen System auf Linie bringen
Beispiel: Kilmaanlagen
Bisher: 102 Varianten in 20 Modellen
Neu: 28 Varianten
- einfachere Entwicklung von Fahrzeugen
- verbesserte Qualitätskontrolle der verwendeten Teile
- günstigere Einkaufspreise durch höhere Stückzahlen
Beispiel: Fixierung des Motors
Bisher: 309 Positionen
Neu: 36 Positionen
- einfachere Entwicklung
- schneller Montage
- Verwendung gleicher Montagemaschinen
- niedrigere Kosten für Montagemaschinen
- niedrigere Kosten auch für Modelle mit geringen Stückzahlen
Beispiel: Herstellung von Golf und Audi A3 in China
Bisher: Eine VW-Fabrik baut zwei Golf-Modelle, eine Audi-Fabrik zwei A3-Modelle
Neu: Im chinesischen Werk Foshan baut eine einzige Fabrik je zwei Golf- und A3-Modelle
- Autos aller Marken werden in mehreren Werken gebaut
- Schnellere Reaktion auf Nachfrageschwankungen
- bessere Auslastung von Werken
Beispiel: Lackierer-Werkstätten
Bisher: 90 Fabriken mit 90 individuellen Lackiermethoden
Neu: 90 Fabriken mit gleicher Lackiermethode und gleichen Lernwerkstätten
- gleich hohe Qualifikation der Arbeiter
- geringere Fehlerzahl
- schnellere Produktion
Auf diese Weise spart Volkswagen 1500 Euro pro Auto und verdoppelt damit seinen Gewinn.
Für Volkswagen ist China immerhin der wichtigste Automarkt weltweit. Und Ärger mit der chinesischen Regierung kann der Konzern derzeit nicht gebrauchen: In den kommenden Jahren will VW seinen Absatz nochmals deutlich erhöhen und zehn neue Autowerke eröffnen. Den dreistelligen Millionenbetrag, den die Rückrufaktion wahrscheinlich kosten wird, schultert der Konzern deshalb ebenso mit einem Lächeln wie schon zuvor den - nie genannten - Millionenbetrag, den schon zuvor die Ausweitung der Garantie auf zehn Jahre gekostet haben dürfte. Zum Verständnis für deutsche Autofahrer: Volkswagen ersetzt Fahrzeugbesitzern in China in den ersten sechs Jahren jedes defekte Getriebe und verspricht für die darauffolgenden vier Jahren eine kostenlose Wartung des Bauteils. Wer schon einmal nach Ablauf der zweijährigen Herstellergarantie technische Probleme mit seinem Auto hatte und mit einer VW-Werkstatt über Kulanz verhandelt hat, weiß, wie großzügig diese Regelung ist.
Tatsächlich geht es bei der aktuellen Rückrufaktion auch gar nicht um technische oder gar konstruktive Probleme: Mit jenem vielgefeierten weil verbrauchssenkenden Doppelkupplungsgetriebe, das auch im VW-Werk Kassel produziert wird, hat es in Europa bislang keine nennenswerten Probleme gegeben. Probleme macht es in China möglicherweise auch nur, weil das dort verwendete Hydrauliköl einen anderen Schwefelgehalt hat und die Belastungen für das Getriebe in den Megastaus von Peking oder Shanghai ungleich größer ist als im Berufsverkehr rund um Berlin oder Paris. Egal. Argumentieren hilft in einem solchen Fall nicht viel. Schon gar nicht in China.
In Wolfsburg versteht man die kritische Berichterstattung über VW-Produkte im chinesischen Staatsfernsehen auch als eine Art Finger-Klopfen. Die Staatsgewalt signalisiert: Achtung, wir haben Euch im Blick und dulden keinen Schluder. Die deutsche BASF hat in den vergangenen Monaten ähnliche Erfahrungen machen müssen wie jetzt Volkswagen. Mahnungen der indirekten Art - werdet nur nicht zu übermütig - erhielten auch die Burgerkette McDonald‘s und Starbucks. Also muss die Devise nun lauten: Ruhig Blut bewahren - und aufpassen, dass nicht neuer Sand ins Getriebe kommt. Dann kann Volkswagen wieder einen Gang höher schalten.