Rabattbrief an Ex-Opelaner "Blanker Hohn für gefeuerte Opel-Mitarbeiter"

Der Autobauer bedankt sich bei ehemaligen Mitarbeitern in Bochum mit Rabatten für ein „erfolgreiches Jahr“. Ein Opel-Manager, der wie 2500 andere Kollegen dieses Jahr entlassen wurde, ist empört – und rechnet mit dem Opel-Chef ab.

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Das Opel-Werk in Bochum hat am 5. Dezember 2014 den Betrieb eingestellt. Quelle: dpa

Dieter Welwei ist ein "Opelaner", wie man ihn sich vorstellt: Er hat sein gesamtes bisheriges Berufsleben bei Opel verbracht, 36 Jahre – dann wurde dem Personalmanager gekündigt.

Nach 52 Jahren im Ruhrgebiet hatte Opel die Produktion in seinem Bochumer Werk vor einem Jahr wegen Überkapazitäten beendet. Von den 3600 Mitarbeitern sind noch 2500 ohne Job, Welwei ist einer von ihnen. Für ihn war die Kündigung ein Schock, "mein Herz hing an dem Unternehmen", sagt er.

Dieter Welwei war 20 Jahre lang Manager bei Opel in Bochum. Bildquelle: privat

In seinem Haus in Witten bei Bochum stehen 35 kleine Modelle in einer Vitrine: Kadett, Astra, Corsa, Manta, GT. Viele von ihnen besaß Welwei selbst, er liebte die Autos und fuhr sie mit Stolz – bis jetzt.

Am Freitag bekam Welwei seit langem mal wieder Post von seinem ehemaligen Arbeitgeber: ein Schreiben zu Weihnachten, der Briefkopf ist von der Opel-Zentrale aus Rüsselsheim. "Ein ereignisreiches und zugleich erfolgreiches Jahr neigt sich dem Ende", heißt es in dem Brief, der WirtschaftsWoche Online vorliegt (s. Foto).

Diesen Brief bekamen alle aktiven und ehemaligen Mitarbeiter von Opel in Bochum. Bildquelle: Dieter Welwei.

"Hier wurden Tausende Mitarbeiter entlassen!"

Den Empfängern des Briefs werden 20 Prozent Rabatt beim Kauf eines Neuwagens angeboten, nach dem Motto: "Wir bei Opel fahren Opel." Dieter Welwei ist empört: "Das ist blanker Hohn für alle gefeuerten Opel-Mitarbeiter", sagt er. In dem folgenden Brief antwortet Dieter Welwei auf das Anschreiben von Opel und rechnet mit dem Management ab:

Sehr geehrter Karl-Thomas Neumann, sehr geehrter Vorstand der Adam Opel AG in Rüsselsheim!

Stellen Sie sich vor, Sie wären in meiner Lage: 53 Jahre alt, davon 36 im Dienst für Opel. Ihr Herz hängt an diesem Unternehmen – und dann werden Sie plötzlich gefeuert. Überführt in eine sogenannte Transfergesellschaft, die nichts anderes ist als die Verwaltung von Massenarbeitslosigkeit. Sie werden zum ersten Mal in ihrem Leben arbeitslos, in einem Unternehmen, von dem es früher immer hieß: „Wenn du bei Opel anfängst, kannst du bei denen auch in Rente gehen.“ Und dann kommt ein Jahr später, kurz vor Weihnachten, ein Brief, der mit den Worten beginnt: „Ein erfolgreiches Jahr geht zu Ende.“

Wie würden Sie das finden? Was ist das für ein Einfühlungsvermögen? 2015 war ein schreckliches Jahr, hier wurden Tausende Mitarbeiter entlassen! Die Meisten sind über 50 und werden nie mehr einen Job finden. Sie befinden sich im Tal der Tränen und haben Angst vor der Zukunft, Angst vor einem Leben in Hartz IV. Ist Ihnen das klar? Wahrscheinlich nicht, sonst hätten Sie diesen Brief verhindert.

"Ich werde keinen Opel mehr kaufen"

Dass uns Mitarbeitern Rabatte für Opel-Autos angeboten werden, ist ja nichts Neues. Diese Briefe kommen jeden Monat, meistens schmeiße ich sie ungelesen weg. Auch wir ehemaligen Mitarbeiter waren dafür, dass die Rabatte weiterhin für uns gelten – leisten könnten wir sie uns momentan aber sowieso nicht. Doch die Formulierung „erfolgreiches Jahr“ hat das Fass wirklich zum Überlaufen gebracht. Das liest sich für mich wie eine Provokation. Zorn, Wut und Enttäuschung überkamen mich. Ich habe mehr als mein halbes Leben in die Hände dieser Firma gegeben! Dann wurde ich einfach entlassen – und jetzt soll ich Ihnen noch Geld geben für ein neues Auto? Niemals!

Lieber Opel-Chef Neumann, warum sprechen Sie uns „Opelanern“ so kurz vor Weihnachten nicht einfach Ihr Bedauern aus, dass es mit dem Standort Bochum so gekommen ist? Ein Wort des Dankes für die gute Arbeit hätte ich schon erwartet. Dann wäre ich auch bereit, wieder einen Opel zu kaufen – ich brauche nämlich demnächst tatsächlich ein neues Auto. Aber unter den derzeitigen Bedingungen möchte ich keinen Opel kaufen. Es fällt mir momentan schwer, diese Marke zu repräsentieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Welwei, Opelaner a.D.

Opel in Bochum von 1962 bis 2014

Opel will sich zu dem Brief nicht äußern

Auf eine Anfrage von WirtschaftsWoche Online, ob Opel für die Empörung der Ex-Mitarbeiter Verständnis hat, antwortete ein Sprecher: "Wir werden uns zu diesem internen Vorgang nicht weiter äußern." Die Transfergesellschaft, in der Welwei und seine rund 2500 Ex-Kollegen überführt wurden, hat derzeit lediglich 102 ehemalige Opelaner in eine neue Festanstellung vermittelt. Das berichtet die Gewerkschaft IG Metall in Bochum. Rund 150 weitere ehemalige Opelaner absolvierten Qualifizierungsmaßnahmen in anderen Unternehmen.

Die 2500 entlassenen Mitarbeiter stehen jetzt auf der Gehaltsliste des Personaldienstleisters TÜV Nord Transfer. Aktuell bekommen die Ex-Opelaner noch 75 Prozent ihres ehemaligen Nettogehalts. Die Bezahlung endet aber dieses Jahr, dann müssen die ehemaligen Mitarbeiter ohne die Transferleistungen auskommen – für viele bedeutet das: Arbeitslosigkeit. Nach Angaben von Opel stehen 380 der rund 2500 entlassenen Mitarbeiter in Kontakt mit potenziellen neuen Arbeitgebern.

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