




„General Motors startet mal wieder eine Rückrufaktion“, „Honda ruft 13 Millionen Autos zurück“, „350.000 Chrysler müssen in die Werkstatt“: Die Schlagzeilen über Rückrufe der Autobauer scheinen kein Ende zu nehmen. Diese extrem hohen Zahlen sind inzwischen so geläufig, dass ein weiterer Millionen-Rückruf fast zur Randnotiz verkommt.
Doch das war bei Weitem nicht immer so. 2014 geht mit deutlichem Abstand als Negativ-Rekordjahr in puncto Rückrufe in die Automobilgeschichte ein. Nach Berechnungen des Center of Automotive Management (CAM) der Hochschule Bergisch Gladbach wurden im vergangenen Jahr alleine in den USA 62,7 Millionen Autos zurückgerufen – mehr als doppelt so viele wie im bisherigen „Spitzenjahr“ 2004.
Auto-Rückrufe in den USA im Jahr 2014
Rückrufquote: 912 Prozent
Rückrufmenge: 26,77 Millionen Fahrzeuge
Quelle: auto-institut.de
Rückrufquote: 577 Prozent
Rückrufmenge: 8,9 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 423 Prozent
Rückrufmenge: 9,1 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 364 Prozent
Rückrufmenge: 0,28 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 253 Prozent
Rückrufmenge: 6,0 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 230 Prozent
Rückrufmenge: 0,7 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 227 Prozent
Rückrufmenge: 0,90 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 195 Prozent
Rückrufmenge: 4,83 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 161 Prozent
Rückrufmenge: 0,97 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 156 Prozent
Rückrufmenge: 0,029 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 126 Prozent
Rückrufmenge: 0,09 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 76 Prozent
Rückrufmenge: 0,28 Millionen Fahrzeuge
Rückrufquote: 0 Prozent
Rückrufmenge: 0,0 Millionen Fahrzeuge
Die Rückrufquote, welche die Zahl der zurückgerufenen Fahrzeuge im Verhältnis zu den Neuzulassungen eines Herstellers misst, hat 2014 in den USA ein Allzeithoch von 379 Prozent erreicht – im Jahr davor waren es noch 131 Prozent. Mit anderen Worten: Es wurden fast vier Mal so viele Fahrzeuge zurückgerufen, wie im gleichen Jahr zugelassen wurden.
Viele ältere Autos werden zurückgerufen
Der Trend zeigt weiter nach oben. Seit 1966 werden in den USA die Rückrufe systematisch aufgezeichnet. Vier der fünf Negativrekorde stammen aber aus dem Zeitraum der Jahre 2000 bis 2014. „Die Rückrufquote lag bereits in sieben der letzten zehn Jahre über 100 Prozent, was den Negativtrend beleuchtet“, sagt Stefan Bratzel, der die Studie erstellt hat. Ein Großteil der zurückgerufenen Modelle bezieht sich also auf ältere Baujahre.
Bratzel analysiert seit 2005 jährlich die Rückrufe in den USA, da sich der dortige Markt wegen seiner Absatzgröße, den relativ scharfen Sicherheitsrichtlinien und vor allem wegen des hohen Klagerisikos als aussagekräftiger Indikator für die Produktqualität der Autobauer eignet.





Doch nicht nur bei den Durchschnittswerten hat das vergangene Jahr neue Negativ-Rekorde gesetzt, auch bei den einzelnen Herstellern wurden noch nie dagewesene Größenordnungen erreicht. Der unrühmliche Spitzenreiter ist, wie zu erwarten, General Motors. Der US-Konzern musste in 84 Rückrufaktionen insgesamt 27 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten beordern – das sind 912 Prozent der GM-Neuzulassungen 2014 oder 40 Prozent aller GM-Fahrzeuge in den USA. Die größten Rückrufe betreffen Zündschlossmängel, die GM für 45 Todesopfer verantwortlich macht, einige Organisationen sprechen von weit mehr als 100 tödlich Verunglückten.
Bratzel führt die hohe Zahl der Rückrufe auf „Trittbrett-Fahrer“ zurück. „Die Massenrückrufe von General Motors haben in der Automobilindustrie im Allgemeinen und in den USA im Besonderen einen noch die dagewesenen „Domino-Effekt“ ausgelöst“, sagt der Professor. „Das Rückrufvolumen und die damit verbundene öffentliche Aufmerksamkeit haben ferner dazu beigetragen, dass fast alle Automobilhersteller im Windschatten von GM eine Prüfung möglicher Qualitätsprobleme bei ähnlichen Fahrzeugkomponenten, aber auch bei anderen Funktionsgruppen vorgenommen haben.“
Zu diesen Trittbrett-Fahrern gehört Honda, die mit einer Rückrufquote von 577 Prozent auf den zweiten Platz gekommen. Die Japaner hatten in zahlreichen Modellen fehlerhafte Airbags des Zulieferers Takata verbaut, zusammen mit anderen kleineren Rückrufen mussten in den USA 8,9 Millionen Hondas ungeplant in die Werkstatt.
Die Probleme haben zwar erst jetzt zu einem Millionen-Rückruf geführt, bekannt sind sie aber schon länger. Der erste Takata-Airbag in einem Honda explodierte 2004, erst nach drei weiteren Vorfällen kam es 2008 zu einem begrenzten Rückruf. Da die Allianz von Takata und Honda seit 2004 1.729 Vorfälle mit den Airbags den US-Behörden nicht gemeldet hatte, muss Honda jetzt eine Rekordstrafe von 70 Millionen Dollar zahlen.