Es war ein "schwarzer Donnerstag", schrieben französische Zeitungen. Binnen Stunden hat der Autobauer Renault an der Börse fünf Milliarden Euro an Wert verloren. Zeitweise brach der Kurs um 23 Prozent ein. Am Ende schlossen die Papiere zehn Prozent im Minus.
Auch am Freitagmorgen gab die Aktie nochmal nach. Der Grund: Nach drei Razzien der französischen Behörden konnte Renault den Verdacht der Manipulation von Abgaswerten nicht glaubhaft entkräften. In Zeiten des VW-Abgasskandals reagieren die Märkte hochsensibel auf jeden Vorwurf – selbst Dementis von Ministern konnten Renault am Donnerstag nicht mehr helfen.
Der Autobauer bekommt damit die Quittung für seine mangelnde Transparenz. Die Razzien in den Werken fanden offenbar bereits vergangene Woche statt. Aber erst nach einem Bericht über die Durchsuchungen ging Renault selbst an die Öffentlichkeit. Da war der Schaden schon angerichtet. Der Glaube, dass die Durchsuchungen geheim bleiben könnten, waren ein fünf Milliarden Euro teurer Fehler.
Auch wenn Renault und selbst die Umweltministerin wiederholt betonen, es sei keine Manipulationssoftware wie bei VW gefunden worden, haben die Behörden Verfehlungen bei den Kohlendioxid- und Stickoxidnormen einiger Modelle nachgewiesen. Renault hat jetzt bis kommende Woche Zeit, der Commission Royal zu erklären, wie man reagieren und die Motoren an die Normen anpassen will.
Trotz oder gerade wegen der Eile ist jetzt eine vollkommene Offenheit geboten. Ein Autobauer, der sich zusammen mit dem Allianzpartner Nissan als Saubermann und Vorreiter bei der Elektromobilität inszeniert, darf schon aus Imagegründen an anderer Stelle nicht gegen Abgasnormen verstoßen.
Dabei kommt erschwerend hinzu, dass die Vorwürfe gegen Renault nicht völlig neu sind. Bereits im vergangenen November hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) deutlich erhöhte Abgaswerte bei einem Renault Espace angeprangert. Je nach Test lagen die Stickoxidwerte bei dem getesteten Wagen mit Dieselmotor um das 13- bis 25-Fache über dem Grenzwert. Ob der Espace unter den in Frankreich monierten Modellen war, ist aber nicht bekannt.
Stickoxide und CO2
Gesundheitsschädliche Stickoxide wie etwa Stickstoffmonoxid und -dioxid kommen in der Natur nur in winzigen Mengen vor. Sie stammen vor allem aus Autos, aber auch aus Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken. Dieselmotoren stoßen viel mehr NOx aus als Benziner. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen und so zu Husten, Atembeschwerden und Augenreizungen führen. Sie können auch Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter, und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei. Technisch lassen sie sich mit einem Drei-Wege-Katalysator von Benzinern in unschädlichen Stickstoff (N2) und Sauerstoff (O2) umwandeln. Es bleiben jedoch immer NOx-Reste übrig. Bei Dieselmotoren ist der Abbau von NOx bedeutend schwieriger – er gelingt etwa durch Einspritzung einer zusätzlichen Harnstoff-Lösung in den Abgasstrom.
Der Grenzwert in Pkw-Abgasen für alle Stickoxide zusammen liegt in der EU bei 80 Milligramm pro gefahrenen Kilometer (mg/km) für Diesel- und bei 60 mg/km für Benzinmotoren. Der von der US-Umweltbehörde EPA geforderte Wert liegt im Schnitt bei umgerechnet 43,5 mg/km. Allerdings sind die US-Kontrollsysteme nicht einheitlich, und die Vorschriften können je nach US-Bundesstaat abweichen.
Es ist in nicht allzu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Treibhausgas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht nach Angaben des Umweltbundesamts rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland - hier spielt CO2 die bei weitem größte Rolle. Es gibt zwar immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos mit mehr PS und mehr Lkw-Transporte. So ist der Treibhausgas-Ausstoß des Verkehrs von 1990 bis 2014 sogar um 0,6 Prozent gestiegen. Die Konferenz von Paris (30. November bis 11. Dezember) soll die Emissionen so verringern, dass sich die Erdatmosphäre um nicht mehr als zwei Grad aufheizt.
In diesem Jahr müssen die Autohersteller in der EU bei ihrer Pkw-Flotte im Durchschnitt einen Grenzwert von 130 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen. 2021 sind dann nur noch 95 g/km erlaubt. In den USA liegen diese Schwellen geringfügig höher: Die Vorgabe der Umweltbehörde EPA sieht für die im Jahr 2016 zugelassenen Fahrzeuge einen Grenzwert für Personenwagen von umgerechnet etwa 140 g/km vor. Bis 2025 sinkt der Durchschnittsgrenzwert auf rund 89 g/km.
Renault setzt bei der neuen Generation des Espace bei Benzinern und Diesel auf Motoren mit lediglich 1,6 Litern Hubraum – ein vergleichsweise kleines Aggregat für ein großes Auto. Der Downsizing-Trend zu kleinen, stark aufgeladenen Turbomotoren ist zwar gut für den Normverbrauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen. Andere Schadstoffe wie etwa Rußpartikel und Stickoxide sind aber nicht so leicht in den Griff zu bekommen.
Jetzt müssen die Fakten auf den Tisch. Die französischen Behörden erklären, wie die betroffenen Motoren überhaupt die Zulassung erhalten konnten und warum das nicht früher aufgefallen ist. Renault muss erklären, warum bestimmte Motoren die Normwerte nicht erreichen. Die Erklärung sollte gut sein – wie der Donnerstag gezeigt hat, gilt für Autobauer an den Märkten derzeit keine Unschuldsvermutung mehr.