Renault-Vorstand Stefan Müller Aufholjagd in Europa mit der Oberklasse

Renault konnte im ersten Halbjahr zehn Prozent mehr Autos verkaufen. Doch die Franzosen wollen mehr: Im Interview erklärt Renault-Vorstand Stefan Müller, wie die Aufholjagd in Europa mit der Oberklasse gelingen soll.

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Talisman soll Renault Glück bringen
Mit dem Talisman zeigt Renault einen Nachfolger für Laguna und Latitude. Und will verlorenes Terrain in der Mittelklasse gut machen. Für Sicherheit sorgt eine Armada an radar-, ultraschall- und kamerabasierten Systeme wie Sicherheitsabstands-Warner, Notbremsassistent mit Geschwindigkeitswarner, Totwinkel- und Spurhalte-Warner, Fernlichtassistent und adaptiver Tempomat. Elektrisch verstellbare Vordersitze, die heizen oder kühlen können und auch eine Ambiente-Beleuchtung hat der Viertürer an Bord. Navigationsbefehle erhält die Limousine über das Multimediasystem R-Link 2. Quelle: PR
An Bord der 4,85 Meter langen Limousine hat der französische Autobauer eine Fülle an technischen Schmankerln gepackt. Neben LED-Scheinwerfern und einem Head-up-Display beispielsweise auch das hauseigene Multi-Sense-System, mit dem sich Lenkung, Gangwechsel, Dämpfung und Ansprechverhalten des Motors sowie auch die Innenraumbeleuchtung, Klimatisierung und Motorensound regeln lassen. Basisdiesel ist der 1,5-Liter große dCI 110, darüber rangiert der 1,6-Liter große Selbstzünder, der wahlweise mit Sechsgang-Schaltgetriebe oder dem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe verfügbar ist. Die Leistungsspitze markiert der Diesel dCI 160. Die beiden Benziner leisten 150 beziehungsweise 200 PS und sind mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe verbunden. Quelle: PR
Das Design stammt vom Niederländer Laurens van den Acker, der unter anderem auch Twizy und Captur gestaltet hat. Das Modell wird offiziell auf der IAA Mitte September in Frankfurt vorgestellt. Zu den deutschen Händlern kommt es im Januar 2016. Quelle: PR
Für Sicherheit sorgt eine moderne Armada radar-, ultraschall- und kamerabasierter Systeme wie Sicherheitsabstands-Warner, Notbremsassistent mit Geschwindigkeitswarner, Totwinkel- und Spurhalte-Warner, Fernlichtassistent und adaptiver Tempomat. Quelle: PR
Fast selbstständig in Parklücken kann das Fahrzeug mit dem Einparkassistenten manövrieren. Die dynamische Allradlenkung kümmert sich nicht nur um die Lenkpräzision, sondern verbessert auch die Fahrsicherheit. Bei niedrigen Geschwindigkeiten schlagen die Hinterräder minimal in entgegengesetzter Richtung zur Vorderachse ein. Das Angebot an Triebwerken für den Talisman umfasst zwei Turbobenziner und drei Turbodiesel, die ein Spektrum von 110 bis 200 PS abdecken. Außer manueller Sechs-Gang-Schaltung gibt es je nach Modell auch ein Sechs- und ein Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Quelle: PR

Der chinesische Automarkt wankt, der russische ist bereits zusammengebrochen. Auch den Menschen in Brasilien und Argentinien ist wegen der Wirtschaftskrise die Lust am neuen Auto gründlich vergangen. Westeuropa muss den Automanagern vor dem Hintergrund wie eine Insel der Seligen vorkommen: Im ersten Halbjahr stieg hier nach den Erhebungen des Verbandes des europäischen Automobilhersteller (ACEA) der Pkw-Absatz im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt über acht Prozent, im Juni sogar um fast 15 Prozent.

Knapp 7,2 Millionen Neuzulassungen seit Jahresbeginn – so viel hat die Autoindustrie seit sechs Jahren nicht mehr verkauft. Selbst in Griechenland (plus 15,1 Prozent) brummt das Geschäft. Der Staat ist pleite – seine Bürger haben ihr Erspartes noch schnell in einen Neuwagen investiert.

Zur Person

Zu den größten Profiteuren des Aufschwungs in Westeuropa zählt der französische Autohersteller Renault mit einer Absatzsteigerung um über zehn Prozent im ersten Halbjahr. Geradezu bescheiden sind im Vergleich damit die Zuwächse von 6,3 Prozent bei der Schwestermarke Dacia, die sich auf Billigautos spezialisiert hat.

Im Gespräch mit der Wirtschaftswoche erläutert der deutsche Vorstand Stefan Müller, der seit bald drei Jahren in der Konzernzentrale zuständig ist für Produktentwicklung, Produktion, Vertrieb und Marketing in Europa, die Hintergründe und skizziert seine ehrgeizigen Ziele für die zweite Jahreshälfte.

Herr Müller, Das Glück scheint Renault derzeit hold: Im ersten Halbjahr konnte die Marke in Europa um über 10 Prozent mehr Autos verkaufen als im Vorjahr – so viel wie kaum ein anderer Hersteller. Geht die Erfolgsgeschichte in Europa weiter – oder reißt die Griechenland-Krise den Automarkt nun wieder in den Abgrund?
Der griechische Markt spielt für uns und die Autoindustrie keine große Rolle – im ersten Halbjahr sind dort keine 50.000 Autos neu zugelassen worden. Wir gehen jedenfalls nicht davon aus, dass wir wegen Griechenland unsere Absatzprognose für 2015 nach unten anpassen müssen.

,,Wir werden unser Angebot mit den sinkenden Batteriepreisen weiter optimieren

Wie sieht die Absatzprognose denn aus?
Wir gehen weiter davon aus, dass der europäische Markt in den nächsten zwei, drei Jahren weiter leicht wächst. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den wichtigen Ländern ist gut. Die Märkte in Spanien, Großbritannien und Italien wachsen derzeit zweistellig. Und auch in Deutschland und Frankreich steigen die Fahrzeugverkäufe ganz ordentlich. Europaweit liegen wir deshalb voll im Plan oder sogar darüber.

Die wichtigsten Neuheiten der IAA 2015
IAA 2015 - Die Neuheiten von A bis Z Quelle: Alfa Romeo Stellantis
Audi A4 Quelle: Audi
Audi S8 plus Quelle: Audi
A wie AudiEinen Ausblick auf die Zukunft gewährt Audi auch: In Frankfurt wird erstmals das Audi e-tron quattro concept gezeigt. Die Studie des Elektro-SUV soll einen Eindruck davon gewähren, wie sich die Ingolstädter das erste Großserien-Elektroauto der Marke, das 2018 auf den Markt kommen soll, vorstellt. Das Modell, für das der Name Q6 im Raum steht, soll dank neuerster Batterietechnik, die Audi zusammen mit LG und Samsung entwickelt, auf eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern pro Ladung kommen. Über die Leistung des SUV-Coupés, das von einem Elektromotor an der Vorderachse und zweien an der Hinterachse angetrieben werden soll, schweigen die Ingolstädter bislang. Auch über den Preis. Das Fachmagazin "Auto, Motor und Sport" schätzt, dass der Q6 für rund 110.000 Euro verkauft werden dürfte. Damit läge der erste vollelektrische Audi auf den Niveau des 700 PS starken Top-Modells von Tesla. Quelle: Audi
B wie BentleyEiner der für den Bürger unerreichbaren Stars der Messe ist der neue Bentley Bentayga. Im Interieur soll das Luxus-SUV das Niveau eines Mulsanne erreichen, mit höchster Material- und Verarbeitungsqualität. Mit dem bekannten W12-Motor (608 PS) dürfte der Brite zum stärksten Serien-SUV werden. Im Bentayga wird zudem später der erste Dieselmotor der Marke zum Einsatz kommen – der 4,2 Liter große V8-Selbstzünder von Audi. Geplant ist laut Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer auch ein V6-Benziner als Plug-in-Hybrid. Über einen reinen V6-Benziner für Märkte mit strengen Hubraum- und CO2-Regulierungen wird dem Vernehmen nach noch diskutiert – Entscheidung offen. Quelle: Bentley Motors Limited
Unangefochtener Mittelpunkt am BMW-Stand ist die neue 7er-Generation Quelle: BMW
B wie BMWEbenfalls ab Herbst auf der Straße und vorher auf der IAA stehen zwei weitere Modelle: Zum einen die zweite Generation X1 (ab 29.950 Euro): Das neu entwickelte Kompakt-SUV basiert nun auf der Frontantriebs-Plattform (Allradantrieb ist weiter möglich) und bietet mehr Platz im Innern. Quelle: BMW

Unter den Volumenherstellern ist Renault derzeit in Europa die Marke mit dem stärksten Wachstum. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Renault und Dacia waren schon im vergangenen Jahr die Automarken mit den stärksten Marktanteilsgewinnen in Kerneuropa. Und diesen Kurs setzen wir in der zweiten Jahreshälfte mit erhöhter Geschwindigkeit fort. Der Twingo ist sehr gut aufgenommen worden. Im ersten Halbjahr haben wir etwa 45 Prozent mehr Fahrzeuge des Typs verkauft als im Vorjahr. Der Capture ist im Segment der kompakten SUV inzwischen Marktführer. Und auch der Auftragseingang für den neuen Espace liegt etwa 20 Prozent über Plan. Wir scheinen also mit unseren neuen Modellen die Kundenwünsche sehr gut zu erfüllen. Wir sind sehr zufrieden – nicht nur bei der Entwicklung der Marktanteile, sondern übrigens auch mit der Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Kennziffern.

Gilt das auch für Deutschland?
Mit der aktuellen Geschäftsentwicklung in Deutschland bin ich ehrlich gesagt noch nicht zufrieden. Wir haben hier noch unsere Hausaufgaben zu machen.

In welcher Hinsicht?
Beim Marktanteil.

Renault liegt da aktuell bei 3,3 Prozent. Welcher Marktanteil wäre angemessen?
Dazu möchte ich mich nicht äußern. Deutschland hängt aber sehr am C-Segment, der Kompaktklasse. Die Erneuerung der Modellreihen Megane und Scenic wird uns da voranbringen. Aber das Wachstum wird darüber erst im nächsten Jahr kommen.

"Wollen zweitstärkster Hersteller in Europa sein"

Wann werden Sie die Marke von zehn Prozent überschreiten?
Inklusive Dacia liegen wir bereits bei über zehn Prozent. Unser Ziel ist es, spätestens 2017 zweitstärkster Hersteller mit der Marke Renault in Europa zu sein. Derzeit sind wir hinter VW und Ford noch die Nummer drei. Die neuen Modelle Espace, Kadjar und Talisman werden uns bei der Aufholjagd ebenso helfen wie der neue Megane und ein neuer Scenic.

Was kann ein SUV für 4000 Euro?
Renault Kwid Quelle: Renault
Renault Kwid Quelle: Renault
Kwid Quelle: Renault
Renault Kwid Quelle: Renault
Renault Kwid Quelle: Renault
Renault Kwid Quelle: Renault
Renault Kwid Quelle: Renault

Mit dem neuen Talisman will Renault in die gehobene Mittelklasse vorstoßen, in einen Markt, der derzeit von Audi, BMW und Mercedes dominiert ist. Ich finde die Eroberungs-Strategie ganz schön mutig.
Mut haben wir durchaus, das gebe ich zu. Aber im Flottengeschäft gibt es durchaus noch einen Markt für Mittelklasse-Limousinen mit konservativem Stufenheck. Von diesem Markt, der in Europa etwa zwei Millionen Einheiten zählt, wollen wir uns mit dem Eroberungsmodell Talisman ein ordentliches Stück herausschneiden.

Wie viel?
So viel wie möglich. In diesem Jahr werden wir mit Rücksicht auf die Qualität die Produktion im Werk Douai nur langsam hochfahren. Die Frage, wie viel Autos wir in diesem und im nächsten Jahr verkaufen, ist von untergeordneter Bedeutung. Wichtiger ist, mit guter Produktqualität zu punkten und ein ordentliches Ergebnis einzufahren. Wir haben jedenfalls nicht die Absicht, mit dem Modell die Rabattschlacht in Europa anzuheizen.

Steht der Verkaufspreis schon fest?
Den Preis werden wir im September auf der IAA verraten. Es wird ein Premiumauto mit einem Nicht-Premiumpreis.

Renault setzt seit zwei Jahren stark auf den Elektroantrieb. Wird es den Talisman auch in einer elektrischen Variante geben?
Vollelektrisch werden wir das Modell nicht anbieten. Aber für eine Hybridisierung des Antriebs ist der Talisman vorbereitet. Wenn der Markt reift und sich das Geschäft lohnt, werden wir da sein.

Der Van-Artige
Noch vor einigen Jahren galten Vans als das ultimative Familienauto. Doch wem ein Kombi heute zu schnöde ist, der greift heute zum SUV. Der Espace von Renault galt über vier Generationen als Inkarnation der Großraum-Limousine, weshalb die Franzosen nicht ganz auf einen Van verzichten wollten. Die Lösung des Dilemmas: ein Mischlingsrüde. Quelle: Renault
Der Vergleich der Generationen IV und V zeigt: Das Fahrwerk des neuen ist SUV-typisch höher, die Reifen sind größer. Um aber keinen höhergelegten Van zu bekommen, haben die Franzosen gleichzeitig das Dach gekappt – so ist der Neue in der einen Hinsicht ein gutes Stück höher als der Alte, aber auch flacher geworden. Quelle: Renault
Obwohl er seine Van-Basis verloren hat, bietet Renault den Espace weiterhin als Siebensitzer an. Erwartungsgemäß hat das luftige Raumgefühl der Großraum-Limousine etwas gelitten. Renault spricht aber davon, an anderer Stelle das Raumgefühl verbessert zu haben – so ist die Beinfreiheit in der zweiten Sitzreihe ein gutes Stück größer geworden. Die Ladehöhe seines Vorgängers erreicht der neue Espace aber natürlich wegen des neuartigen Konzepts nicht mehr – wobei laut Renault auch nur die wenigsten Kunden den Espace als Lastesel genutzt und bis unters Dach beladen haben. Quelle: Renault
Sind alle sieben Sitze aufgestellt, passen noch 247 Liter in den Kofferraum. Über das Tastenfeld links im Ladeabteil können die fünf Rücksitze einzeln oder alle auf einmal umgelegt werden, dass eine ebene Ladefläche entsteht. Die ausgefahrenen Kopfstützen klappen bei dem Tastendruck selbstverständlich zuerst ein. Quelle: Renault
So ensteht beim Siebensitzer ein bis zu 2.035 Liter großes Ladeabteil. Der Fünfsitzer schluckt sogar 2.101 Liter. Die hier ausgebaute Hutablage erweist sich allerdings als etwas fummelig: Es gibt keine durchgängige Führung, die Ablage muss jedes Mal rechts und links eingehakt werden. Das können andere Hersteller besser. Quelle: Renault
Ebenfalls einen großen Schritt gewagt hat Renault im Innenraum des Espace. Der große Bildschirm steht senkrecht, die gesamte Bedieneinheit "schwebt" über der Mittelkonsole und dem Armaturenbrett. Ergonomisch ergeben auch die meisten Sachen Sinn, die Bedienelemente sind allesamt gut erreichbar – vom Fahrer und Beifahrer. Quelle: Renault
Auch die umlaufende Beleuchtung, deren Farbe selbstverständlich im Menü einstellbar ist, wertet den Innenraum auf. An einer anderen Stelle zahlt der Kunde aber den Preis für das schicke Design: Der Cupholder ist unter die frei schwebende Mittelkonsole gewandert, im Bild nur schwer erkennbar. Wer dort während der Fahrt den Becher mit dem heißen Kaffee von der Tankstelle abstellen will, muss viel Feingefühl und Geschick mitbringen. Quelle: Renault

Sind Sie zufrieden mit dem Verkauf Ihrer Elektroautos?
Der europäische Markt für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben entwickelt sich leider nur schleppend, zugegebenermaßen auch schlechter, als wir erwartet haben. Aber man darf nicht alles schwarz malen: Es gibt durchaus Zuwächse in dem Segment. So haben wir unseren Absatz mit den zwei batterie-elektrischen Modellen Zoe und Kangoo EV in einem Jahr immerhin um 70 Prozent gesteigert.

Die Batterien für Elektroautos werden langsam billiger. Werden Sie in absehbarer Zeit neue Kunden mit Preissenkungen locken können?
Wir werden unser Angebot mit den sinkenden Batteriepreisen weiter optimieren – indem wir den Kunden für den gleichen Preis mehr bieten und sinkenden Mieten für die Batterien. Heute steht das noch nicht auf der Tagesordnung, aber natürlich wird der Zoe in absehbarer Zeit Veränderungen erfahren. Aber wer heute einen kauft, wird dadurch keinen Nachteil haben.

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