Rückrufe Warum GM den Zündschloss-Skandal überstehen wird

Die Rückrufaktionen von General Motors sind gigantisch und kosten den Autohersteller Milliarden. Doch die Affäre könnte den GM-Absatz in den USA sogar weiter ankurbeln.

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US-Behörde untersucht Dodge wegen Wegrollgefahr
Behörde untersucht weitere Fiat-Chrysler-Wagen Quelle: AP
BMW ruft Autos zurück Quelle: dpa
Toyota - Millionen fehlerhafter AirbagsToyota ruft weltweit weitere 5,8 Millionen Fahrzeuge wegen möglicher Probleme mit Airbags des Zulieferers Takata zurück. In Europa müssten 1,47 Millionen Autos zurück in die Werkstätten, teilte der japanische Konzern am Mittwoch mit. Allein in Deutschland seien knapp 118.000 Fahrzeuge betroffen. Dabei geht es unter anderem um die Modelle Corolla und Yaris, vorwiegend älterer Baujahre, sagte ein Sprecher. In Japan sollen die Besitzer von rund 1,15 Millionen Fahrzeugen in Werkstätten vorstellig werden. Weltweit haben Autohersteller bereits mehr als 100 Millionen Autos zurückgerufen, um die fehlerhaften Airbags auszutauschen. Quelle: dpa
VW und Audi rufen wegen Feuergefahr 281.000 Autos in USA zurück Volkswagen ruft 281.500 Fahrzeuge in den USA wegen möglicher Brandgefahr zurück. Es geht Fahrzeuge der Marken VW und Audi, wie aus einer Mitteilung des Unternehmens an die Börsenaufsicht vom 7. Oktober hervorgeht. Bei den Fahrzeugen könne in Folge von Lecks Benzin austreten und Feuer ausbrechen. Allerdings seien entsprechende Vorfälle noch nicht berichtet worden. Auch habe es keine Verletzten gegeben. Quelle: dpa
Fiat Chrysler ruft fast zwei Millionen Fahrzeuge zurück Quelle: dpa
General Motors ruft über 4 Millionen Fahrzeuge zurückGeneral Motors ruft wegen eines Defekts an der Airbag-Software weltweit mehr als vier Millionen Fahrzeuge zurück. In seltenen Fällen könne der Bordcomputer in den Testmodus umschalten, erklärte der US-Autobauer am Freitag in Detroit. Die vorderen Airbags würden dann im Fall eines Unfalls nicht auslösen. Auch die Sitzgurte funktionierten möglicherweise nicht. Der Fehler werde mit mindestens einem Todesfall und drei Verletzten in Verbindung gebracht. GM werde die betroffenen Kunden informieren und die Software kostenfrei aktualisieren, teilte das Unternehmen mit. Der Rückruf der 4,28 Millionen betrifft unter anderem bestimmte Modelle von Buick, Chevrolet und Cadillac der Modelljahre 2014-2017, allein 3,6 Millionen davon in den USA. Quelle: dpa
Mazda ruft 2,2 Millionen Fahrzeuge zurück Mazda ruft wegen Problemen mit der Heckklappe weltweit 2,2 Millionen Fahrzeuge zurück. Die Rostschutzlackierung der Heckklappenaufhängung sei nicht ausreichend, erklärte der japanische Autohersteller am Donnerstag. Im Laufe der Zeit könne daher mit Streusalz vermischtes Wasser dazu führen, dass die Aufhängung bricht und die Heckklappe abfällt. Berichte über Unfälle oder Verletzte lägen jedoch nicht vor. Der Rückruf betrifft bestimmte Modelle des Kompaktwagens Mazda 3 der Jahrgänge 2010 bis 2013 sowie Vans des Typs Mazda 5 von 2012 bis 2015. Ebenfalls betroffen sind bestimmte Modelle des CX-5 von 2013 bis 2016 und des SUVs CX-3 von 2016. Händler tauschten beide Aufhängungen aus, erklärte Mazda. Kunden erhielten noch im September oder im Oktober nähere Informationen. Quelle: dapd

Die Dimensionen der GM-Rückrufe sprengen jedes Maß: 29 Millionen Autos sind von den Qualitätsmängeln betroffen. GM ruft damit im ersten Halbjahr in den USA sieben Millionen Autos mehr in die Werkstätten zurück, als im gesamten letzten Jahr alle Autohersteller zusammen.

Rund 300 Menschen könnten durch die Mängel gestorben sein, so schätzten bislang US-Verbraucherschützer. Durch den jüngsten Rückruf von weiteren 8,4 Millionen Autos könnte die Liste der Opfer noch länger werden. Über zwei Milliarden Dollar muss GM nun aufwenden, um die technischen Mängel zu beheben. Weitere Milliarden werden wohl für Schadenersatzzahlungen an Opfer oder ihre Hinterbliebenen fällig.

Steht der US-Konzern, der erst vor fünf Jahren sein Insolvenzverfahren abschloss und neu durchstartete, schon wieder am Rand des Abgrunds? Könnte man meinen. Denn die Kosten der Rückrufe könnten in den kommenden Jahren die Gewinne zum großen Teil aufzehren. Und GM könnte kräftig Marktanteile verlieren: Die USA ist der wahrscheinlich am härtesten umkämpfte Automarkt der Welt. Ein gutes Dutzend hochmotivierter Konkurrenten freut sich über jede Hiobsbotschaft aus dem GM-Headquarter in Detroit und arbeitet längst an Maßnahmen zur Eroberung verunsicherter GM-Kunden.

General Motors: Chronologie der Zündschloss-Affäre

Doch so schlüssig dieses Horrorszenario für GM auch erscheint und so sehr das Unternehmen ein solches angesichts der vertuschten Schlampereien auch verdient hätte – realistisch ist es nicht. Denn amerikanische Autokäufer sind auch nur Menschen, und die sind häufig irrational, ziemlich träge, tendenziell patriotisch und mitunter erschreckend pragmatisch.

Irrationale Kunden: GM ist für die Amerikaner in etwa das, was VW für die Deutschen ist: Eine Ikone der heimischen Wirtschaft, der Inbegriff der nationalen Autoindustrie und ein Hersteller von nicht sonderlich aufregenden, aber alles in allem überzeugenden Autos. Mit knapp 19 Prozent Marktanteil ist GM mit deutlichem Abstand Marktführer vor Ford und Toyota. Dieses GM-Image ist trotz vorübergehender Insolvenz im Jahr 2009 weitgehend intakt und wird auch von den Rückrufen nicht ernsthaft beschädigt.

Der beste Beweis dafür: Seit Monaten haben die Rückrufaktionen praktisch keine Auswirkungen auf den GM-Absatz. Im Juni konnte der Konzern bei den Verkäufen erneut ein Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegen und mit dem allgemeinen Branchenwachstum Schritt halten. Ford und VW – beide derzeit nicht von größeren Rückrufaktionen belastet und in puncto Qualität sicherlich eine sinnvolle Alternative zu GM – verloren im Juni 5,8 Prozent (Ford) beziehungsweise 9,8 Prozent (VW). Sollte sich VW neue Chancen im kriselnden US-Geschäft durch die GM-Probleme erhofft haben, so wird diese Rechnung wohl nicht aufgehen.

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