Rückschlag für Elektromobilität Deutlicher Dämpfer für den Traum von der E-Auto-Nation Deutschland

Branchenexperte Dudenhöffer erwartet eine Flaute bei E-Autos. Quelle: imago images

15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen bis 2030? Dieses selbst gesetzte Ziel dürfte die Politik krachend verfehlen. Stattdessen steht angesichts hoher Strompreise und steigender Batteriekosten eine Dürrezeit für das Elektroauto bevor, warnen Ferdinand Dudenhöffer und Helena Wisbert in einem Gastbeitrag.

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Das Elektroauto, definiert als batterieelektrisches Fahrzeug (BEV) und Plug-in-Hybrid (PHEV), hat in Deutschland in den vergangenen beiden Jahren eine stürmische Entwicklung genommen. Betrug der Anteil an den Pkw-Neuwagenzulassungen 2019 noch magere drei Prozent, kletterte der Marktanteil 2020 auf 13,5 Prozent. 2021 ging der Siegeszug mit stolzem Marktanteil von 26 Prozent weiter. Bisheriger Höhepunkt waren 28,2 Prozent Marktanteil in den ersten elf Monaten 2022 – und kaum glaubbare 39,4 Prozent Marktanteil im November 2022.

Studiert man diese Zeitreihe, könnte man zum Schluss kommen, Deutschland werde eine Elektroauto-Nation. Getrieben wurde der Boom von einer staatlichen Kaufprämie, blumig als Innovationsprämie getauft, die in der Spitze einschließlich eines Anteils der Autobauer 9000 Euro betrug. Zusätzlich haben lange Zeit vorteilhafte Strompreise das Fahren mit Elektroauto „versüßt“.

Beides steht ab 2023 in großen Teilen zur Disposition. Und als wäre das noch nicht genug, sind Autobauer mit steigenden Kosten von Lithium-Ionen-Batterien konfrontiert. Immerhin machen Batteriekosten bis zu 40 Prozent der Gesamtkosten eines Elektroautos aus.

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Der schöne Traum von der Elektroauto-Nation Deutschland erhält so in Zukunft einen deutlichen Dämpfer – und das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen 2030 wird deutlich verfehlt. BEV sind im Vergleich zu entsprechenden Modellen mit Verbrennungsmotor immer noch erheblich teurer. Besonders bei Klein- und Kompaktfahrzeugen machen sich die Preisunterschiede bemerkbar und betragen zwischen 8000 und 15.000 Euro.

So liegt etwa mit 34.990 Euro der Listenpreis des Kleinwagens Fiat 500 in der Elektroversion mit notwendiger 42-kWh-Batterie um die 15.000 Euro über dem vergleichbaren Hybrid-Benziner. Bei Opel ist der Corsa in vollelektrischer Version mit 33.895 Euro um 11.575 Euro teurer als der Benziner. Beim Peugeot 208 Elektrik macht der Preisunterschied 12.000 Euro aus. Das Einstiegs-Elektroauto, der Dacia Spring, ist mit 22.500 Euro um 8200 Euro teurer als der Benziner Stepway. Die fünf Modelle stellten 2022 rund ein Fünftel aller BEV-Neuzulassungen. Ähnliches gilt für PHEV-Neuwagen, die einschließlich des Herstelleranteils zur staatlichen Kaufprämie mit bis zu 6500 Euro bei der Zulassung bonifiziert wurden.

Diese Beispiele machen deutlich, warum bei niedrigen Strompreisen und hohen Benzinpreisen die Innovationsprämien in Deutschland animiert haben, Elektroautos zu kaufen. Während von 2016 bis 2019 Elektroautos kaum wahrnehmbar waren, schossen die Verkäufe und Neuzulassungen nach 2019 fast explosionsartig nach oben. Nach 2021 flachte das Wachstum der Marktanteile bei den vollelektrischen Fahrzeugen deutlich ab. Plug-in-Hybride stagnierten nahezu in ihrer Marktanteilsentwicklung.

Es zeichnete sich bei den vorherrschenden Preis-Wert-Relationen und Nutzeneinschätzungen von Elektroautos eine Obergrenze beim Marktanteil ab. Gleichzeitig waren von 2020 bis 2022 Exportaktivitäten von in Deutschland neu zugelassenen BEV erkennbar. Die Exporte wurden zum Teil dadurch ausgelöst, dass bei Gewährung der Innovationsprämie lediglich eine Haltedauer von sechs Monaten einzuhalten war. Damit waren Anreize gegeben, nach der Haltedauer Fahrzeuge ins Ausland zu verkaufen und in Deutschland die Innovationsprämie zu nutzen. Besonders bei Tesla haben sich solche Entwicklungen bemerkbar gemacht. Zusätzlich gab es bei Tesla eine instabile Belieferung der verschiedenen Märkte mit Neuwagen mit großen monatlichen Zuteilungssprüngen, der aus Shanghai angelandeten Tesla-Modelle. Damit wären auch ohne Kaufprämien Exportaktivitäten in andere EU-Länder beobachtbar gewesen.

Klar ist aber, dass bei Modellen mit einem Listenpreis bis 40.000 Euro vor Mehrwertsteuer die 9000 Euro Innovationsprämie den Export zusätzlich stimuliert hatten. Nach unserer Einschätzung ist der Marktanteil bei batterieelektrischen Neuwagen in Deutschland 2022 um bis zu ein Prozent künstlich gepushed worden. Der „wahre“ Marktanteil der BEV 2022 dürfte damit nicht bei den vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) gemessenen 15,8 Prozent liegen, sondern unter 15 Prozent.

In Zukunft fällt der Exportanreiz junger Elektroautos weg, da erstens die Haltdauer des Neuwagens auf zwölf Monate verlängert und zweitens die Prämienhöhe gesenkt wird. Damit sinkt auch der Neuwagen-Marktanteil des Elektroautos. Dieser „administrative“ Effekt ist einer der Erklärungsfaktoren für den Rückgang der Marktanteile beim Elektroauto in Deutschland in den kommenden Jahren.

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