Rückstand auf Mercedes BMW bläst zur Aufholjagd in Asien

Mercedes-Benz hat derzeit einen Lauf und die Premium-Konkurrenz hinter sich gelassen. BMW will jetzt zurückschlagen und setzt vor allem auf Asien. Die Restrukturierung macht auch vor den oberen Führungsetagen nicht halt.

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BMW gründet Region Asia Pacific Quelle: REUTERS

Harald Krügers Aufgabe hörte sich einfacher an als sie ist: Größter Premium-Autobauer der Welt bleiben. Als Krüger 2015 den Chefposten bei BMW übernahm, war die Welt in München noch in Ordnung. Unter der Führung von Norbert Reithofer, der heute den Aufsichtsrat leitet, war man eben zu jenem weltgrößten Premium-Hersteller aufgestiegen. Die aufmüpfigen Angreifer von Audi waren erfolgreich abgewehrt, der Erzrivale Daimler seit 2010 stetig zurückgefallen.

Doch das war nur eine Momentaufnahme: Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte, obwohl 2012 öffentlich angezählt, im Hintergrund wichtige Modellentscheidungen getroffen und auch die Organisation fit gemacht. Während Audi nach dem Abgasskandal immer noch mit sich selbst beschäftigt ist und am überfälligen Design-Umbruch arbeitet, hat die einstige Nummer drei der Premium-Welt BMW 2016 von der Spitze verdrängt – und baut den Vorsprung weiter aus.

In den ersten neun Monaten konnte Mercedes-Benz weltweit 1,72 Millionen Fahrzeuge verkaufen, zwölf Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Die Kernmarke von BMW kam lediglich auf ein Wachstum von 3,9 Prozent und 1,54 Millionen verkaufte Fahrzeuge. Audi fällt mit 1,38 Millionen Autos (+ 2 Prozent) weiter zurück.

Auch in China boomen SUV

Solche Zahlen begründet man in München auch mit dem eigenen Modellzyklus: Viele Kunden halten sich derzeit zurück und warten auf die Neuauflage des Bestsellers X3, so der Tenor. Zudem stünden mit dem großen siebensitzigen SUV X7, dem glamourösen 8er-Coupé und weiteren Elektro-Modellen wichtige Neuheiten an, welche die Verkäufe quasi von alleine ankurbeln sollen.

BMW gründet neue Vertriebsstruktur

Dennoch will es Krüger nicht bei neuen Autos belassen: Für die Aufholjagd auf Daimler setzt der frühere Produktionsvorstand vor allem auf Wachstum in Fernost. Nach Informationen von WirtschaftsWoche Online strukturiert Krüger das Asiengeschäft grundlegend um und besetzt wichtige Manager-Posten neu.

Um die Aktivitäten zu bündeln, wird zum Jahreswechsel eine neue, übergeordnete Regionalzentrale Asien-Pazifik (ohne China) in Singapur eröffnet. Die neu geschaffene Position des CEO Asia/Pacific wird zum Januar 2018 Hildegard Wortmann übernehmen. Die 51-Jährige leitet seit 2016 das Marketing von BMW, zudem ist sie seit 2010 für das Produktmanagement der Autosparte verantwortlich. Inzwischen bestätigte BMW auch die Nachfolge Wortmanns: Ab Januar wird Sven Schuwirth das Marketing von BMW leiten – er war zuvor Leiter Digital Business bei Audi.

Für Wortmann selbst ist der Umzug nach Singapur die Chance, sich für einen Vorstandsposten zu bewähren. Die frühere Unilever-Managerin hatte bei BMW den Neustart der Marke Mini begleitet und sich dabei einen hervorragenden Ruf erarbeitet. So gut, dass Branchenkreisen zufolge auch Volkswagen an Wortmann interessiert war, als man im Sommer bei dem Audi-Vorstandsumbau einen Nachfolger für den Marketing- und Vertriebschef Dietmar Voggenreiter suchte. In München ist dieser Vorstandsposten vorerst besetzt, zum 1. Januar 2018 übernimmt der Niederländer Pieter Niota das Vertriebsressort von Ian Robertson, der in den Ruhestand geht.

BMW baut Präsenz in China aus

Von Singapur aus soll Wortmann die BMW-Attacke auf Daimler anführen – in der Strategie von Krüger nimmt das Wachstum in Asien eine wichtige Rolle ein. Bislang agieren die einzelnen Landesgesellschaften größtenteils unabhängig voneinander. Von einem koordinierten Vertrieb erwartet sich BMW bessere Absatzzahlen – zumal auch die Produktion in Asien immer wichtiger wird und hier die Abstimmung mit einem zentralen Vertrieb deutlich einfacher ist als mit den einzelnen Landesgesellschaften.

Wenn Wortmann übernimmt, muss sie zumindest in China keine Aufholjagd mehr starten. Im ersten Halbjahr konnte BMW auf dem weltgrößten Automarkt bereits mehr Fahrzeuge verkaufen als Mercedes und sogar der einstige China-Primus Audi. Bei den Ingolstädtern brach der Absatz infolge eines Händlerstreiks um zwölf Prozent auf 254.785 Einheiten ein. Von Anfang Januar bis Ende Juni lagen die Münchner und der Stuttgarter Erzrivale laut Zahlen von IHS Markit beinahe gleich auf – mit knapp besserem Ende für BMW. Mit 293.280 Autos lag BMW knapp vor der Daimler-Marke (292.676 Einheiten).

Das Absatzplus von 18,4 Prozent bei BMW ist nur zum Teil auf höhere Importe zurückzuführen. Während die Einfuhren um 13 Prozent zulegten, zog die lokale Produktion in China um 21,6 Prozent an. Derzeit hat BMW nur ein Fahrzeugwerk in China: In Shenyang laufen Limousinen der 1er Baureihe (in Deutschland nicht erhältlich), des 3er und 5er vom Band. Daneben wird dort auch der Van 2er Active Tourer und das Kompakt-SUV X1 gebaut.

Wird der Mini bald in China gebaut?

Bei dem Absatzwachstum hat BMW vor allem von der Nachfrage nach kleineren Autos profitiert. Galt China lange Zeit als Markt für große Limousinen und SUV, die einen hohen Status symbolisieren, werden nun auch zunehmend kleine Autos gekauft – also der 1er und der X1.

Künftig kann das Angebot nach unten erweitert werden: mit dem Mini. Bislang spielt der Kult-Kleinwagen auf dem weltgrößten Automarkt keine nennenswerte Rolle. Da der Mini nur in Europa gefertigt wird, werden bei der Einfuhr Importzölle fällig, die den Kleinwagen im chinesischen Verkauf teuer machen. Inzwischen befindet sich BMW offenbar in Gesprächen mit Great Wall, Minis auch außerhalb Europas zu produzieren.

Bilder aus BMWs Motorenfabrik in China
Das neue Motorenwerk des Münchener Autobauers BMW steht in Shenyang Quelle: BMW
Es ist das weltweit vierte Motorenwerk des deutschen Autobauers. Quelle: BMW
Besonders an den Motoren ist ihr Baukastensystem. Quelle: BMW
Hier sieht man einen sogenannten Sandkern. Quelle: BMW
Kurbelwellen-, Kurbelgehäuse- und Zylinderkopffertigung Quelle: BMW
BWM betont gerne, dass die Autos in den Werken in China nach weltweit gültigen Standards des Unternehmens gebaut werden. Quelle: BMW
Im Werk arbeiten zudem rund 100 Mitarbeiter aus anderen BMW-Standorts, die die chinesischen Mitarbeiter schulen sollen. Quelle: BMW

Great Wall ist Chinas größter SUV-Hersteller und mit der neu gegründeten Marke Wey auch im Premium-Segment aktiv. Der chinesische Autobauer bestätigte Mitte Oktober, dass man mit BMW über eine Mini-Fertigung verhandle, die Gespräche seien aber noch „in einem frühen Stadium“. BMW teilte mit, dass ein Wachstum von Mini in China „nur mit einem lokalen Partner möglich“ sei – ohne Great Wall beim Namen zu nennen.

Bei dem bestehenden Werk in Shenyang arbeitet BMW in einem Joint Venture mit Brilliance zusammen. Anfang 2016 eröffnete BMW dort neben dem Fahrzeugwerk eine Motorenfabrik. Seit dieser Woche betreiben die Münchner zudem eine Batteriefabrik. In dem „High Voltage Battery Center“ werden aus angelieferten Zellen Batteriemodule für die nahegelegene Fahrzeugproduktion gebaut. Im Shenyang bereitet BMW-Brilliance gerade die Fertigung des 5er Plug-in-Hybrid für den lokalen Markt vor.

Gelungenes Reisemittel für Vielfahrer
BMW 530d Touring Quelle: BMW
BMW 530d Touring Quelle: BMW
BMW 530d Touring Quelle: BMW
BMW 530d Touring Quelle: BMW
BMW 530d Touring Quelle: BMW
BMW 530d Touring Quelle: BMW
BMW 530d Touring Quelle: BMW

Anlässlich der Eröffnung sprach BMW-Produktionsvorstand Oliver Zispe „von einem bedeutenden Schritt“. „Es ist die erste Batteriefabrik eines Premium-Automobilherstellers in China und bereits die dritte innerhalb unseres Produktionsnetzwerks nach Deutschland und den USA.“ Mit der eigenen Batteriefertigung will BMW flexibel auf die Nachfrage nach elektrifizierten Modellen reagieren können.

Angesichts der beschlossenen Elektroauto-Quote in China wird die Nachfrage wohl schnell anziehen – und Asien-Chefin Wortmann erste Erfolge nach München melden können.

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