Russlands Automarkt Moskauer Autosalon im Zeichen der Krise

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Autobauer in der Zwickmühle

Die Autobauer befinden sich in einer Zwickmühle. Sie glauben an das langfristige Potenzial des Marktes, doch der Preis ist hoch. Jeder, der hier produziert ist mit Russland einen Pakt eingegangen. VW, Ford und GM dürfen wichtige Zuliefererteile nahezu zollfrei importieren, verpflichten sich im Gegenzug aber dazu, bis zum Tag 30 oder sogar 60 Prozent ihrer Teile künftig von russischen Lieferanten zu beziehen.

PwC-Prognose für den russischen Markt

Daneben profitieren die Konzerne von weiteren Annehmlichkeiten in den Sonderwirtschaftszonen rund um St. Petersburg, Kaluga, Kaliningrad oder Togliatti wie niedrigen Gewinnsteuern und Unterstützung durch die lokalen Verwaltungen. Das so genannte Dekret 166, wird für die Autobauer zur teuflischen Gefahr. Die Hersteller waren blauäugig, haben die strukturellen Schwächen unterschätzt. Lisa King,

Einkaufschefin des Ford Sollers Joint Ventures sagte kürzlich beim Russian Automotive Forum in Moskau: „Bei der Suche und dem Aufbau eines lokalen Zulieferernetzes geht es nicht darum, wie gut das Geschäft läuft, sondern ob das Geschäft überhaupt ins Laufen kommt.“

Besonders bei den mittelgroßen und kleinen Zulieferern klafft auf dem russischen Markt gähnende Leere. Es fehlt an Lieferanten für Rahmen von Sitzen, Nackenstützen und Gurten, an Betrieben, die Kunststoffe herstellen oder auch Kunststoffteile weiterverarbeiten können. „Stahl bekommt man, aber nicht genug und nicht in der nötigen Menge“, klagt VW-Mann Osegowitsch auf derselben Veranstaltung.

In Russland fehlen die Zulieferer

Ausgerechnet dem rohstoffreichen Russland mangelt es an Rohstoffe-verarbeitenden Betrieben. Das trifft Bosch, Magna, ZF und Conti besonders. Die Ausrüster der ersten Riege, sind VW, Ford und GM nach Russland gefolgt. Auch sie haben sich verpflichtet, die lokale Produktion zu vertiefen. Doch womit? „Es ist schwierig, Kunststoffteile ohne sichtbare Schäden zu bekommen“, erzählt Anna Tarenko, Einkaufschefin von Magna Russland.

Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

Originär russisch ist daher auch nur ein minimaler Prozentsatz der Zulieferer. Auf dem Forum Russland, der Unternehmensberatung Forum BRIC, gesteht Frank Haase, Einkaufsdirektor der Volkswagen Group Rus, man arbeite mit rund 60 lokal produzierenden Zulieferern, doch in mehr als 90 Prozent der Fälle handle es sich um globale Player. Es gebe darunter „nur eine Handvoll rein russischer Teilehersteller“.

Bosch Russland-Chef Gerhard Pfeiffer: „Der Anteil der Zulieferer, die nach dem für uns nötigen ISO-Qualitätsstandard zertifiziert sind, lieg tim einstelligen Prozentbereich. Bosch hat deshalb bereits ein Programm zur Unterstützung und Ansiedlung von kleineren Zulieferern gestartet. Und auch der Verband der deutschen Automobilindustrie VDA müht sich 2009 in Qualitätsmanagement-Center, russische Mitarbeiter auf deutsches Niveau zu bringen. 

Die Initiativen sind wichtig, doch die Arbeit geht nur langsam vor. Die Unternehmensberatung Roland-Berger geht davon aus, dass es ab 2018 immer weniger Argumente, für eigene Produktionsstätten in Russland geben wird. Dann nämlich tritt Russland der WTO bei. „Dann werden die Vorteile einer Herstellung in Russland verschwinden“, sagt Jürgen Reers, Partner im Automotive Competence Center von Roland Berger. Dann nämlich sinken nicht nur die Importzölle, auch Abkommen zur Unterstützung der lokalen Produktion laufen aus. Es bestehe die Gefahr, dass die Hersteller ihr Engagement in Russland reduzieren und stattdessen wieder mehr Teile importieren.

In Brasilien hat man dies bereits beobachtet. „Selbst unter der Annahme gleichbleibender Subventionierung lokaler Produktion würde so der Importanteil im russischen Automarkt von heute etwa 30 Prozent auf 50 Prozent oder mehr ansteigen“, sagt Reers. Von den momentan noch vor Ort hergestellten Fahrzeugmodellen ausländischer Autobauer könnten in Zukunft über 40 Prozent nach Russland importiert werden. Besonders Modelle mit jährlichen Stückzahlen unter 25.000 seien demnach langfristig in Russland nicht mehr wettbewerbsfähig zu produzieren.

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