Die Autobauer befinden sich in einer Zwickmühle. Sie glauben an das langfristige Potenzial des Marktes, doch der Preis ist hoch. Jeder, der hier produziert ist mit Russland einen Pakt eingegangen. VW, Ford und GM dürfen wichtige Zuliefererteile nahezu zollfrei importieren, verpflichten sich im Gegenzug aber dazu, bis zum Tag 30 oder sogar 60 Prozent ihrer Teile künftig von russischen Lieferanten zu beziehen.
PwC-Prognose für den russischen Markt
Das Analysehaus PriceWaterhouseCoopers geht für das Jahr 2014 von einem schrumpfenden russischen Markt aus. Die Verkäufe werden um 7,1 Prozentpunkte von 2,77 Millionen auf 2,58 Millionen Einheiten fallen. Bereits in den ersten beiden Monaten des Jahres sind die Verkäufe im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent zurückgegangen.
PwC geht für 2014 von einem rückläufigen Produktionsvolumen im Pkw-Markt aus. Der Output wird von 2,01 Millionen Einheiten auf 1,88 Millionen zurückgehen.
Bis zum Jahr 2020, so prognostiziert PwC, wird das Produktionsvolumen im Vergleich zu 2013 um gut 5 Prozent auf 2,85 Millionen Einheiten ansteigen.
Daneben profitieren die Konzerne von weiteren Annehmlichkeiten in den Sonderwirtschaftszonen rund um St. Petersburg, Kaluga, Kaliningrad oder Togliatti wie niedrigen Gewinnsteuern und Unterstützung durch die lokalen Verwaltungen. Das so genannte Dekret 166, wird für die Autobauer zur teuflischen Gefahr. Die Hersteller waren blauäugig, haben die strukturellen Schwächen unterschätzt. Lisa King,
Einkaufschefin des Ford Sollers Joint Ventures sagte kürzlich beim Russian Automotive Forum in Moskau: „Bei der Suche und dem Aufbau eines lokalen Zulieferernetzes geht es nicht darum, wie gut das Geschäft läuft, sondern ob das Geschäft überhaupt ins Laufen kommt.“
Besonders bei den mittelgroßen und kleinen Zulieferern klafft auf dem russischen Markt gähnende Leere. Es fehlt an Lieferanten für Rahmen von Sitzen, Nackenstützen und Gurten, an Betrieben, die Kunststoffe herstellen oder auch Kunststoffteile weiterverarbeiten können. „Stahl bekommt man, aber nicht genug und nicht in der nötigen Menge“, klagt VW-Mann Osegowitsch auf derselben Veranstaltung.
In Russland fehlen die Zulieferer
Ausgerechnet dem rohstoffreichen Russland mangelt es an Rohstoffe-verarbeitenden Betrieben. Das trifft Bosch, Magna, ZF und Conti besonders. Die Ausrüster der ersten Riege, sind VW, Ford und GM nach Russland gefolgt. Auch sie haben sich verpflichtet, die lokale Produktion zu vertiefen. Doch womit? „Es ist schwierig, Kunststoffteile ohne sichtbare Schäden zu bekommen“, erzählt Anna Tarenko, Einkaufschefin von Magna Russland.
Originär russisch ist daher auch nur ein minimaler Prozentsatz der Zulieferer. Auf dem Forum Russland, der Unternehmensberatung Forum BRIC, gesteht Frank Haase, Einkaufsdirektor der Volkswagen Group Rus, man arbeite mit rund 60 lokal produzierenden Zulieferern, doch in mehr als 90 Prozent der Fälle handle es sich um globale Player. Es gebe darunter „nur eine Handvoll rein russischer Teilehersteller“.
Bosch Russland-Chef Gerhard Pfeiffer: „Der Anteil der Zulieferer, die nach dem für uns nötigen ISO-Qualitätsstandard zertifiziert sind, lieg tim einstelligen Prozentbereich. Bosch hat deshalb bereits ein Programm zur Unterstützung und Ansiedlung von kleineren Zulieferern gestartet. Und auch der Verband der deutschen Automobilindustrie VDA müht sich 2009 in Qualitätsmanagement-Center, russische Mitarbeiter auf deutsches Niveau zu bringen.
Die Initiativen sind wichtig, doch die Arbeit geht nur langsam vor. Die Unternehmensberatung Roland-Berger geht davon aus, dass es ab 2018 immer weniger Argumente, für eigene Produktionsstätten in Russland geben wird. Dann nämlich tritt Russland der WTO bei. „Dann werden die Vorteile einer Herstellung in Russland verschwinden“, sagt Jürgen Reers, Partner im Automotive Competence Center von Roland Berger. Dann nämlich sinken nicht nur die Importzölle, auch Abkommen zur Unterstützung der lokalen Produktion laufen aus. Es bestehe die Gefahr, dass die Hersteller ihr Engagement in Russland reduzieren und stattdessen wieder mehr Teile importieren.
In Brasilien hat man dies bereits beobachtet. „Selbst unter der Annahme gleichbleibender Subventionierung lokaler Produktion würde so der Importanteil im russischen Automarkt von heute etwa 30 Prozent auf 50 Prozent oder mehr ansteigen“, sagt Reers. Von den momentan noch vor Ort hergestellten Fahrzeugmodellen ausländischer Autobauer könnten in Zukunft über 40 Prozent nach Russland importiert werden. Besonders Modelle mit jährlichen Stückzahlen unter 25.000 seien demnach langfristig in Russland nicht mehr wettbewerbsfähig zu produzieren.