Sanierungsfall Opel Trotz Gewinns bleiben zahlreiche Baustellen

Opel: Trotz Gewinns gibt es noch viele Baustellen Quelle: dpa

Der Autobauer Opel/Vauxhall ist nach fast 20 Jahren zurück in der Gewinnzone – doch es bleibt noch viel zu tun.

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Analysten jubeln - Opel sei aus Ruinen auferstanden, titelte etwa Evercore ISI. In der Tat ist Opel unter seinem neuen französischen Eigentümer PSA überraschend schnell in die Gewinnzone zurückgekehrt. Im ersten Halbjahr betrug das Betriebsergebnis von Opel und seiner britischen Schwestermarke Vauxhall 502 Millionen Euro – allerdings ohne Einmalbelastungen. Nach den Kosten für die Restrukturierung, allen voran Abfindungen für Mitarbeiter, blieb ein Gewinn von knapp hundert Millionen Euro. Der PSA-Konzern steigerte seinen Umsatz in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um gut 40 Prozent auf 38,6 Milliarden Euro. Auf die erstmals enthaltene Opel-Vauxhall-Sparte entfiel davon ein Anteil von 9,95 Milliarden Euro.

Opel gehört seit August 2017 zum französischen Autobauer PSA (Peugeot, Citroën, DS). Dessen Chef Carlos Tavares hatte der Opel-Geschäftsführung mächtig Druck und Tempo auferlegt und den Managern um CEO Michael Lohscheller schwere Hausaufgaben gestellt. Innerhalb von 100 Tagen sollte er damals einen Sanierungsplan erstellen, der dafür sorgt, dass Opel nach im vergangenen Jahr 18 Jahren mit Verlusten ab 2020 wieder Gewinn macht. Im Jahr 2026 wollte Tavares sechs Prozent Gewinn vom Umsatz als Marge sehen. Schon damals war klar, dass das nicht ohne Einschnitte gehen würde.

Die Einschnitte kamen schneller und brutaler als in den schlimmsten Albträumen mancher Opelaner. Tavares senkte die Fixkosten um 28 Prozent – in manch einer Besprechung sollen sie bei Opel selbst auf die Kekse verzichtet haben. Bluten müssen vor allem die Mitarbeiter. Zwar erreichten Betriebsrat und IG Metall kürzlich eine umfangreiche Beschäftigungssicherung: bis Mitte 2023 haben die Opelaner jetzt einen Kündigungsschutz. Doch im Gegenzug mussten die Arbeitnehmervertreter zähneknirschend akzeptieren, dass 3700 der ursprünglich 19.000 deutschen Mitarbeiter das Unternehmen freiwillig verlassen dürfen. Sie gehen über verschiedene Abfindungs- und Vorruhestandsprogramme. Folge: PSA-Finanzvorstand Jean-Baptiste de Chatillon konnte jetzt verkünden, dass Opel bereits eine Betriebsmarge von fünf Prozent erreicht habe.

Doch nicht für alle ist das ein Grund zur Freude. Das Opel-Werk Eisenach etwa ist längst nicht ausgelastet. Der Mokka X, der dort gebaut werden sollte, kommt nicht. Stattdessen soll es der Opel-Grandland X richten. Doch das Auto verkauft sich nicht so gut, dass alle Eisenacher künftig ausgelastet sein dürften. Entsprechend sagte Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee jetzt auch, dass die gute Nachricht aus Thüringer Sicht überschattet werde durch die nach wie vor unsichere Zukunft des Eisenacher Werkes. Tiefensee: „Die Forderung bleibt bestehen, entsprechende Zusagen einzulösen und für eine bessere Auslastung des Werkes zu sorgen."

Doch nicht nur in Eisenach bangt man: PSA will, um Synergien zu heben und weitere Kosten zu sparen, alle Autos von Opel bis 2024 auf PSA-Plattformen produzieren. Doch längst nicht alle Fahrzeuge sind bereits umgestellt: Der Insignia, der Astra oder der Zafira etwa dürften neu geplant werden müssen. Ein weiterer Grund, warum die Autos auf eine Plattform von PSA müssen, sind strengere Vorgaben beim Klimagas Co2. Die alten Opel-Plattformen erlauben schlicht keine hybriden Antriebe. Auf beiden Plattformen von PSA hingegen können alle Autos elektrifiziert werden – und so hohe Strafen wegen zu hohem Co2-Ausstoß vermeiden helfen.

Was der Umbau der Autos jedoch für Design und Produktion bedeutet, ist offen. Hier wird PSA hier noch einiges investieren müssen – nicht nur in die Entwicklung der neuen Fahrzeuge, sondern dann auch in die Produktion. Hier gilt die Formel: Neues Auto, andere Fertigung. Und sollte das Design der Autos verändert werden müssen, bleibt zusätzlich die Frage, wie die Kunden darauf reagieren.

Eng wird es auch für das Rüsselsheimer Opel-Entwicklungszentrum. Dort könnten nach Informationen der Arbeitnehmer 4000 der gut 7000 Stellen abwandern. Denn PSA führt Gespräche mit möglichen Partnern und überlegt, einen wesentlichen Teil des Zentrums an einen Dienstleister abzugeben. Bislang ist jedoch nichts entschieden - Tavares betonte aber, dass es seine Verantwortung sei, die Jobs zu erhalten. Doch unter dem Opel-Dach fiele mittelfristig eben leider viel Arbeit weg, weil Aufträge der alten Opel-Mutter General Motors wegfielen. 

PSA-Chef Tavares ist dennoch zuversichtlich, dass der Turnaround nachhaltig sein kann: Wenn man es schaffe, den Fokus auf den Sanierungsplan zu behalten, sagte er in einer Telefonkonferenz, dann hätte Opel „alle Chancen, den Trend fortzusetzen“. Und dann wiederholte er sein Mantra: Allein die Profitabilität schütze ein Unternehmen.

Ganz Unrecht hat er damit zwar nicht. Doch auf die Opelaner dürften neben viel Arbeit noch weitere Einschnitte zukommen.

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