Schlechte Karten für Volkswagen Der Pokerspieler, der VW an die Wand drängt

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„Später war dann nur noch von Affen die Rede“

Das Problem: Melkersen spricht kein Deutsch. Also kopierte er die Texte in Übersetzungsprogramme und wird stutzig. „Ich stieß auf Pläne, die angebliche Unbedenklichkeit der Dieselmotoren per Abgastests zu beweisen. Zunächst an Menschen, später war dann nur noch von Affen die Rede“, erinnert sich der Anwalt. Er kann nicht glauben, was er auf seinem Bildschirm liest. Glaubt an Übersetzungsprobleme.

Um sicher zu gehen, dass er die Dokumente richtig versteht, kontaktiert ein Übersetzungsbüro – und kommt einem Geheimnis auf die Schliche. Während sich Volkswagen in aller Öffentlichkeit schon für sein Vorgehen entschuldigt und von einem Fehlverhalten Einzelner im Unternehmen spricht, arbeitet der Konzern an Tests, die zeigen sollen, dass der neue Diesel, verbaut in einem Beetle, umweltschonender sei als ein Diesel aus einem Ford Pickup-Truck aus den 1990er-Jahren. Einzig: Der Test liefert nicht das gewünschte Ergebnis. Die Studie bleibt unter Verschluss.

„Dem ursprünglichen Betrug mit der Schummelsoftware wurde ein zweiter Betrug, eine pseudo-wissenschaftliche Studie, die geheim gehalten wird, hinzugefügt“, ereifert sich Melkersen. Er will, dass die Versuchsstudie mit den Affen bei dem Prozess Ende Februar diskutiert wird und die Jury vollen Einblick in das Verhalten der Deutschen bekommt. Volkswagen versucht das zu verhindern. Es habe nichts mit der eigentlichen Klage zu tun, argumentieren die Konzernanwälte. „Natürlich gehören die Dinge zusammen“, erwidert Melkersen. Schließlich würden sie zeigen, dass Volkswagen systematisch betrogen habe und seine Entschuldigung nicht ernst meine.

Melkersens Frau Christina, die ihrem Mann assistiert, schaut ins Zimmer und ermahnt ihn, doch nicht so laut zu schimpfen. Die kleine blonde Frau lächelt dabei milde. Es wirkt. Melkersen atmet einmal tief durch, dann fühlt er sich ertappt. „So nachgiebig bin ich vor Gericht nicht“, sagt er. Tatsächlich scheut der Alleinkämpfer weder große Namen noch langwierige Prozesse. Den Pharmakonzernen Eli Lilly und Sandoz rang er schmerzhafte Kompromisse ab, Baukonzern Ray Construction ließ er 13 Jahre keine Ruhe und erkämpfte seinem Vater eine längst zugesprochene Entschädigungszahlung.

„Ich bin zäh. Wenn Volkswagen glaubt, sie könnten den Prozess hinauszögern und mich mürbe machen, muss ich sie enttäuschen. Das haben andere schon versucht“, sagt Melkersen. Die Volkswagen-Anwälte wehren sich bereits. Sie reichten bei Gericht etwa den Antrag ein, den Prozess um ein halbes Jahr zu verschieben. Grund seien die „aufrührerischen“ Kommentare des Anwalts im Fernsehen, die einen fairen Prozess gefährden würden.

Großer Quatsch, erwidert Melkersen. Für ihn sind die Angriffe der VW-Anwälte Zeichen von Angst. Dabei hätten die Rechtsexperten im Dienste des deutschen Autobauers ihm vor Kurzem noch gesagt, wie sehr sie sich auf den Prozess freuen würden.

„Ich habe ihnen damals schon kein Wort geglaubt“, sagt Melkersen. Der langjährige Pokerspieler greift auf einen Vergleich zurück. „Ich kann einen Bluff meilenweit riechen. Und Volkswagen blufft.“ Zu schlecht sei deren Ausgangsposition, als dass sich der Konzern und seine Anwälte wirklich auf einen Prozess freuen würden.

Und so droht Melkersen den Spieß um – und stellt hohe Forderungen. „Am Ende des Tages geht es bei Klagen ums Geld. Der Wert der Entschuldigung machen meine Klienten und ich an der Höhe des Schecks fest“, sagt der Anwalt ohne eine Miene zu verziehen. Demzufolge könne man natürlich über einen Vergleich vorab reden. So hat Volkswagen in der Vergangenheit vergleichbare Prozesse in letzter Minute verhindert, um Präzedenzurteile und eine Lawine zu verhindern.

Melkersen betont aber, weder Druck noch Eile zu verspüren, ein entsprechendes Angebot anzunehmen. „Mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit werden wir uns Ende Februar vor Gericht sehen“, sagt der Provinzanwalt. Drohung – oder ein eigener Bluff, um den Preis hochzutreiben? Schwer zu sagen, bei einem Pokerprofi wie Michael Melkersen.

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