Von „totalem Reinfall“ bis „genau richtig“ - die Ergebnisse des Dieselgipfels Anfang August haben Umweltschützer, Politik und Autobranche ganz unterschiedlich bewertet. Das Umweltbundesamt (UBA) hat nun ausgerechnet, was Software-Updates für eine bessere Abgasreinigung und Umtauschprämien für ältere Diesel bringen. Das Ergebnis: In fast 70 Städten dürfte die Belastung mit gesundheitsschädlichem Stickoxid zu hoch bleiben. Die Schlussfolgerungen von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und der Autobranche liegen weit auseinander.
Um welche Beschlüsse des Dieselgipfels geht es?
Rund 5,3 Millionen neuere Diesel der Abgasnormen Euro 5 und 6 sollen eine neue Software bekommen, so dass die Abgase besser gereinigt werden. Dazu zählen aber auch fast 2,5 Millionen Diesel, die VW sowieso zurückrufen muss. Zudem bieten Autobauer unterschiedlich hohe Prämien für die Besitzer älterer Diesel, die ihr Auto verschrotten lassen und dafür ein neues Modell kaufen.
Die Ergebnisse des Dieselgipfels in Kürze
Insgesamt sollen rund 5,3 Millionen Euro-5- und Euro-6-Diesel durch Updates der Motor-Software sauberer werden: 3,8 Millionen von Volkswagen, über 900.000 von Daimler, über 300.000 von BMW und weitere von Opel. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte aber, dass sich von ausländischen Herstellern nur wenige beteiligten. Bei VW sind knapp 2,5 Millionen Diesel, die schon im Pflicht-Rückruf sind, eingerechnet.
Der Stickoxid-Ausstoß der Fahrzeuge soll so im Schnitt um 25 bis 30 Prozent sinken, sagen die Hersteller - 30 Prozent müssen es sein, sagt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
Die Autobauer versprechen, dass für die Autobesitzer keine Kosten entstehen und die Nachrüstung keinen Einfluss auf Motorleistung, Verbrauch und Lebensdauer haben wird.
Die Hersteller wollen Besitzer älterer Diesel - Euro-4 oder weniger - mit Prämien motivieren, neue Diesel oder E-Autos zu kaufen.
Ein Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ im Umfang von 500 Millionen Euro soll den Stadtverkehr moderner und sauberer machen und individuelle Pläne für die 28 am stärksten betroffenen Regionen in Deutschland finanzieren. Bund und Hersteller zahlen in gleichen Teilen ein.
Förderprogramme werden aufgestockt, um den Umstieg auf E-Mobilität zum Beispiel bei Nutzfahrzeugen und Bussen zu beschleunigen und Rad- und Schienenverkehr voranzubringen - dafür kommt der Bund auf.
Expertenrunden sollen sich weiterhin mit dem Thema Nachrüstungen an den Motor-Bauteilen selbst, der Hardware, befassen.
Was hat das Umweltbundesamt genau ausgerechnet?
Die Experten sind davon ausgegangen, dass Software-Updates den Stickoxid-Ausstoß um 15 bis 25 Prozent senken werden, dass zwischen 3,5 und 5 Millionen Diesel-Besitzer bei den Updates mitmachen und dass jeder vierte ältere Diesel gegen ein neueres Fahrzeug eingetauscht wird. All das sei „optimistisch“, betont UBA-Chefin Maria Krautzberger. Trotzdem dürfte die Stickoxid-Belastung in den betroffenen Städten um höchstens sechs Prozent sinken. Von derzeit rund 90 Städten, in denen der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel gerissen wird, bleiben knapp 70 wohl drüber. In etwa 20 wird die Luft so sauber wie vorgeschrieben.
Bedeutet das, dass es Fahrverbote geben wird - und für wen?
Möglich ist es. Wenn Richter entscheiden, dass die Gesundheit der Bürger über Diesel-Fahrverbote geschützt werden muss, können sie die Kommunen dazu zwingen. Die Deutsche Umwelthilfe, die wegen der Luftwerte klagt, rechnet mit Fahrverboten ab 2018. Auch Hendricks sagt, Fahrverbote seien nicht ausgeschlossen - die Autobauer hätten es aber in der Hand. Übrigens könnten solche Fahrverbote Hendricks zufolge wohl auch ganz neue Euro-6-Diesel treffen. Nur mit der allerneuesten Abgasnorm Euro-6d sei man beim Diesel sicher.
Was fordert die Bundesregierung?
Hendricks fordert von der Autoindustrie, sich nicht weiter gegen Nachrüstungen an Motorbauteilen zu sperren, und über die Umtauschprämie keine Euro-6-Diesel in den Verkehr zu bringen, die im Alltag auf der Straße sehr viel mehr Stickoxid ausstoßen als auf dem Prüfstand. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schließt sich dem vorerst nicht an und lässt seinen Sprecher darauf verweisen, dass die Situation in den Städten ja ganz unterschiedlich sei. In „Masterplänen“ für modernen, flüssigen Verkehr stecke „ein großes Potenzial“. Diese Pläne wurden auf dem Dieselgipfel auch ins Auge gefasst, spielen in der UBA-Rechnung aber keine Rolle.
Wie sieht das die Autobranche?
Der Branchenverband VDA sieht derzeit „keinerlei Anlass für Nachjustierungen“. Die UBA-Berechnungen zeigten ja, dass der Stickoxid-Ausstoß über Software-Updates gesenkt werde. Hardware-Updates dagegen seien „in der Breite technisch nicht umsetzbar“, weil in vielen Fällen gar kein Platz für neue Bauteile sei. Der VDA hat vergangene Woche selbst eine Rechnung präsentiert, nach der Software-Updates, Umstiegsprämien und eine „natürliche“ Bestandserneuerung den Stickoxid-Ausstoß im gesamten Straßenverkehr bis 2019 um 12 bis 14 Prozent senken können.
Wie geht es jetzt weiter?
Beim Dieselgipfel wurden vier Arbeitsgruppen angekündigt, die erste davon tagt am Donnerstag zum Thema „Umstieg öffentlicher Fahrzeugflotten auf emissionsarme Mobilität“. Da geht es etwa um Busse und Taxis. Die anderen Gruppen sollen in den nächsten zwei Wochen mit der Arbeit beginnen. Am 4. September trifft sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Vertretern der betroffenen Kommunen, für die „Masterpläne“ für einen gut vernetzten und möglichst sauberen Verkehr entwickelt werden sollen. Im Herbst - nach der Bundestagswahl - soll es einen zweiten Dieselgipfel geben.