SdK gegen VW-Führung Ein Trauerspiel für die Aktienkultur

Aktionäre der Volkswagen AG haben es momentan nicht leicht. Quelle: AP

Bei der VW-Hauptversammlung wird die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung verweigern. Warum, beschreibt SdK-Vorstand Marc Liebscher in seinem Gastkommentar.

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An diesem Mittwoch findet in Berlin die Hauptversammlung der Volkswagen AG statt. Wieder einmal werden Vorstand und Aufsichtsrat sich Fragen kritischer Aktionäre zu Governance, Rechtstreue und Aktionärskultur bei Deutschlands größtem Automobilkonzern anhören müssen. Aber nicht nur das: Eine Stimmabgabe für die Entlastung der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats von Volkswagen ist nicht mehr vorstellbar, sogar unterstützenswerte Gegenanträge hierzu sind gestellt. Dies ist nicht nur vor dem Hintergrund der angekündigten Geständnisse von Ex-Audi-Chef Stadler und Ex-Porsche-Vorstand Hatz in der Diesel-Affäre zu sehen.

Aktionäre der Volkswagen AG haben es momentan nicht leicht. Der Aktienkurs dümpelt ereignislos vor sich hin und ganz offensichtlich gelingt es dem Vorstand nicht, die Schwierigkeiten in seiner Software-Tochter Cariad in den Griff zu bekommen: Konzern-Chef Blume plant, den Vorstand der Cariad abzusetzen. Die Unternehmenspolitik des vormaligen Vorstandschefs Herbert Diess, mit Cariad eine zentrale Software-Einheit für alle Konzern-Marken aufzubauen, zerplatzt mit einem lauten Knall. Dieser Knall dröhnt besonders laut in den Ohren der Aktionäre. Denn der Aufbau eines funktionierenden Softwaregeschäfts ist das zentrale Zukunftsthema – neben dem Ausbau der E-Mobilität. Und auch dieser kommt nur schleppend voran. 

Das operative Geschäft bietet den Aktionären der Volkswagen AG also schon genug Gründe, sich kritisch mit der Unternehmensleitung auseinanderzusetzen. Doch damit nicht genug. Auch 2022 haben Vorstand und Aufsichtsrat zahlreiche Gründe geliefert, ihnen die Entlastung für das abgelaufene Geschäftsjahr zu verweigern. 

Zur Person

Seit 2016 zieht sich die Weigerung von VW-Vorstand und VW-Aufsichtsrat zur Aufklärung des Dieselskandals wie zäher Kaugummi durch die VW-Hauptversammlungen. Die Verteidigungslinie, dass nur niederes und mittleres Management sich zur Manipulation an den Dieselmotoren entschieden hätten und Vorstand und Aufsichtsrat hiervon erst viel später Kenntnis erlangt hätten, war von Anfang an unglaubwürdig. Diese Verteidigungslinie bricht mit den angekündigten Geständnissen von Ex-Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und Ex-Audi-Chef Rupert Stadler in aller Öffentlichkeit krachend in sich zusammen. Im Strafprozess vor dem Landgericht München II hat Hatz gestanden, Manipulationen in Auftrag gegeben zu haben. Stadler hat ein „vollumfängliches Geständnis“ angekündigt. Es geht um Vorwürfe, dass er es nach dem Auffliegen des Skandals versäumt habe, den Verkauf der manipulierten Autos zu stoppen.

Vermögen der VW-Aktionäre substanziell geschädigt

Vorstand und Aufsichtsrat der Volkswagen AG bleiben hingegen auch 2022 bei ihrer Beschwörungsformel, nichts mit den Manipulationen an Abgaswerten und Dieselmotoren zu tun gehabt zu haben. Leitungs- und Aufsichtsorgan wollen davon erst Kenntnis erlangt haben, kurz bevor Volkswagen die Vorwürfe öffentlich machte. Entsprechend weigerte sich im abgelaufenen Geschäftsjahr der VW-Vorstand, ein Mitverschulden des heutigen VW-Aufsichtsratsvorsitzenden und bis 2015 amtierenden Finanzvorstands Hans Dieter Pötsch wegen mangelhafter Kapitalmarktkommunikation über die Diesel-Affäre aktienrechtlich zu verfolgen. Und der Aufsichtsrat weigert sich, aktienrechtliche Haftungsansprüche gegen frühere Vorstände sachgerecht zu verfolgen und meint fälschlicherweise, die Geltendmachung von Haftungsansprüchen stehe in seinem Ermessen. 

Der Vorstand verhindert sogar aktiv, dass Klarheit geschaffen wird. Kostenträchtig werden Rechtsberater über den Globus geschickt, um Gerichtsverfahren zur Aufklärung abzuwenden und gerichtlich angeordnete Sonderprüfungen zu stoppen. Nicht nur, dass diese „Aufklärungsverhinderung“ inzwischen über drei Milliarden Euro an Kosten allein für Rechtsberater verschlungen hat – diese Maßnahmen dienen vor allem der Verschleierung von Pflichtverletzungen von Aufsichtsrat und Vorstand. Sie sind gegen das Interesse aller Aktionäre gerichtet, endlich Gewissheit über die Verantwortlichen des Dieselskandals zu bekommen.

Aber auch jenseits der Dieselaffäre gibt es massive Aktionärskritik: Vorstandschef Oliver Blume ist nicht nur Vorstandschef der Volkswagen AG, sondern auch Vorstandschef der Porsche AG. Diese Doppelrolle wird nicht nur von angelsächsischen Investoren massiv kritisiert. Denn sie beschwört zahlreiche persönliche Interessenkollision herauf. Beispielhaft dafür ist die Abgabe von Stammaktien der Porsche AG an die familiendominierte Porsche Automobil Holding SE zu einem unangemessen niedrigen Aufgeld von lediglich 7,5 Prozent auf den viel zu niedrigen Emissionspreis der Porsche AG Vorzugsaktien. Damit wurde das Vermögen der Volkswagen AG und letztlich das Vermögen der VW-Aktionäre substanziell geschädigt.

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Es ist zu konstatieren: Deutschlands größter Automobilkonzern liefert bei der Stärkung der Aktienkultur ein Trauerspiel und erweist unserem Kapitalmarkt einen „Bären“-Dienst. Wir werden daher die Mitglieder des VW-Vorstands und des VW-Aufsichtsrats für das abgelaufene Geschäftsjahr 2022 nicht entlasten.

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