Sprinter-Werk in den USA Daimler flüchtet vor der "Chicken Tax"

Mercedes-Benz baut ein Sprinter-Werk in South Carolina Quelle: Daimler

Mercedes-Benz baut ein neues Sprinter-Werk in den USA. Grund für den Transporter "made in USA" sind die steigende Nachfrage vor Ort – und bizarre Steuerregeln, die einst auch VW vertrieben haben.

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Der Sprinter ist fertig gebaut, offiziell für straßentauglich erklärt und bereit für den Verkauf. Doch statt zum nächsten Händler geht es für einige der Transportfahrzeuge in Düsseldorf wieder zurück in die Werkstatt, wo die Kastenwagen in ihre Einzelteile zerlegt werden.

Betroffen sind alle Sprinter, die in die USA verschifft werden. Würde Daimler seinen Verkaufsschlager in die Vereinigten Staaten bringen, müsste der Konzern die Einfuhrsteuer von 25 Prozent zahlen. So hoch werden Nutzfahrzeuge nämlich beim Import besteuert. Für Fahrzeugteile aber werden – wie für Pkw – nur 2,5 Prozent fällig.

Der Steuerwahnsinn ist ein Grund, warum die Deutschen nun rund 500 Millionen US-Dollar in die Hand nehmen, um in Charleston, South Carolina, ein neues Werk zu bauen. Ende Juli fand der Spatenstich statt; noch vor dem Ende des Jahrzehnts soll der erste Sprinter „made in USA“ hier vom Band gehen und für Daimler das mühsame Zurückbauen und Neuzusammensetzen zur Steuervermeidung beenden.

Die bizarren Regeln stammen aus dem Jahr 1963. Damals eroberten US-Landwirte die europäischen Märkte mit Billighühnchen im Sturm. Die Bauern in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich fürchteten um ihre Existenz. Die Folge: Europa schottete sich ab, verhängte Einfuhrstopps und erhöhte die Importzölle.

Die USA protestierten. Als sie nachhaltig nicht gehört wurden, revanchierten sie sich – und legten unter anderem einen Einfuhrzoll von 25 Prozent auf landwirtschaftliche Produkte – wozu neben Kartoffelstärke und Brandy auch leichte Nutzfahrzeuge und Transporter zählten. Die sogenannte „Chicken Tax“, auf Deutsch: Hühnchensteuer, wurde inzwischen zwar größtenteils wieder aufgehoben, nur nicht im Automobilsektor. Was in den 1960er Jahren erfolgreich den VW T2 aus dem Markt drängte, hält unter anderem Volkswagen noch heute davon ab, sein Pick-up-Modell Amarok in die USA zu exportieren.

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Zwar umgeht Daimler – und auch Konkurrenten wie Ford – mit der Zerlegung des Sprinters in Deutschland die 25-Prozent-Steuer. Doch das aufwendige Prozedere lässt die Margen schmelzen. Das ist besonders bitter, weil sich der Transporter überaus gut verkauft und der Absatz konstant auf hohem Niveau steigt. Verkauften die Deutschen 2013 noch 23.000 Sprinter in den Vereinigten Staaten waren es im vergangenen Jahr bereits 28.600. Die USA sind damit der zweitwichtigste Markt nach Deutschland für den Autobauer.

„Der Sprinter hat sich in den USA einen Namen erarbeitet“, sagt Analyst Christopher Hopson vom Branchenbeobachter IHS Automotive. Lange Zeit seien für viele US-Amerikaner Pick-ups alternativlos gewesen. „Inzwischen aber hat ein Sinneswandel stattgefunden.“ Über 40.000 Transporter wurden alleine im Juni in den USA verkauft. Marktführer ist mit weitem Abstand Ford. Doch der Sprinter ist immerhin der erfolgreichste ausländische Van.

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Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler

„Wir haben das Segment der Commercial Vans in den USA belebt und sehen uns in einer starken Position“, sagt Michael Balke, der sich künftig für das Werk in Charleston verantwortlich zeigt. Über Absatzziele will man bei Daimler nicht sprechen. Dass die Deutschen weiteres Wachstum auf dem US-Markt erwarten, ist angesichts der getätigten Investitionen aber klar.

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