Starke Belastungen Volkswagen büßt wegen WLTP Gewinn ein

VW hatte im September einen Einbruch bei den Auslieferungen verbucht – vor allem wegen der Schwierigkeiten rund um den neuen Abgas- und Verbrauchsstandard WLTP. Quelle: dpa

„Dieselgate“, drohende Fahrverbote – lange Zeit verkaufte Volkswagen scheinbar unbeirrt immer mehr Autos. Nun drückt jedoch der neue WLTP-Standard auf VWs Gewinn. Allerdings weniger stark als vielfach erwartet.

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Der weltgrößte Autobauer Volkswagen steht unter Druck: drohende Fahrverbote, Streit um Hardware-Nachrüstungen von Dieselautos, neuer Abgas-Teststandard WLTP. Das wirkt sich auch auf die Zahlen aus. Die Probleme bei der Umstellung auf die strengeren Abgasregeln haben den Gewinn von Volkswagen einbrechen lassen. Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen sei im dritten Quartal binnen Jahresfrist um 18,6 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro gesunken, teilte der Wolfsburger Autokonzern am Dienstag mit. Analysten hatten mit einem geringeren Betriebsgewinn gerechnet. Der Umsatz erhöhte sich leicht auf 55,2 Milliarden Euro und lag damit ebenfalls über den Erwartungen der Experten. Volkswagen war mit der Umstellung auf das neue Abgasmessverfahren WLTP nicht hinterhergekommen und hatte im September einen schmerzhaften Verkaufsrückgang verbucht.

Gleichwohl bekräftigte der Konzern den Ausblick für das laufende Jahr. Demnach peilt der weltgrößte Autobauer eine bereinigte operative Umsatzrendite vor Sondereinflüssen zwischen 6,5 und 7,5 Prozent an. Der Umsatz soll um bis zu fünf Prozent steigen, die Auslieferungen den Vorjahreswert von 10,7 Millionen Fahrzeugen moderat übertreffen. Die Rivalen Daimler und BMW hatten ihre Gewinnziele wegen verschiedener Widrigkeiten dagegen zurückgeschraubt.

An der Börse gewannen die Volkswagen-Papiere trotz des Betriebsgewinn-Einbruchs 3,3 Prozent. Analysten hatten einen noch größeren Rückgang erwartet. Außerdem bekräftigte der Autobauer – anders als die Konkurrenten BMW und Daimler – seine Gesamtjahresziele. Analyst Philippe Houchois von der Investmentbank Jefferies lobte zudem das überraschend starke Abschneiden der Marke Porsche.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen NEFZ und WLTP

Volkswagen war mit der Umstellung auf das europäische Abgasmessverfahren WLTP nicht hinterhergekommen und hatte im September einen Verkaufsrückgang verbucht. Weltweit lieferte Volkswagen im Zeitraum Juli bis September 2,6 Millionen Fahrzeuge aus, 1,5 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Seit Jahresbeginn stiegen die Auslieferungen um 4,2 Prozent auf 8,1 Millionen Fahrzeuge. „Die Entwicklung in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres ist erfreulich“, erklärte Konzernchef Herbert Diess. „Vor uns liegen weiterhin große Herausforderungen, die wir und auch die gesamte Automobilbranche bewältigen müssen.“

Auch im Oktober dürften die Auslieferungen gesunken sein, weil immer noch nicht alle Fahrzeugmodelle und Varianten nach dem neuen Standard testiert sind. Bis zum Jahresende will Volkswagen die Delle allerdings wettmachen. Vor der Umstellung auf den seit September geltenden neuen Messzyklus hatte der Konzern Fahrzeuge, die noch nach dem alten NEFZ-Standard testiert waren, mit Preisabschlägen losgeschlagen. Dadurch war der Absatz in den Monaten vor dem Wechsel stark gestiegen.

Die Turbulenzen durch die Umstellung treffen Volkswagen inmitten des größten Konzernumbaus der Geschichte, der mit hohen Investitionen in den Wandel zu einem Anbieter von Elektroautos, neuen Mobilitätsdiensten und selbstfahrenden Autos verbunden ist. Der Aufsichtsrat soll in seiner Sitzung Mitte November die Vorhaben für die nächsten Jahre festzurren. Zu den wichtigsten Projekten zählt der Einstieg in die Batteriezellenfertigung. Insidern zufolge planen die Wolfsburger eine milliardenschwere Partnerschaft mit dem koreanischen Batteriezellenhersteller SK Innovation. VW muss die Produktion von batteriegetriebenen Autos - wie die anderen Hersteller auch - in den nächsten Jahren deutlich steigern, um die schärferen Klimavorgaben zu erfüllen. Mit der Allianz will der Konzern unabhängiger von Lieferanten aus Asien werden.

Zugleich hat der Konzern weiter alle Hände mit der Aufarbeitung des Dieselskandals zu tun. Auch nach dem Bußgeld von 800 Millionen Euro, das die Staatsanwaltschaft München der VW-Tochter Audi wegen deren Verstrickung in den Abgasbetrug aufgebrummt hat, ist kein Ende Abgasrechnungen in Sicht. Volkswagen muss mit einer Welle von Schadensersatzforderungen rechnen, wenn Anfang November das Gesetz für Sammelklagen von Verbrauchern in Kraft tritt. Damit können sich geschädigte Diesel-Kunden einer Klage von Verbraucherschützern gegen VW anschließen. Vor dem Oberlandesgericht Braunschweig läuft zudem ein Verfahren von Anlegern. Sie werfen Volkswagen vor, sie zu spät über den Abgasskandal informiert zu haben und verlangen ebenfalls Schadensersatz. In dem Musterverfahren geht es um einen Streitwert von vier Milliarden Euro. Insgesamt haben Investoren beim Landgericht Braunschweig Forderungen von rund neun Milliarden Euro angemeldet. Schon jetzt türmen sich die Kosten für die Wiedergutmachung von „Dieselgate“ auf über 28 Milliarden Euro.

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