Starke Zahlen, neue Kontroversen Musk keilt gegen Corona-Maßnahmen

Kein normaler Unternehmenschef: Tesla-CEO Elon Musk Quelle: REUTERS

Obwohl das Stammwerk in Fremont wegen der Coronakrise stillsteht, glänzt Tesla bei den Quartalszahlen und verkündet den nächsten Gewinn. Firmenchef Musk nutzt die Gelegenheit, um neue Kontroversen zu provozieren.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Präsentationen der Tesla-Zahlen sind nicht nur Krimis, sondern auch Action-Thriller. Immer überraschend und stets wird heftig ausgeteilt – abwechselnd gegen Analysten, Journalisten, Spekulanten und Politiker.

Nun war die Bekanntgabe allerdings noch spannender, denn die am Mittwochabend deutscher Zeit veröffentlichten Quartalszahlen zeigen erstmals, wie groß die Covid 19-Auswirkungen bei Tesla sind. Die Autobranche ist wegen ihrer teuren Produkte allgemein schwerer vom Virus getroffen, ganz unabhängig von der Antriebsart.

Am Dienstag erst hatte Ford die Börse geschockt, weil der Autohersteller im laufenden zweiten Quartal einen Verlust von fünf Milliarden Dollar prognostizierte – Analysten hatten nur etwa die Hälfte erwartet. Dass Ford-Papiere nicht ins Bodenlose gestürzt sind, liegt nur daran, dass die Aktie sich schon dort befindet. Der traditionsreiche Veteran hat nur noch einen Börsenwert von 21 Milliarden Dollar. Das hat auch mit viel Skepsis an seinem künftigen Absatz zutun. Die Barreserven des Autobauers liegen derzeit bei 35 Milliarden Dollar.

Bei Tesla ist das wie so oft ganz anders. Die Aktie legt seit Monaten eine Achterbahnfahrt hin, die allerdings in den letzten Wochen meist nach oben ging. Von Jahresanfang bis Ende Februar verdoppelte sie sich auf knapp 800 Dollar und brachte dem Unternehmen einen Börsenwert von fast 150 Milliarden Dollar ein. Bis Mitte März halbierte sich der Wert dann wieder. Wegen ihrer starken Schwankungen ist Tesla zum Liebling der Shortseller und Daytrader geworden. Am Mittwoch stand Tesla zum Börsenschluss wieder bei 800 Dollar, um dann nach Bekanntgabe der Quartalszahlen um fast zehn Prozent auf 875 Dollar hochzuschnellen. Das geschah noch bevor Firmenchef Musk zwei Stunden später in seiner mündlichen Präsentation bekanntgab, dass man den Preis der Einstiegsvariante des Model 3 für den chinesischen Markt ab Donnerstag senken werde.

von Martin Seiwert, Stefan Hajek, Benedikt Becker, Silke Wettach

Dank des niedrigen Preises können chinesische Kunden nun eine Förderprämie in Anspruch nehmen. Das dürfte den Preis der Aktie weiter beflügeln, zumal laut Finanzchef Zach Kirkhorn die Produktionskosten für das in Shanghai gefertigte Model 3 bereits jetzt geringer sind als im Stammwerk in Fremont. „Und wir haben noch nicht alles ausgeschöpft“, legte Kirkhorn nach.

Obwohl Tesla bewusst auf eine Prognose für das laufende zweite Quartal und das Gesamtjahr verzichtete, kamen die Zahlen des ersten Quartals gut bei Anlegern an. Die meisten Analysten hatten nämlich auf einen Verlust spekuliert. Auch weil das erste Quartal generell schwierig für Autoverkäufe ist.

Stattdessen gelang zum dritten Mal in Folge ein Quartalsgewinn, auch wenn dieser mit 16 Millionen Dollar bescheiden ausfällt. Der Umsatz ist zwar seit dem Sommer 2019 rückläufig, liegt jedoch mit knapp 6 Milliarden Dollar ein Drittel über dem ersten Quartal vergangenen Jahres.

Die Barreserven sind mit 8,1 Milliarden Dollar auf einem neuen Rekordstand. Das liegt allerdings daran, dass Musk entgegen öffentlicher Äußerungen frisches Kapital von 2,3 Milliarden Dollar eingeworben hatte. Dies geschah noch vor der Coronakrise und hilft Tesla jetzt, den im ersten Quartal negativen Cash Flow von rund 900 Milliarden Dollar zu verkraften.

Der ist laut Unternehmen den Investitionen in die Produktionslinien für den neuen SUV Model Y geschuldet sowie dem wachsenden Fahrzeugbestand. Immerhin 14.000 der im ersten Quartal produzierten Fahrzeuge wurden noch nicht ausgeliefert.

Dass Tesla in den ersten drei Monaten des Jahres bei Produktion und Auslieferung seiner Fahrzeuge das beste erste Quartal seiner Geschichte gelang, ist bereits seit Anfang April bekannt. 88.400 Teslas fanden neue Besitzer, 40 Prozent mehr als im ersten Quartal des Vorjahres. Und das obwohl Tesla-Käufer in den USA seit Jahresanfang keinen Steuerzuschuss mehr erhalten.

Mehr noch: Die Bruttomarge für Tesla Fahrzeuge kletterte im ersten Quartal auf 25,5 Prozent, im ersten Quartal des Vorjahres lag sie nur bei 20,2 Prozent.

Produktionszahlen für den neuen Hoffnungsträger Model Y, ein auf dem Model 3 basierendes SUV, nannte Tesla nicht. Es wird seit März ausgeliefert. Zumindest die Exemplare, die vor dem Stilllegen des Stammwerkes gefertigt werden konnten. Allerdings soll das Model Y laut Tesla bereits vom Start weg positive Margen haben – ein Novum für eine Fahrzeugpremiere. Das gelingt auch, weil die Fertigung extrem vereinfacht wurde. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel: Für den rückwertigen Fahrzeugboden werden beim Tesla 3 noch 70 Metallteile verbaut. Beim Model Y sind es nur noch zwei. In diesem Jahr soll dann ein weiteres Teil wegfallen. Und so nur ein einziges Bauteil übrigbleiben. „Das senkt Gewicht und Kosten“, sagt Musk. Er lobt außerdem die völlig neu entwickelte Wärmepumpe des Model Y. „Der Wagen hat so mehr Reichweite als das Model 3, obwohl er größer und schwerer ist.“

Im Werk in Shanghai, das im Januar wegen Covid-19 kurzzeitig stillgelegt wurde, läuft die Produktion wieder und soll in diesem Jahr die angepeilte Fertigungsquote von 200.000 Fahrzeugen schaffen. Auch die neue Fabrik in Berlin-Brandenburg liegt im Plan. Mit dem Bau solle demnächst begonnen werden, um im nächsten Jahr Model 3 und Model Y zu fertigen.

Das Stammwerk im Silicon Valley allerdings ist seit Mitte März stillgelegt. Behörden mussten damals intervenieren, weil Firmenchef Musk die drastische Maßnahme nicht einsah. Mit einem schnellen Hochfahren ist nicht zu rechnen, die Bezirke in und um das Silicon Valley haben die Ausgangsbeschränkungen bis Ende Mai verlängert.

Musk ist eben kein normaler Firmenchef

„Gib den Leuten ihre Freiheit zurück“, twitterte Musk noch vor Verkünden der Zahlen und feuerte die kontroverse Debatte um Ausgangsbeschränkungen weiter an. Er legte mit einem raren Lob für Texas nach. Der Ölstaat hatte Tesla in den vergangenen Jahren regelmäßig Steine in den Weg beim Verkauf von Teslas Elektrolimousinen gelegt. „Bravo, Texas“, jubelt Musk nun, weil Gouverneur Greg Abbott gerade beim Hochfahren der Wirtschaft vorprescht.

Was gerade in Amerika geschehe, setzte Musk hörbar emotional bei der Vorlage der Quartalszahlen fort, „werde dem Land sehr schaden.“ Was gerade geschehe, sei nicht im Einklang mit den Gründen, „warum Leute nach Amerika gekommen sind.“ Musk selbst ist Südafrikaner, siedelte Ende der 1980er erst nach Kanada, dem Geburtsland seiner Mutter über, um dann Mitte der 1990er sein erstes Unternehmen im Silicon Valley zu starten.

Die Einschränkung der Freiheit gehe zu weit. Wenn Menschen ihr Haus nicht verlassen wollen, sei das okay, so Musk. Allerdings nicht, wenn das verboten und ihnen mit Arrest gedroht werde. „Das ist faschistisch, das ist nicht demokratisch.“ Da in den USA die derzeitigen Ausgangssperren den jeweiligen Landesregierungen unterliegen, greift Musk damit den Gouverneur seiner Wahlheimat Kalifornien an, ohne ihn direkt beim Namen zu nennen.

Solche Aussagen beweisen, dass Musk kein normaler Unternehmenschef ist und Kontroversen nicht aus dem Weg geht, sondern sie sogar provoziert. Es wird nicht nur eine Debatte über den Faschismus-Begriff auslösen, sondern auch Tesla schaden. Zufall oder nicht: Kurz nach seinem Ausbruch brach der Konferenzcall für mehrere Minuten zusammen.

Doch der Tesla-Chef ging noch weiter: So regte er ein großes Infrastrukturprogramm an. Der Zustand vieler Straßen und Flughäfen sei nur „peinlich“. Musk hatte für dieses Jahr angepeilt, eine halbe Million Fahrzeuge zu verkaufen. Ob diese tatsächlich einen Käufer finden, steht in den Sternen. Die Kapazität dafür, so bekräftigte er, sei jedoch vorhanden. Im nächsten Jahr soll die Zahl auf eine Million Fahrzeuge verdoppelt werden.

Die Priorität liegt nun eindeutig auf Personenkraftwagen. Die Auslieferung des Sattelzuges Tesla Semi ist auf das nächste Jahr verschoben und liegt damit nun zwei Jahre hinter Plan.

Keine Frage, Teslas Historie ist eine Kette von ständigen Herausforderungen. Das laufende zweite Quartal, mit dem geschlossenen Stammwerk, ist allerdings ein neuer Höhepunkt.

Doch die gesamte Autobranche ist von Covid-19 und der Rezession betroffen. Tesla könnte davon profitieren, wenn sich die Herausforderer mit ihren Elektromodellen jetzt noch mehr Zeit lassen. Zumal der sinkende Benzinpreis die Nachfrage drückt.

Ob Regierungen angesichts der schweren wirtschaftlichen Probleme und Mehrausgaben zum Stützen der Wirtschaft und Gesellschaft sich weiterhin Elektroautoprämien leisten können, ist jedoch fraglich. Zudem könnten viele der lukrativen Gutschriften, die Tesla für den Verkauf seiner emissionsfreien Autos von anderen Herstellern erhält, wegfallen. Im ersten Quartal 2020 waren das immerhin 354 Millionen Dollar, nach 216 Millionen Dollar in den ersten drei Monaten 2019. Weniger dieser Gutschriften wegen allgemein zähem Autoverkauf, gekoppelt mit einbrechender Nachfrage nach Elektroautos aufgrund sinkender Benzinpreise, warnt Alyssa Altman, Analystin des Beratungshauses Beratungshaus Publicis Sapient, könnten zu „einem jähen Ende von Teslas Erfolgssträhne führen.“ Doch das ist schon oft prognostiziert worden.

Musk ist wie immer optimistisch. „Während andere Unternehmen ihre Investitionen senken, machen wir das Gegenteil.“ In „spätestens drei Monaten, vielleicht schon im nächsten Monat“ will er den Bau der nächsten großen Fabrik bekanntgeben, diesmal in den USA. Sie soll den Cybertruck fertigen und das lukrativste Fahrzeugsegment der USA aufmischen.

Teslas Fortschritte bei Fahrassistenzsystemen gehen derweil voran. Seit kurzem können Teslas mit dem aktuellsten Fahrcomputer auch Verkehrsschilder und Ampeln erkennen und darauf reagieren. Noch in diesem Jahr, kündigte Musk an, werde man das automatische Fahren auch als Abo anbieten. „Wir glauben jedoch weiterhin, dass der Kauf dieser Funktion finanziell sinnvoll ist, weil sie den Wert des Wagens steigert“, versicherte Finanzchef Kirkhorn eilig. Momentan kostet das Upgrade mindestens 4000 Dollar.

„Tesla ist eine der wertvollsten Automarken“, meint Karl Brauer, Verleger des Kelley Blue Books, dem US-Pendant der Schwacke Liste. Die Loyalität seiner Kunden, für die Tesla berühmt ist, so Brauer, werde in der Krise sehr helfen.

Hedgefonds-Spekulanten wie David Einhorn, die seit Jahren einen Bankrott von Tesla vorhersagen und meinen, dass mit der Buchhaltung etwas nicht stimme, dürften weiter warten. Covid-19 wird Autobauer in die Knie zwingen, aber Tesla wird wohl nicht darunter sein.

Mehr zum Thema

Verbrenner mit E-Antrieb sind die nächste Abgasschummelei made in Germany: Auf dem Papier sind die Plug-in-Hybride sauber, nicht aber auf der Straße. Und ausgerechnet diese Technik wollen die Freunde einer neuen Abwrackprämie mit Milliarden fördern. Lesen Sie die neue Titelgeschichte der WirtschaftsWoche hier.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%