Der nächste Bahnhof ist fünf Kilometer entfernt, der Bus fährt maximal stündlich. Breitnau liegt abseits der Hauptverkehrsstraßen in einem idyllischen Tal im Hochschwarzwald. Ein perfektes Nutzungsszenario für zusätzliche Mobilitätsangebote wie Carsharing – dachte man sich beim örtlichen Tourismusverband.
Doch das Mobilfunknetz, mit dessen Hilfe die Buchungen auf das Auto gespielt werden sollten, ist in Breitnau nicht zuverlässig: „Es gab Schwankungen, nur bei gutem Wetter ging es“, sagt Ulrike Brodscholl, die das Carsharing-Projekt bei Hochschwarzwald Tourismus aufgebaut hat. Aktuell steht auf der Webseite: „Auto derzeit nicht buchbar.“ Die Ladesäule in Breitnau ist verwaist.
Funklöcher sind nur ein Hindernis, das Carsharing auf dem Land schwierig gestaltet. Werden E-Autos eingesetzt wie im Schwarzwald, muss Ladeinfrastruktur im Gegensatz zu größeren Städten erst noch aufgebaut werden. Außerdem ist ein Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr wichtig. Das größte Hindernis ist die Auslastung: „Erst bei 20 bis 30 potenziellen Nutzern pro Auto lohnt es sich wirtschaftlich“, erklärt ein Sprecher des Carsharing-Verbands. Grundsätzlich lohne in der Fläche nur die stationsgebundene Variante.
Car2go und DriveNow lohnen sich nur in wenigen Großstädten
Trotzdem wächst das Angebot auch in kleinen Gemeinden: In 521 deutschen Städten gibt es laut Bundesverband Carsharing-Angebote, um Autos zu teilen. Immerhin 384 haben weniger als 50.000 Einwohner.
Wie sich Carsharing auf die Nutzung anderer Verkehrsmittel auswirkt
29 Prozent der Carsharing-Nutzer fahren seltenere mit einem Mietwagen als früher.
Quelle: Berylls Strategy Advisors, MM Customer Strategy
28 Prozent der Carsharing-Nutzer fahren seltener mit dem Taxi als zuvor.
Den Regionalzug benutzen 22 Prozent der Carsharing-Nutzer seltener.
15 Prozent der Nutzer von Carsharing-Angeboten fahren seltener mit Bus und Straßenbahn.
15 Prozent der Carsharing-Nutzer benutzen seltener das eigene Auto
Seltener mit dem Fernzug fahren zwölf Prozent der Carsharing-Nutzer
Dafür fahren drei Prozent der Carsharing-Nutzer öfter mit dem Fahrrad.
Quelle: Berylls Strategy Advisors, MM Customer Strategy
Größere Anbieter mit sogenannten Freefloating-Angeboten, bei denen die Autos nicht an einem bestimmten Ort abgestellt werden müssen, ziehen sich inzwischen allerdings sogar aus Randgebieten von Großstädten zurück. Man stelle die Autos dort zur Verfügung, wo sie gebraucht würden, begründet ein Sprecher des zum Daimler-Konzern gehörenden Carsharing-Anbieters Car2Go die Ausdünnung. In Innenstadtbereichen würden die Autos acht bis zehn Mal pro Tag gemietet, in Randbereichen zwei bis drei Mal. Daimler hat sich aus diesem Grund auch aus seiner ersten Car2go-Stadt Ulm zurückgezogen.
Die Deutsche Bahn setzt bei ihrem Carsharing-Angebot Flinkster in der Fläche einem Bahnsprecher zufolge auf regionale Kooperationspartner, wenn sich der eigene Einsatz nicht rentiert. Der Geschäftsführer des Carsharing-Verbands, Willi Loose, stellt fest, dass auch andere aktiv werden. Carsharing-Angebote wie Stadtmobil in Stuttgart weiteten ihr Angebot in die Peripherie aus, teilweise mit Hilfe von ehrenamtlichen Vereinen, Autohäuser böten Carsharing zusätzlich zu ihrem Angebot an. Energiegenossenschaften engagierten sich, wenn es darum gehe, Carsharing-Angebote mit E-Autos aufzubauen.
Die Carsharing-Angebote im Überblick
Zahl der Fahrzeuge: mehr als 3100
Verbreitung: 140 Städte
Fahrzeugtypen: viele
Carsharing-Typ: stationär
Kosten pro km: 18–20 Cent
Sonstige Kosten: 1500 Euro Selbstbeteiligung, bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: 2000
Verbreitung: 100 Städte
Fahrzeugtypen: 25 verschiedene
Carsharing-Typ: stationär
Kosten pro km: ab 18 Cent
Sonstige Kosten: regional verschieden
Zahl der Fahrzeuge: mehr als 1.500 (herstellerübergreifend)
Verbreitung: deutschalndweit
Fahrzeugtypen: verschieden
Carsharing-Typ: Peer-to-Peer
Kosten pro km: Tagespauschale
Sonstige Kosten: keine Angabe
Zahl der Fahrzeuge: 800
Verbreitung: Berlin, Hamburg, München, Frankfurt am Main, Gelsenkirchen, Bochum, Essen, Dortmund, Herten, Recklinghausen, Bottrop
Fahrzeugtypen: Kia Rio, Toyota Yaris
Carsharing-Typ: stationär
Kosten pro km: ab 22 Cent
Sonstige Kosten: 1000 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall - kann aber auf Null Euro reduziert werden, wenn man pro Stunde 75 Cent zusätzlich zahlt oder maximal 7,50 Euro am Tag.
Zahl der Fahrzeuge: 3500
Verbreitung: Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Düsseldorf, Köln, Ulm, Frankfurt
Fahrzeugtypen: Smart, Smart e-Drive
Carsharing-Typ: flexibel
Kosten pro km: 29 Cent pro Minute
Sonstige Kosten: 500 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: 2950
Verbreitung: München, Berlin, Köln, Düsseldorf, Hamburg, Wien, San Francisco
Fahrzeugtypen: BMW 1er, BMW X1, BMW ActiveE, MINI, MINI Cabrio, MINI Clubman, MINI Countryman
Carsharing-Typ: flexibel
Kosten pro km: ab 24 Cent pro Minute
Sonstige Kosten: 750 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: 350
Verbreitung: Berlin
Fahrzeugtypen: Citroen C-zero (elektro)
Carsharing-Typ: flexibel
Kosten pro km: 28 Cent
Sonstige Kosten: 500 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: 280
Verbreitung: 21 Städte
Fahrzeugtypen: Kompaktklasse, Vans
Carsharing-Typ: stationär
Kosten pro km: 10 Cent plus Benzin
Sonstige Kosten: 1000 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: 200
Verbreitung: Hannover
Fahrzeugtypen: VW Golf
Carsharing-Typ: stationär
Kosten pro km: 20 Cent
Sonstige Kosten: 100 Euro Selbstbeteiligung bei Unfall, Reduktion gegen Aufpreis möglich
Zahl der Fahrzeuge: keine Angabe
Verbreitung: deutschlandweit
Fahrzeugtypen: alle Peugeot-Modelle
Carsharing-Typ: bei Händlern
Kosten pro km: ab 33 Cent
Sonstige Kosten: keine Angaben
Diese Projekte werden im Zuge der Energiewende gefördert. Das Angebot im Hochschwarzwald ist aus einem solchen Ideenwettbewerb hervorgegangen und wurde vom Land Baden-Württemberg bezuschusst. BMW stellte über seine Tochter AlphaCity 25 Elektro-BMW zur Verfügung. Ein örtlicher Energiedienstleister versorgt die Ladesäulen mit Strom. Doch trotz dieser Starthilfen läuft nicht alles rund. Die Funklöcher sind nur ein Problem, das gelöst werden muss. So machen Kunden Fehler bei der Bedienung, so dass die Autos nicht geladen werden. Der nächste Nutzer läuft Gefahr, ein Fahrzeug mit leerer Batterie vorzufinden. Das will man nun ändern, indem eine Abmeldung am Auto erst möglich ist, wenn es lädt.
Luxus-Probleme, von denen der Verein Auto-Teiler in Vaterstetten im Speckgürtel von München nur träumen kann. Vor 23 Jahren hat Klaus Breindl den Verein mit Mitstreitern ins Leben gerufen. Inzwischen teilen sich gut 300 Nutzer 21 Autos. Funklöcher sind für ihn kein Problem. Die teure Bordelektronik, die für entsprechende Buchungen an E-Autos notwendig ist, kann sich der Verein ohnehin nicht leisten. Er arbeitet analog: Mit stationären Schlüsseltresoren an den Stellplätzen.
Breindl sieht drei Hindernisse für Carsharing auf dem Land. Die Notwendigkeit, auf dem Land ein eigenes Auto zur Verfügung zu haben, die Aufgeschlossenheit der Menschen für Carsharing und nicht zuletzt die Erreichbarkeit der Stellplätze. Maximal einen Kilometer vom Wohnort, so seine Erfahrung, darf das Auto stehen. Breindl ist zwar überzeugt, dass die Nachfrage und damit auch die Angebote auf dem Land weiter wachsen. „Auf lange Sicht wird sich Carsharing außerhalb der Ballungsräume aber nur auf ehrenamtlicher Basis lohnen.“