SUV boomen Wie sich Chinas Automarkt wandelt

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Vier Faktoren für den Erfolg

Ist also etwa Volkswagen der große Wurf gelungen, wenn die Wolfsburger in wenigen Monaten das C-SUV T-Roc – im Vergleich zur Europa-Version um einige Zentimeter gestreckt – und etwas später das B-SUV T-Cross auf den Markt bringen? Laut der Studie müsste die Antwort ein klares „Jein“ sein. Ja, kleinere, aber hochwertige SUV legen derzeit kräftig zu. Noch stärker aber wachsen die chinesischen Marken bei den Einsteiger-SUV, die zwischen 50.000 und 100.000 Yuan (6500 bis 13.000 Euro) kosten – sie machen in diesen Segmenten 89 Prozent des Marktes aus.

Hat der Golf als VW-Bestseller ausgedient?
Es ist lange her, da gab es bei VW schon einmal ein Golf-SUV. Noch bevor man es überhaupt SUV nannte. Vor rund 25 Jahren erschien der Golf Country – ein aufgebockter Golf II mit Allradantrieb: die rustikale Lösung. 2017 zeigen die Wolfsburger wieder einen SUV auf Basis des Golf. Dieses Mal handelt es sich um die feine Lösung. Quelle: Volkswagen
Der T-Roc will anders sein als ein Golf. Das sieht man ihm auch an: Während der aktuelle VW-Bestseller unauffällig und vielleicht etwas bieder daherkommt, bietet der T-Roc ein schickes und zeitgemäßes Design. Für ein SUV wirkt er sogar recht dynamisch. Quelle: Volkswagen
An der Front stechen die ungewöhnlichen LED-Leuchten hervor, die man bei VW in dieser Form noch nicht gesehen hat. Auffällig, aber nicht aufdringlich. Der Kühlergrill, der nahtlos in die Scheinwerfer übergeht, ähnelt aber dem anderer aktueller VW-Modelle.
Auffällig, aber nicht aufdringlich ist der Wagen insgesamt. Da ist etwa das farblich abgesetzte Dach zu nennen, das fast an einen Mini erinnert. Oder die angeschärfte und nach vorne gepfeilte C-Säule. Frisch und modern sieht das aus, für Volkswagen gerade zu schon mutig. Quelle: Volkswagen
Mit einer Länge von 4,23 Metern ist der T-Roc etwas kürzer als ein Golf (4,26 Meter). Auch zum Tiguan hält er seinen Respekts-Abstand (4,49 Meter). Der Radstand ist mit 2,60 Meter ebenfalls drei Zentimeter kürzer als beim Golf, dennoch finden fünf Erwachsene im T-Roc bequem Platz – auf längeren Strecken aber besser nur zu viert. Quelle: Volkswagen
In einem anderen Punkt überbietet der T-Roc den Golf jedoch: beim Laderaum. Der Kofferraum fasst in dem neuen SUV zwischen 445 und 1290 Liter. Beim Golf sind es nur 380-1270 Liter. Quelle: Volkswagen
„Der T-Roc setzt einen neuen Maßstab im boomenden SUV-Segment“, sagt Volkswagen-Markenvorstand Herbert Diess. „Unsere SUV-Offensive gewinnt durch ihn weiter an Dynamik.“ Quelle: Volkswagen

Darüber hinaus gibt es vier Faktoren zu bedenken, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden werden:

  • Die Elektromobilität wird wichtiger, in China wohl schneller als in Europa. Die chinesischen Autobauer produzieren bereits heute 23 Prozent ihrer Fahrzeuge mit Elektroantrieb (fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr). Im Falle unseres Beispiels sind aber weder der T-Roc noch der T-Cross für E-Antriebe vorbereitet.
  • Die Markenloyalität nimmt ab: Sie lag in China schon länger unterhalb des internationalen Durchschnitts. Bei McKinsey gaben aber nur 12 Prozent der Autokäufer an, beim nächsten Autokauf ihrer Marke treu zu bleiben – ein weiterer Rückgang um sieben Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Premiummarken schneiden hier nur unwesentlich besser ab.
  • Die Ansprüche an Connectivity-Lösungen steigen. Ein Drittel der befragten Kunden in China sagte, dass eine In-Car-Connectivity entscheidend sei – in Deutschland sagt das nicht einmal jeder fünfte Kunde. Die Zahlungsbereitschaft für die Vernetzung ist in China aber deutlich geringer als in Deutschland – sie wird einfach als Standard gesehen.
  • Das Auto verliert auch in China seine Bedeutung als Statussymbol. 52 Prozent der Befragten gab ein, sich ein Leben ohne eigenes Auto vorstellen zu können. 38 Prozent würden ihr Auto abgeben, wenn sie dafür im Gegenzug kostenlose Mobilitätsangebote nutzen könnten. Zudem sind die Chinesen deutlich optimistischer bei autonomen Autos (sie kommen für über 60 Prozent infrage, aber nur 31 Prozent in Deutschland).

Abgesehen von der Markenloyalität, die in China historisch anders gewachsen ist als im Auto-Land Deutschland, sind das alles Themen, die VW, Daimler und Co auch in Deutschland umtreiben – wenn auch in leicht anderen Ausprägungen. Doch in China wird der Wandel sehr wahrscheinlich schneller vollzogen als in Deutschland. Und damit das angestammte Geschäftsmodell, das heute noch für prächtige Gewinne taugt, schneller aussortiert werden müssen.

Fahrzeugproduktion und -absatz in China seit 2008

„China wird in absehbarer Zeit ein Must-Win-Markt für Automarken bleiben“, bilanzieren die Studienautoren. „Da die chinesischen Konsumenten weiterhin anspruchsvoller werden, müssen Autohersteller ihre Erfolgsformeln neu erfinden, um sie zu überraschen und zu erfreuen.“ Das bedeute, hochmoderne Konnektivitätsoptionen zu liefern, digitale Innovationen zu verfolgen, Elektrofahrzeuge anzubieten und im aufsteigenden Gebrauchtwagenmarkt grundlegende Schritte einzuleiten. „Mit zunehmender Konkurrenz von chinesischen Marken, digitalen Playern und Mobilitätsfirmen, kann es sich kein traditioneller Autokonzern leisten, die umfangreichen Maßnahmen, die sie heute nehmen sollten, abzulehnen“, so die Studienautoren. „Das gestrige "leichte" Wachstum in China ist eine Erinnerung – der Erfolg von morgen erfordert einen anderen Einsatz von Fähigkeiten und Ideen.“

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