Tesla-Chef in der Kritik Hat Elon Musk den Bogen überspannt?

Tesla-Chef Elon Musk, normalerweise als Visionär gefeiert, erlebt einen ungemütlichen Sommer: Der Tech-Milliardär steht unter Druck – die Zweifel nach Unfällen und Untersuchungen wachsen. Jetzt soll ein Masterplan her.

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Tesla-Chef Elon Musk Quelle: REUTERS

Einem Superstar des Silicon Valley bläst der Gegenwind ins Gesicht: Tesla-Chef Elon Musk steht nach einem tödlichen Unfall mit dem Fahrassistenten „Autopilot“, einem gewagten Übernahmeplan und einem umstrittenen Aktienverkauf in der Kritik wie selten zuvor. Der schillernde Tech-Unternehmer reagiert dünnhäutig und kündigt kryptisch einen „geheimen Masterplan“ an.

„Gerichtsverfahren könnten irgendwann entscheiden, ob Tesla und Musk relevante Fakten zurückgehalten haben, als sie im Mai Aktien verkauften“, schrieb die bekannte „Fortune“-Journalistin Carol Loomis in der vergangenen Woche. Daraufhin platzte Musk der Kragen. Der Artikel sei „BS“ (Abkürzung für „Bullshit“), mit dem das Magazin Kasse machen wolle, twitterte der Tesla-Chef.

Die Angelegenheit könnte aber durchaus einige Brisanz bergen. Es geht um die Frage, ob das Unternehmen seine Investoren früher über den Unfall hätte informieren müssen, bei dem bereits am 7. Mai ein Tesla-Fahrer ums Leben gekommen war. Das Besondere an dem Crash ist, dass der computergesteuerte Fahrassistent eingeschaltet war.


Der Fall löste eine breite Diskussionen um den sogenannten „Autopiloten“ aus. Experten trauen Technik grundsätzlich zu, Menschen irgendwann weitgehend als Fahrer ersetzen zu können – noch sind die komplett selbstfahrenden Autos allerdings Testwagen.

Tesla war im vergangenen Jahr mit seinem Fahrassistenz-System vorangeprescht. Es schien ein großer Erfolg, bis einige Unfälle bekanntwurden, allen voran der Crash mit Todesfolge. Nun ermittelt die US-Verkehrsbehörde NHTSA, die nun alle möglichen Informationen zum „Autopilot“-System anforderte. Und einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge geht zudem die Börsenaufsicht SEC der Frage nach, ob Anleger rechtzeitig informiert wurden.

Besonders umstritten ist vor diesem Hintergrund, dass Tesla am 18. Mai neue Aktien im Wert von 1,4 Milliarden Dollar verkauft hatte. Hat die Firma ihren Anleger dabei etwas verschwiegen? Tesla verteidigt sich – die Untersuchung des Unfalls habe zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung erst begonnen, die Log-Daten des Crash-Fahrzeugs seien noch nicht ausgewertet gewesen. Zudem habe der Aktienkurs gar nicht unter dem Unfall gelitten.

Das Thema bleibt jedoch kontrovers. Und bis zum Ende der Untersuchungen abschalten will Tesla das System auch nicht. Den Fahrern solle in einem Blogeintrag aber besser erklärt werden, wie es funktioniere und wie sie sich dabei verhalten sollten, sagte Musk dem „Wall Street Journal“. „Viele Leute verstehen nicht, was es ist und wie man es einschaltet.“ Tesla habe das System so schnell wie möglich auf den Markt bringen wollen, „weil wir wussten, dass es unterm Strich Leben retten wird“, erklärte der Tech-Milliardär.

Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens

„Tesla hat sich mit vielen Innovationen rund um autonomes Fahren weit nach vorne gewagt, ist dabei aber auch nicht unerhebliche Risiken eingegangen“, sagt Experte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM). Mit dem Fahrerassistenzsystem seien bei den Kunden hohe Erwartungen geschürt worden - vielleicht zu hohe. Musk selber betonte im „Wall Street Journal“, Tesla haben keine Pläne, das „Autopilot“-System abzustellen - weil es „unterm Strich“ Leben rette.

„Schlimmstes Beispiel für Unternehmensführung“

Auch wenn noch nicht absehbar ist, ob „Autopilot“ zu einem größeren Problem wird: Für Musk kommt er zur Unzeit. Der 45-Jährige, der neben Tesla unter anderem auch noch die Weltraumfirma SpaceX führt, erlebt ohnehin schon einen stressigen Sommer. Im Mai kündigte Musk an, mit Tesla den angeschlagenen Ökostrom-Spezialisten SolarCity übernehmen zu wollen - bei dem zwei Cousins involviert sind und er selbst größter Anteilseigner ist.

Die Tesla-Chronik

Kritiker witterten Vetternwirtschaft. Der Großinvestor Jim Chanos bezeichnete den geplanten Deal als „schlimmstes Beispiel für schamlose Unternehmensführung“. Dass Chanos von Musk nicht viel hält, war zwar bekannt, der Hedgefonds-Manager wettet auf einen Kursverfall der Tesla-Aktie. Doch auch Experten, die eigentlich wohlgesonnen sind, äußerten sich skeptisch. Musk sei zwar ein Genie, doch „seine Magie zieht nicht mehr“, kommentierte Ryan McQueeney vom Analysehaus Zacks Investment Research.

Fest steht: Die Diskussionen um „Autopilot“ und die umstrittene SolarCity-Übernahme könnte Musk gelassener sehen, wenn wenigstens die Geschäfte bei Tesla gut laufen würden. Doch im zweiten Quartal enttäuschte der Absatz - weil die Produktion erst zum Ende des Vierteljahrs hochgefahren worden sei und mehr Wagen als sonst noch auf dem Weg zu Kunden stecken, erklärte Tesla. Der Druck ist groß: Ende Juli will die Firma in Nevada eine gigantische Batteriefabrik einweihen, weitere negative Schlagzeilen kann man nicht gebrauchen.

Das ist das Model X
Türen auf: Beim Genfer Autosalon stellt Tesla sein Model X in Europa vor. Bald sollen die elektrischen SUV auch auf deutschen Straßen fahren.  Quelle: REUTERS
Das Model X kommt in drei Leistungsvarianten: mit 70 Kw sowie mit 90 Kw als 90D und P90D. Alle Fahrzeuge haben elektrischen Allradantrieb. Das Gewicht liegt bei 2,5 Tonnen. Kosten sollen die Fahrzeuge zwischen 93.000 und 131.000 Euro. Weltweit liegen über 30.000 Vorbestellungen vor. Quelle: dpa
Das Model X beschleunigt von 0 auf 100 in 3,4 Sekunden und ist damit laut Tesla der schnellste SUV, der aktuell zu haben ist. Weitere Superlative: 1. Der beste Luftwiderstandswert mit nur 0,24 cw. 2. Die größte Windschutzscheibe. Sie zieht sich bis über die Köpfe von Fahrer und Beifahrer. 3. Flügeltüren, die nur 30 cm benötigen, um sich nach oben zu schwingen. Quelle: dpa
Das Model X hat Platz für sieben Insassen. Die erste Sitzreihe lässt sich elektrisch auf Knopfdruck nach vorne schieben, um das Einsteigen zu erleichtern. Das geht für jeden Sitz einzeln. Quelle: AP
Die Fahrertür des Tesla öffnet automatisch, wenn sich der Schlüssel in Reichweite seines Funksignals befindet. Die Tür schließt sich automatisch, wenn der Fahrer die Bremse antippt. Quelle: REUTERS
Der Akku ist im Fahrzeugboden des Model X eingelassen und der Motor nimmt weniger Platz weg als ein Verbrenner. Das bringt mehr Stau-Raum. Unter der Haube vorne ist Platz für einen mittelgroßen Koffer. Der hintere Kofferraum ist nicht sehr breit, aber dafür tief. Klappt man die hintere Sitzreihe um, entsteht insgesamt ein Stauraum von 2180 Litern. Quelle: dpa
Neu auf Wunsch vieler Tesla-Fahrer: Eine Sitzkühlung für heiße Sommertage sowie Ablagen in der Mittelkonsole, inklusive Becherhalter. Quelle: AP

Musk ging am Wochenende bereits in die Gegenoffensive. Er arbeite an einem „Top Secret Tesla Masterplan Part 2“ und hoffe, diesen noch in dieser Woche veröffentlichen zu können, teilte Musk nebulös bei Twitter mit. Nun rätseln Anleger und Analysten, was er im Schilde führt. Ein kleiner Erfolg gelang dem von seinen Fans als Visionär gefeierten Unternehmer damit aber bereits - die Tesla-Aktie stieg zu Wochenbeginn zeitweise um über vier Prozent. Auch nachdem die detaillierte NHTSA-Prüfung bekanntwurde, schloss das Papier am Dienstag nur mit einem hauchdünnen Minus von 0,06 Prozent.

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