Gerade für Silicon-Valley-Unternehmen ist das nicht ungewöhnlich. Allerdings hat Musk bislang immer seine Gläubiger überzeugen können, in Form von Schuldverschreibungen oder Aktienkauf sein Wachstum zu finanzieren. Doch allein das Charisma seines Gründers kann Tesla auf Dauer nicht über Wasser halten. Wie Tamberrino von Goldman Sachs plagen inzwischen auch Sacconaghi Zweifel, ob das Model 3 genügend Marge abwirft, um Tesla langfristig zu finanzieren und Angriffe der Konkurrenz Paroli zu bieten. Besonders bei der Variante, die Tesla zum Einstiegspreis von 35.000 Dollar offeriert.
Mit den Model S und Model X, die zwischen 75.000 und 140.000 Dollar kosten, hat sich Tesla in den USA zwar an die Spitze der Zulassungen im Luxussegment gesetzt und BMW und Mercedes verdrängt. Im dritten Quartal hat Tesla fast 26.000 Model S und X an den Käufer gebracht, ein neuer Rekord und 4,5 Prozent mehr als im Vorjahrsquartal. Auch deshalb, weil Tesla seine verfügbaren Modelle aggressiv bewarb und Vorführwagen für Sonderkonditionen offerierte – ein radikaler Strategiewechsel, denn bislang gewährte Tesla keine Rabatte. „Ein Wachstumsunternehmen sieht allerdings anders aus“, meckert Mark Spiegel vom Hedgefond Stanphyl Capital aus New York, ein langjähriger Musk-Skeptiker. Zumal Tesla, mäkelt Spiegel weiter, bei den S- und X-Modellen derzeit überhaupt keine Konkurrenz habe.
Hinzu kommt, dass die Steuererleichterungen für elektrische Fahrzeuge sich für Tesla im kommenden Jahr mindern werden. Der Elektro-Autopionier wird wahrscheinlich Mitte des Jahres die Kappungsgrenze erreichen, bei der der 7500 Dollar Steuerkredit der Bundesregierung halbiert wird. Die Beamten streichen jedoch nicht in dem Quartal, in dem das Limit von 200.000 in den USA ausgelieferten Elektroautos erreicht wird, sondern erst zwei Quartale später.
Verzögert Musk bewusst die Auslieferung des Model 3?
Die Ironie ist, dass all die Autohersteller, die den Umstieg auf Elektroantriebe gescheut und so ihre Quote nie oder nur geringfügig ausgeschöpft haben, ab Herbst nächsten Jahres nicht nur von fallenden Akku-Preisen profitieren, sondern mit dem Steuerrabatt gegen Tesla konkurrieren können.
Kalifornien, das kurzzeitig eine Käuferprämie von 10.000 Dollar pro Elektrofahrzeug erwog und so Musk zur Hilfe gekommen wäre, hat die Idee nach einem Aufschrei der Haushaltshüter auf Eis gelegt. Die Drei-Milliarden-Dollar-Initiative des Abgeordneten Phil Ting, der San Francisco und Silicon Valley vertritt, wurde im kalifornischen Parlament als „Musk-Gesetz“ verspottet.
Das hat eine heiße Debatte in den Internet-Foren der Tesla-Fans ausgelöst, ob Musk die Auslieferung des Model 3 bewusst verzögert, um möglichst viele Fahrzeuge in ein Quartal zu packen und damit für seine Käufer das Maximale aus der Förderung herauszuholen. Ein plötzlich rasant steigender Absatz würde zudem die Aktie beflügeln.
Musk gibt sich nach außen betont gelassen. Seine Mitarbeiter ließ er aber nochmals zu Vertraulichkeit ermahnen. Und sich vor allem nicht an den Gerüchten im Silicon Valley zu beteiligen, nachdem es Probleme beim Integrieren und Produktion der Akkus gibt.
Auch Produktionschef Hochholdinger hüllt sich gegenüber Bekannten in Schweigen. Auf seiner Webseite geht Tesla immer noch davon aus, dass die ersten externen Kunden im Oktober mit ihrem Model 3 rechnen können, allerdings nur, wenn sie die Variante mit größerer Batterie und Sonderausstattung wählen, die mindestens 49.000 Dollar kostet. Die Standardvariante für 35.000 Dollar wird weiterhin für Dezember angekündigt.
Als es beim Tesla S Probleme gab, nächtigte Musk noch in der Fabrik. Diesmal flog der Multimilliardär nach Australien, um beim Internationalen Astronautik-Kongress seinem eigentlichen Kindheitstraum zu huldigen – den Transport von Menschen auf den Mars. Sein Raumfahrtunternehmen Space X, eröffnete er der staunenden Weltöffentlichkeit, plane dafür eine „big fucking rocket“ – eine „verdammt große Rakete“. Sie soll seine bisherigen Raketen ersetzen und ein Raumschiff ins All befördern, das bis zu 120 Menschen auf den Mars bringt, „frühestens 2024.“ Das ehrgeizige Vorhaben hat Parallelen mit Tesla – seine langfristige Finanzierung steht in den Sternen.