Elon Musk ist ein Meister der Inszenierung. Das liegt nicht nur an der Art wie er neue Tesla-Modelle und seine Projekte vorstellt und das Interesse mit teils kryptischen Tweets hochhält. Musk weiß um die Macht der Worte und die des gekonnten Auftritts.
Kein Wunder, dass er für eines seiner derzeit größten Projekte nichts dem Zufall überlässt. Die Gigafactory, Grundpfeiler der ehrgeizigen Strategie des Technologie-Pioniers, eröffnet in diesen Tagen. Zumindest zum Teil: In einem kleinen Bereich der Anlage läuft die Produktion schon, am anderen Ende wird noch gebaut. Der Termin, den Musk jetzt für die Eröffnungsfeier gewählt hat, ist eher von symbolischem Charakter.
Bereits am Dienstag empfing Musk eine Gruppe Journalisten in dem flachen Bau in der Wüste Nevadas, einige Kilometer außerhalb von Reno. Am Freitag steigt die große Party für Tesla-Fans und Kunden. Im Sinne der bestmöglichen Inszenierung und maximalen Medienwirkung hat das Tesla-Mastermind die beiden Veranstaltungen getrennt.
Das ist der neue Tesla-Masterplan
Ein integriertes System aus Solarzellen und Hausbatterien soll die Energieversorgung revolutionieren.
Weitere Elektro-Modelle sollen neue Fahrzeugsegmente erschließen, damit alle Kunden zufrieden gestellt werden können.
Die Selbstfahr-Fähigkeit soll dank den Erfahrungen aus der Tesla-Flotte zehnmal sicherer werden als ein menschlicher Fahrer.
Das Auto soll dazu fähig sein, als Teil einer Carsharing-Flotte Geld zu verdienen, wenn der Fahrer es gerade nicht braucht.
Großes Theater für ein Riesen-Projekt. Bis 2018 sollen zusammen mit dem Partner Panasonic bis zu fünf Milliarden Dollar in die Anlage investiert werden. Nach Teslas Plänen entsteht bis dahin eine der größten Produktionsstätten der Welt – mit rund einer Million Quadratmetern. Dann sollen Akkus mit einer Gesamtleistung von 35 Gigawattstunden pro Jahr gefertigt werden. Mehr als das, was zurzeit alle Hersteller der Welt zusammen produzieren.
Ohne solche Superlative macht es Musk nicht.
Die Gigafactory ist der Schlüssel
Der Gigafactory kommt eine Schlüsselrolle in dem Masterplan des Tech-Milliardärs zu. Mit der eigenen Zellfertigung im Mega-Maßstab sollen die Preise für die Akkus so weit sinken, dass die Elektromobilität erschwinglich wird. Musk will nicht nur die Tesla-Modelle S, X und den angekündigten Kompaktwagen 3 mit Akkus versorgen, sondern auch eigene Busse, Lkw und Pick-up-Trucks. Auch die Heim-Akkus für die sogenannte Powerwall sollen aus der Gigafactory kommen. In zwei Jahren will Tesla bis zu 500.000 Elektroautos verkaufen (inklusive Akku, versteht sich), im Jahr 2020 sogar eine Million.
Noch ist es nicht soweit. Der Baufortschritt beträgt etwa 14 Prozent. Mit der aktuellen Produktion deckt Tesla gerade einmal den Bedarf für die Powerwall. Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, soll die Fertigung von Elektroauto-Akkus aber in diesem Jahr starten.
Klar ist: Die für 2017 geplante Massenproduktion des Model 3 kann Tesla nur mit der Gigafactory abdecken. Im Umkehrschluss: Hakt es mit der Batteriefabrik und die Zellproduktion läuft nicht so schnell wie geplant auf Hochtouren, kann Musk seine Pläne über den Haufen werfen – und die Finanzierung der Batterie-Wette gleich mit.
So oder so: Für Busse, Trucks und die in den USA beliebten Pick-ups würde es dann schon fast eng. Angesichts der enormen Ausmaße heute ist das kaum vorstellbar.
Sollte der Masterplan von Musk aufgehen und zusätzlich zu den Fahrzeugen noch unzählige Solar-Batterie-Module für Häuser – so etwas will Musk nach der Übernahme von SolarCity auch anbieten – verkauft werden, steigt der Bedarf weiter.
Was das bedeutet, ist spätestens seit dem Termin am Dienstag klar: Plötzlich ist nicht mehr von „der“ Gigafactory die Rede, auf den Schildern steht „Gigafactory 1“. Wird das Megaprojekt wirklich erfolgreich, muss wohl schnell eine zweite Gigafactory her. Vielleicht auch eine dritte.
Doch wohin entwickelt sich die Batterie-Technologie? Sind die Anlagen, in die Tesla und Panasonic jetzt Milliarden investieren, in ein paar Jahren noch brauchbar? Und wird Teslas Vorsprung jetzt uneinholbar? Egbert Figgemeier, derzeit Batterie-Entwickler beim Technologiekonzern 3M und bald Professor an der RWTH Aachen, spricht im Interview über die Ausmaße des Projekts, die technologische Entwicklung und warum eine Batteriezellen-Fertigung Sinn ergibt.
„Das entscheidende Element ist die Batterie“
WirtschaftsWoche: Herr Figgemeier, Tesla eröffnet in diesen Tagen seine eigene Batteriefabrik, die deutschen Autobauer zieren sich noch bei diesem Schritt. Braucht ein Autobauer eine eigene Zellfertigung?
Egbert Figgemeier: Eine eigene Zellfertigung ist für einen Autobauer sehr wichtig, da die Zellchemie das Fahrzeug stark beeinflusst – ähnlich wie heute der Motor. Ich kann einen Hochleistungs-Rennmotor einbauen, der aber ständig gewartet werden muss. Oder einen sehr robusten Motor, der weniger leistet, aber ungleich länger hält.
Also liegt das Know-how künftig nicht mehr im Motor, sondern in der Batteriezelle?
Genau. Wenn ich das nicht beherrsche, werde ich es auf lange Sicht schwer haben, mein Auto so zu designen, wie ich es möchte. Ein Elektroauto wird um die Batterie herum gebaut. Beim Verbrenner hat der große Motor das Grund-Layout vorgegeben. Der Elektromotor, egal ob als Achsmotor oder Zentralmotor, spielt bei der Größe keine nennenswerte Rolle mehr. Das entscheidende Element bei der Konstruktion ist die Batterie.
Die deutschen Autobauer fokussieren sich auf das sogenannte Packaging, also das Zusammenfügen von Zellen zu größeren Batteriemodulen. Die Zelle selbst ist für sie ein austauschbares Zulieferer-Teil. Wo liegt das größere Potenzial für Verbesserungen – im Modul oder in der Zelle?
Die Haupt-Stellschrauben sind das Material der Anode und Kathode in der Zelle selbst. Wenn die Basis nicht auf High-Power ausgelegt ist, holen Sie das auch nicht mehr aus einem Modul raus. Hier steckt in einer intelligenten Schaltung der Module noch ein gewisses Potenzial, das der Zellchemie ist aber deutlich höher.
Wie kann eine solche Verbesserung aussehen?
Bei uns liegt der Fokus derzeit auf einem neuen Anodenmaterial, bei dem Silizium das Graphit ersetzt. Das hat das Potenzial, die Reichweite auf Zellebene um bis zu 40 Prozent zu erhöhen. Dazu muss aber die gesamte Chemie stimmen, also auch die Kathode muss zur Anode passen, ebenso der Elektrolyt und der Separator.
40 Prozent mehr Reichweite klingt super. Wann kommt das in einem Elektroauto?
Neue Batterietechnologien kommen nicht direkt in einen Akku für ein Elektroauto. Bei Powertools und Smartphones sind die Anforderungen bei Lebensdauer und Ladezyklen geringer, zudem sind die Batterien ungleich kleiner und leichter auszutauschen. Deshalb wird die Silizium-Anode hier bereits verwendet. Aus unserer Sicht wird sie bald auch den Sprung in Batterien für Elektroautos schaffen.
Technische Hintergründe zu Akkus
Eine Batterie hat die Aufgabe, beim Aufladen möglichst viele Elektronen aufzunehmen und diese mit möglichst wenigen Verlusten zu speichern. Beim Entladen gibt sie die Elektronen dann wieder ab, um mit diesem Strom zum Beispiel einen Elektromotor oder ein Handy zu betreiben.
Im Akku übernehmen die sogenannten Lithium-Ionen diese Speicheraufgabe: Diesen Atomen fehlt ein Elektron. Daher sind sie elektrisch positiv geladen. Beim Aufladen strömen negativ geladene Elektronen in den Akku und sammeln sich in einem dichten Geflecht aus dem leitfähigen Kohlenstoff Graphit. Dorthin wandern dann auch die positiv geladenen Lithium-Ionen. Jedes von ihnen bindet ein Elektron – man könnte auch sagen, dass jedes Ion ein Elektron festhält, um die Ladungsneutralität zu gewährleisten. Beim Entladen des Akkus verlassen die Elektronen das Graphit nach und nach wieder. Damit wandern auch die positiv geladenen Lithium-Ionen aus dem Graphit-Netzwerk heraus. Später kann der Ladezyklus dann von neuem beginnen.
Je mehr Lithium-Ionen in einen Akku hineinpassen, umso mehr Elektronen und damit Energie können auf gleichem Raum gespeichert werden. Daher arbeitet Bosch schon länger unter anderem daran, den Graphit-Anteil zu reduzieren oder ganz auf das Graphit zu verzichten. Dies würde die Energiedichte des Akkus deutlich steigern. Das scheint jetzt dem Start-up Seeo, das Bosch gekauft hat, gelungen zu sein.
Wieso gibt es diese Verzögerung?
Ein Akkuschrauber wird nicht tausend bis zweitausend Mal geladen. Ein klassischer Autobauer hat aber genau diese Anforderung. Er will auf den Maximalfall vorbereitet sein. Eine Elektroauto-Batterie sollte mindestens zehn Jahre halten. Bei der konservativen Annahme, dass ein Autofahrer vor jedem Ladevorgang vollständig entlädt, entspricht dies je nach Größe der Batterie einer Laufleistung von 300.000 bis 400.000 Kilometern. Das ist wünschenswert, aber nicht unbedingt realistisch.
Neue Autobauer – wie eben Tesla – haben andere Anforderungen?
In der Realität werden die meisten Elektroautos mit 60 oder gar 80 Prozent Rest-Kapazität nachgeladen. Unter diesen Voraussetzungen würden Batterien mit neuen Materialien wie zum Beispiel Silizium wesentlich länger halten. Genau das können innovative Hersteller wie Tesla einplanen und die Batterie mit Blick auf das Fahrverhalten der Kunden optimieren. Je größer die E-Flotte, desto größer die Daten über das konkrete Fahr- und Ladeverhalten. Darauf können sie ihre Zellen künftig ausrichten.
„Einen 1:1-Ersatz für den Diesel wird es nicht geben“
Wie kann der Fahrer über sein Ladeverhalten die Lebensdauer der Batterie beeinflussen?
Schnellladen ist schlecht für die Lebensdauer. Wenn Sie jedes Mal schnellladen, altert die Batterie sehr bald, denn es heizt die Batterie unheimlich auf. Und Hitze ist nicht gut für die Zellchemie.
Kurze Ladezeiten und hohe Reichweiten sind aber genau das, was Kunden fordern.
Das bleibt auch weiterhin der Ansporn: Kunden wünschen sich eine Technologie wie ein Tankrüssel, der vorne einen Stecker dran hat – sprich in wenigen Minuten wieder volle Reichweite. Einen 1:1-Ersatz für einen Diesel wird es mit Elektroautos aber nicht geben.
Zurück zu Tesla. Mit der Eröffnung der Gigafactory will der Konzern auf einen Schlag den Weltmarkt für Lithium-Ionen-Batterien verdoppeln. Ist der Nachschub bei den Rohstoffen überhaupt gesichert?
Bei Lithium wird es wohl zu keinem Materialengpass kommen, hier sind ausreichend Quellen erschlossen. Hinter Kobalt, was in der Kathode steckt, steht allerdings ein größeres Fragezeichen: Der Abbau in Schwarzafrika und China könnte zu einem Flaschenhals für eine starke Ausweitung der Massenfertigung werden. Da wird der Druck größer, Alternativen mit einem geringeren Kobalt-Anteil zu entwickeln.
Mit welchen Hindernissen Elektroautos kämpfen
Noch sind die reinen E-Autos deutlich teurer als ihre Benzin-Pendants. Ein Beispiel: Der E-Golf von Volkswagen ist ab 35 000 Euro zu haben. Ein Golf mit vergleichbarer Ausstattung kostet nur 24 150 Euro. Doch das könnte sich ändern. Laut Berechnungen des Ingenieurbüros P3 sind Elektrofahrzeuge ab dem Jahr 2018 beim Preis wettbewerbsfähig, wenn nicht sogar im Vorteil. Dabei werden neue Batterien zu Grunde gelegt, die einen höheren Nickelanteil vorweisen.
Die Batterietechnologie, die für den Preis verantwortlich ist, ist auch der Grund für einen weiteren Knackpunkt: Für den E-Golf gibt Volkswagen eine Reichweite zwischen 130 und 190 Kilometern an. Für eine Fahrt in den Urlaub dürfte das kaum reichen, zumal die Zahl der Ladepunkte in Deutschland im Vergleich zu den herkömmlichen Tankstellen noch klein ist. Auch das dürfte sich aber mit der Weiterentwicklung der Batterietechnologie ändern.
Vor allem auf dem Land kann die geringe Reichweite zum Problem werden. Deutschland liegt laut der Nationalen Plattform Elektromobilität mit 4800 Ladepunkten an 2400 Standorten im internationalen Mittelfeld. Nach dem Willen der EU Kommission sollen bis 2020 in Deutschland 150 000 öffentlich zugängliche Ladestationen entstehen. Zum Vergleich: Laut ADAC lag die Zahl der herkömmlichen Tankstellen 2013 bei 14 328.
Smart-Chefin Annette Winkler spricht sich schon lange offen für eine Förderung von E-Autos aus. Das müssen nicht unbedingt finanzielle Anreize sein: Der Bundestag erlaubte jüngst Städten und Gemeinden, kostenlose Parkplätze für E-Autos zu reservieren und ihnen die Nutzung von Busspuren zu erlauben. Ob das ausreicht, zweifelt unter anderem VDA-Präsident Matthias Wissmann an. Er fordert finanzielle Impulse - wie zum Beispiel Sonderabschreibungsregeln für Firmenwagen. In anderen Ländern wie den USA, China oder Frankreich bekommen Käufer Cash vom Staat beim Kauf eines E-Autos.
Nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) rollten Ende 2014 knapp 19 000 reine E-Autos auf deutschen Straßen. Die Zahl der sogenannten Plug-In-Hybride, die die Bundesregierung zu den E-Autos zählt und die sowohl an der klassischen Tankstelle als auch an der Steckdose betankt werden, lag bei 108 000. Insgesamt waren 44,4 Millionen Pkw in Deutschland unterwegs. Das Ziel der Bundesregierung von einer Million elektrisch betriebenen E-Autos bis 2020 liegt damit noch in weiter Ferne. An der Auswahl kann es nicht liegen: Im vergangenen Jahr kamen laut Verband der Automobilindustrie (VDA) 17 neue Serienmodelle mit Elektroantrieb auf den Markt. 2015 sollen noch einmal zwölf weitere hinzukommen. Selbst der elektroskeptische Porsche-Chef plant offenbar mit einem E-Auto: Zuletzt schloss Müller nicht mehr aus, dass das bis Ende des Jahrzehnts geplante nächste Porsche-Modell rein elektrisch betrieben wird.
Der Bau der Fabrik hat Milliarden gekostet, doch die Batterieentwicklung geht immer weiter – sei es jetzt ein Kobalt-Ersatz oder eine Silizium-Anode. Wie zukunftssicher ist so ein hohes Investment?
Lithium-Ionen-Technologie wird uns noch eine ganze Weile begleiten. Lithium wird immer günstiger – und das schneller als die optimistischsten Prognosen.
In etwa zehn Jahren wird es einen Technologiesprung geben. In diesem Zug muss dann teilweise auf neue Produktionsverfahren und -maschinen umgestellt werden. Bis dahin basiert alles auf der heutigen Konstruktion. Die Einführung eines neuen Anodenmaterials merkt der Produzent zum Beispiel kaum.
Wie wird dieser Technologiesprung aussehen?
Trotz erheblichen Forschungs- und Entwicklungsbedarfs könnten Akkus auf Lithium-Schwefel-Basis der nächste Technologiesprung sein. Schwefel ist günstig und ohne Probleme verfügbar. Lithium-Luft-Batterien halte ich für sehr unwahrscheinlich.