Langweilig wird es Elon Musk und seinen Angestellten in diesem Jahr sicher nicht. Der Tesla-Gründer und -Chef will 2017 noch den ersten Entwurf eines Elektro-Pick-ups vorstellen. Und das Tesla-interne Ride-Hailing-System voranbringen. Und den Vertrieb des Heim-Akkus Powerwall ausweiten. Und die Solar-Dachziegel von SolarCity auf den Markt bringen. Ganz zu schweigen von dem Weltraumprogramm SpaceX mit seinen geplanten Mars-Flügen und den Hyperloop-Bahnen.
Entscheidend werden aber zwei andere Großprojekte: Das Model 3, der Elektro-Kompaktwagen für die Massenfertigung, soll allerspätestens bis Jahresende Premiere feiern – sofern Tesla dieses Mal die selbst gesetzte Deadline einhält. Und die Batterieproduktion in der Gigafactory soll kräftig zulegen.
Die schiere Masse an Großprojekten und die mitunter sehr ambitionierten Zeitpläne machen es schwer, das Unternehmen zuverlässig einzuschätzen. Die einen sehen Tesla ob des disruptiven Ansatzes vor einer rosigen Zukunft, die anderen angesichts der latent roten Zahlen kurz vor dem Untergang.
Die Gigafactory ist der Schlüssel zum Tesla-Erfolg
Auch unter den Börsianern nimmt auch der Widerstand gegen Teslas Wachstumsstory zu: Bei kaum einem anderen Unternehmen gehen die Analysten-Ratings so weit auseinander. Die Kursziele schwanken zwischen 155 Dollar und 338 Dollar – bei einem aktuellen Kurs von etwa 270 Dollar. Ben Kallo, Branchenanalyst bei Robert W. Baird, rät zum Kauf der Aktie. „Ich bin von einer Outperformance des Model 3 gegenüber den Wettbewerbern überzeugt“, schreibt Kallo in einer aktuellen Analyse. „Zusammen mit der Gigafactory errichtet Tesla signifikante Hürden für die Konkurrenz.“
Jeffrey Osborne von Cowen and Company teilt Kallos Einschätzung nicht – er halt die Tesla-Aktie nach wie vor auf „underperform“. „Die Kosten werden mit dem Gigafactory-Hochlauf und der Model-3-Produktion weiter zunehmen und der Cash-Bedarf wird akut“, schreibt Osborne. „Außerdem sind die Markterwartungen zu aggressiv.“
Das sagen Analysten zur Tesla-Aktie
Analyst: Colin Langan
Kursziel: 160 Dollar
Rating: Sell
Datum: 16.02.2017
Analyst: Jeffrey Osborne
Kursziel: 155 Dollar
Rating: Underperform
Datum: 16.02.2017
Analyst: Ben Kallo
Kursziel: 338 Dollar
Rating: Outperform
Datum: 09.02.2017
Analyst: Colin Rusch
Kursziel: - Dollar
Rating: Perform
Datum: 01.02.2017
Analyst: Ryan Brinkman
Kursziel: 188 Dollar
Rating: Unterweight
Datum: 20.01.2017
Analyst: Adam Jonas
Kursziel: 305 Dollar
Rating: Overweight
Datum: 19.01.2017
Während den Analysten eine Bewertung noch schwer fällt, scheinen die Anleger immer noch begeistert. Die Aktie stieg in nur drei Monaten um 48 Prozent. Mit einem Börsenwert von 44 Milliarden Dollar ist Tesla inzwischen mehr wert als Nissan. Das Unternehmen kann sich zu Amerikas Big Three neben Ford und General Motors zählen. Dabei verkaufen GM und Ford pro Jahr Millionen von Autos. Von dem meistverkauften Auto der USA, dem Ford F-150, wurden 2016 mit 820.000 Fahrzeugen zehnmal mehr Exemplare verkauft als von Tesla weltweit. Ein Zwerg, verglichen mit den Großen – dennoch spielen beide in derselben Börsenliga.
Wenn Musk am Mittwoch nach US-Börsenschluss die Zahlen für das vierte Quartal vorlegt, dürften diese abermals rot sein – wobei die Prognosen ähnlich weit streuen wie die Kursziele. Im Schnitt gehen die Analysten von einem Verlust von 0,99 Dollar je Aktie und einem Umsatz von insgesamt 2,1 Milliarden Dollar aus.
Sollte Tesla den Analysten-Durchschnitt erreichen, wäre es eines der besseren Quartale für den jungen Elektroautobauer. Auf das Gesamtjahr gerechnet, ergäbe das einen Umsatz von 6,7 Milliarden Dollar – 56 Prozent mehr als 2015.
Bekannt ist bereits, dass Tesla das noch im Oktober ausgerufene Ziel von 25.000 ausgelieferten Fahrzeugen im vierten Quartal verpasst hat – nur 22.200 Teslas gingen an die Kunden. Das Management begründete die Auslieferungen mit kurzfristigen Problemen bei der Produktion, die von dem Umstieg auf eine neue Autopilot-Hardware verursacht wurden.
Gigafactory: Kostenkiller oder Milliardengrab
Die große Frage, die Elon Musk auch nach der Jahresbilanz nicht abschließend beantworten werden kann, schwebt über dem Unternehmen aber mehr als ein erneuter Quartalsverlust: Wird die Gigafactory ein Milliardengrab oder der alles entscheidende Kostenvorteil, wenn Tesla dort seine eigenen Akkus fertigen kann?
Technische Hintergründe zu Akkus
Eine Batterie hat die Aufgabe, beim Aufladen möglichst viele Elektronen aufzunehmen und diese mit möglichst wenigen Verlusten zu speichern. Beim Entladen gibt sie die Elektronen dann wieder ab, um mit diesem Strom zum Beispiel einen Elektromotor oder ein Handy zu betreiben.
Im Akku übernehmen die sogenannten Lithium-Ionen diese Speicheraufgabe: Diesen Atomen fehlt ein Elektron. Daher sind sie elektrisch positiv geladen. Beim Aufladen strömen negativ geladene Elektronen in den Akku und sammeln sich in einem dichten Geflecht aus dem leitfähigen Kohlenstoff Graphit. Dorthin wandern dann auch die positiv geladenen Lithium-Ionen. Jedes von ihnen bindet ein Elektron – man könnte auch sagen, dass jedes Ion ein Elektron festhält, um die Ladungsneutralität zu gewährleisten. Beim Entladen des Akkus verlassen die Elektronen das Graphit nach und nach wieder. Damit wandern auch die positiv geladenen Lithium-Ionen aus dem Graphit-Netzwerk heraus. Später kann der Ladezyklus dann von neuem beginnen.
Je mehr Lithium-Ionen in einen Akku hineinpassen, umso mehr Elektronen und damit Energie können auf gleichem Raum gespeichert werden. Daher arbeitet Bosch schon länger unter anderem daran, den Graphit-Anteil zu reduzieren oder ganz auf das Graphit zu verzichten. Dies würde die Energiedichte des Akkus deutlich steigern. Das scheint jetzt dem Start-up Seeo, das Bosch gekauft hat, gelungen zu sein.
Die größte Batteriefabrik der Welt, die Tesla gerade zusammen mit Panasonic in der Wüste Nevadas hochzieht, ist der Schlüssel zu Musks Masterplan, mit der die kostengünstige Fertigung des Massenmodells Model 3 überhaupt gelingen kann. Müsste Tesla Akkus zukaufen, ließe sich kaum der kolportierte Einstiegspreis von 35.000 Dollar halten – oder Tesla würde mit jedem verkauften Auto Verlust machen.
Bringt die Gigafactory mehr als gedacht?
Die ersten Versuche in der bereits im Teilbetrieb befindlichen Fabrik scheinen für Tesla vielversprechend zu sein. Auf Instagram kursiert ein Video, das ein Nutzer angeblich am Tesla-Store in Santa Monica, Kalifornien aufgenommen hat. In dem Werbevideo, in dem die Gigafactory vorgestellt wird, heißt es, dass man die Kosten der Batterien um 35 Prozent senken werde. Bislang war immer von „mehr als 30 Prozent“ die Rede.
Für die neuen Batteriezellen vom Typ 2170, die Tesla in der Gigafactory für das Model 3 fertigt, ergäben sich so essentielle Kosteneinsparungen. Noch im vergangenen Frühjahr gab Tesla an, dass die Batteriekosten bereits unter 190 Dollar pro Kilowattstunde (kWh) lägen. Legt man diese Zahl zugrunde, könnten die Kosten für die neuen Batteriezellen bei nur noch 125 Dollar/kWh liegen – ein 55 kWh großes Batteriepack würde damit unter 7000 Dollar kosten. Über die genauen Kosten für die Batterien schweigen die Autobauer meistens – bei einem Preis von 190 Dollar/kWh kommt selbst die kleinste Batterie-Variante in einem Model S auf über 11.000 Dollar.
Offen ist aber, ob Tesla diese Kostenvorteile auch in der Batterie-Massenproduktion halten kann – laut Batterie-Experten sind die im Kleinen erzielten Ergebnisse oft nicht beliebig skalierbar, es können also jederzeit neue Probleme – und Kosten – auftreten. Auch die Fertigung des Model 3, die hochautomatisiert ablaufen soll, ist noch nicht angelaufen – auch hier lauern teure Risiken.
Die Kombination aus Gigafactory und Model 3 wird die Tesla-Befürworter und -Kritiker nicht vereinen können. „Investoren fokussieren sich stärker auf den Gigafactory-Hochlauf und die Model 3-Produktion“, schreibt auch Analyst Osborne.
Die beiden Projekte sind ein potenzieller Sargnagel für das Elektroauto-Projekt, aber vielleicht auch die Grundlage für den künftigen Erfolg, mit dem Tesla den etablierten Autobauern gefährlich werden kann. Dieses Mal nicht nur beim Börsenkurs, sondern auch beim Absatz.