
Es gibt Dinge, bei denen Elon Musk nichts dem Zufall überlassen will. Teils schon pedantisch vertieft sich der Selfmade-Milliardär in Details seiner Tesla-Elektroautos, treibt seine Angestellten zu Höchstleistungen, um jede Eventualität bei seinen kühnen Ideen auszuschließen. Ein Visionär, der seine Konzepte konzentriert vorantreibt.
Es gibt aber auch Dinge, die Musk vollkommen egal sind. Der Aktienkurs seines Unternehmens zum Beispiel. Der 44-Jährige sieht seine Projekte wie Tesla und Solar City als Mission für den gesellschaftlichen Wandel zu einem umweltfreundlicheren Leben – schnelle Gewinne hat er sich und seinen Investoren nie versprochen.
Ganz egal sein sollte ihm die Tesla-Aktie aber nicht. Denn nicht alle seiner Geldgeber teilen seine hehren Motive – sie sind eben auf spekulative Gewinne aus. Gelockt hat sie quasi Musk selbst, wenn auch unfreiwillig. Dem gebürtigen Südafrikaner ist es wie kaum einem Zweiten gelungen, eine Vision zu verkaufen.
Der Druck der Börse ist hoch
Trotz anhaltender Millionen-Verluste wurde Tesla über Jahre an der Börse gefeiert – Musk hielt die Hoffnung mit immer neuen Versprechen und Projekten am Leben. Gute Elektroautos waren nicht genug, es musste auch die weltgrößte Batteriefabrik her. Der Erfolg der Vergangenheit gab Musk Recht, die Investoren blendeten nur allzu gern die potenziellen Risiken aus. Der Kurs stieg und stieg, die Ergebnisse aber nicht – kaum eine andere US-Aktie hat so ein enormes Kurs-Gewinn-Verhältnis wie die Tesla-Papiere.
Wenn Musk am Mittwochabend die Zahlen für das laufende Geschäftsjahr vorstellt, steht er vor neuen Herausforderungen: Der Druck der Börse ist hoch, die Aktie hat von seinem Höchstwert im Sommer 2015 (280 Dollar) rund 40 Prozent verloren. Er braucht gute Argumente, um den Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Nur einen Fehler sollte Musk dabei nicht machen: seine Vision beiseite zu schieben und den kurzfristigen Gewinnforderungen der Börsianer Gehör zu schenken. Seine Wachstumsambitionen für Tesla sind enorm, seine Pläne aggressiv. Mit dem Model X als Elektro-SUV führt Tesla gerade eine zweite Premium-Baureihe ein, das Model 3 soll ab 2017 als erschwingliches Elektroauto für die breite Bevölkerung die Massen emissionsfrei mobil machen.
Möglich werden soll dieses extreme Wachstum an Modellen und Stückzahlen durch die „Gigafactory“, die derzeit in Nevada entsteht. Mit einer eigenen Batterie- und Batteriezellen-Produktion soll das Unternehmen profitabel werden. Doch das Giga-Vorhaben kostet zunächst Milliarden, bevor es irgendwann Gewinne abwirft.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Aktuell kämpft die Firma eher mit hausgemachten Schwierigkeiten als mit externen Problemen wie etwa dem niedrigen Ölpreis. Der Produktionsanlauf des Model X lahmt, Verzögerungen gab es bereits viele – unter anderem hat Tesla einen deutschen Zulieferer verklagt, weil dieser vertraglich vereinbarte Fristen und die Qualität bei den besonderen „Falcon Wing“-Türen nicht halten konnte. Die schleppende Fertigung könne zu Lieferschwierigkeiten führen, warnt Analyst Brian Johnson von der Großbank Barclays. „Das ruft die Risiken der aggressiven Wachstumsambitionen für die nächsten Jahre zurück ins Gedächtnis“, sagt Johnson. Morgan Stanley etwa senkte seine Prognose von 450 Dollar auf immer noch hohe 333 Dollar.