Tesla Model 3 Was Tesla stoppen kann

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Warum das Rückruf-Risiko bei Tesla steigt

Sind die Produktionspläne zu ambitioniert?

Immerhin erkennt Elon Musk seine eigenen Fehler. „Wir machen das einfachste Model 3 zuerst, wie wir es beim Model S gemacht haben“, schrieb Musk bei Twitter. „Wir haben es nicht mit dem Model X gemacht, weil ich ein Idiot war.“ Das Model X, ein großes Premium-SUV von Tesla, wird von zahlreichen Fehlern geplagt. Das Model S startete einst mit nur einem Antrieb und wenigen Batterie-Optionen. Beim Model X war von Anfang an das volle Programm mit vielen Batteriegrößen und Antriebsversionen verfügbar – Tesla baut für den Allradantrieb etwa gleich einen zweiten Elektromotor an der Vorderachse ein. Ein weiteres Beispiel für die Komplexität des Wagens sind die auffälligen „Falcon Wing“-Türen.

Die Konstruktion des Model 3 soll hingegen deutlich simpler sein, was die Massenfertigung einfacher machen würde. Während die Oberklasse-Limousine Model S eine Voll-Aluminium-Karosserie hat, soll beim Model 3 auch Stahl zum Einsatz kommen. Beim Fahrwerk werden im Model 3 klassische Schraubfedern verbaut – das Model S kann optional mit einer Luftfederung bestellt werden. In der Basisversion soll das Model 3 zudem ein einfaches Metalldach haben. Ein Glasdach, kein Schiebedach wohlgemerkt, gibt es nur gegen Aufpreis.

Was Teslas Elektro-SUV im Alltag kann
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla

Das Ziel ist klar: Die Produktion soll so simpel wie möglich werden. Je geringer die Zahl der technischen Variationen ist, desto leichter ist die Fertigung skalierbar. Das gilt nicht nur für grundlegende Bauteile wie Dach und Fahrwerk, sondern auch für die persönliche Zusammenstellung des Innenraums. Laut einem Vergleichs-Tool auf der Tesla-Seite stehen den Käufern beim Model S theoretisch 1500 Individualisierungsoptionen zur Wahl – auf all diese Optionen muss die Produktion vorbereitet sein. Beim Model 3 sollen es weniger als 100 unterschiedliche Konfigurationen sein. Um den Produktionsstart nicht zu gefährden, schränkt Tesla die Wahlmöglichkeiten für die ersten Kunden noch weiter ein. „Man kann nur über die Farbe und die Größe der Räder entscheiden, zumindest zu Beginn“, sagte Musk am Dienstag bei dem Aktionärstreffen. Erst später werde es weitere Möglichkeiten zur Auswahl geben.

Ob die ambitionierten Produktionsziele überhaupt menschenmöglich sind, steht auf einem anderen Blatt. In diesem Jahr wurden mehrere Berichte über die harten Arbeitsbedingungen in der Tesla-Fabrik in Fremont publik. Laut der kalifornischen Organisation Worksafe lag 2015 die Zahl der Verletzungsfälle in Fremont 31 Prozent über dem Industrieschnitt. Bei schweren Verletzungen sei die Rate sogar um die Hälfte über dem Schnitt.

Der britische „Guardian“ schrieb im Mai unter Berufung auf interne Dokumente, dass im Tesla-Werk seit 2014 mehr als 100 Mal der Notarzt gerufen wurde. Mitarbeiter seien in Ohnmacht gefallen oder hätten über Schwindel, Atembeschwerden oder Schmerzen in der Brust geklagt. Zudem soll es weitere Fälle gegeben haben, in denen Ärzte wegen Verletzungen gerufen worden seien. „Ich habe Menschen gesehen, die ohnmächtig wurden, wie ein Pfannkuchen zu Boden fielen und sich das Gesicht aufschlugen“, zitiert der „Guardian“ einen Tesla-Beschäftigten. „Man hat uns danach aufgetragen, einfach um ihn herum weiterzuarbeiten, während er noch am Boden lag.“

Musk zeigt Verständnis für die Angestellten. „Meine Arbeiter haben eine harte Zeit, arbeiten stundenlang“, sagte der Tesla-Chef der Zeitung. Er beteuerte zudem, dass er sehr um die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Mitarbeiter besorgt sein. Zudem hätten sich die Sicherheitsbedingungen im Werk im vergangenen Jahr erheblich verbessert. Die Zahlen von Worksafe beziehen sich in der Tat auf 2015, die Entwicklung im Jahr 2016 ist noch nicht bekannt.

Das Risiko von Rückrufen steigt

Mit der rapide steigenden Produktionszahl steigt auch das Risiko der Rückrufe. Tesla ist ein junges Unternehmen, das trotz der enormen Marktkapitalisierung stetig Verluste schreibt. Den Rückruf von einigen Tausend Model S könnte der Konzern verkraften. Müssen aber Zehntausende oder gar Hunderttausende Model 3 in die Werkstatt, wäre die finanzielle Belastung enorm.

Das Problem: Tesla neigt dazu, das Produkt beim Kunden reifen zu lassen. Doch anders als in der Software-Welt, in der einfach ein Update nachgeschoben werden kann, ist ein kleiner Fehler bei der Hardware ungleich komplexer zu beheben. Simple Bauteile, etwa ein unzuverlässiger Sensor oder eine (aufgrund der stark beschleunigten Produktionsplanung) nicht perfekt eingebaute Türdichtung, können zu sehr teuren Rückrufen führen.

Zumindest beim Model S hat Tesla keine langfristige Lieferkette aufgebaut. Von Branchenkennern heißt es, dass die Zulieferer für einige Teile im laufenden Betrieb gewechselt wurden. Zwei Autos, die innerhalb weniger Wochen mit derselben Konfiguration gebaut wurden, können also unterschiedliche Bauteile enthalten. Nicht nur bei der Wartung ist das ein Alptraum. Immerhin: Beim Model 3 soll das angeblich besser werden.

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