
Elon Musk und die Deadlines, das ist ein Trauerspiel. Kaum eines der Daten, das der Tesla-Chef für einen Produktstart verkündet hatte, konnte er einhalten. Vollmundige Ankündigungen und nachfolgende Verzögerungen gehören bei Tesla dazu.
Bei der nächsten Deadline, die ansteht, hat Musk allerdings etwas mehr Luft. Im Juli soll die Massenproduktion des Model 3 anlaufen, dem ersten Massenmodell von Tesla. An die Kunden sollen die ersten Fahrzeuge zum Jahresende gehen. In welchem Umfang die Produktion anläuft und ob neue Probleme für weitere Verzögerungen sorgen ist da weniger wichtig – einige Autos werden bis Jahresende wohl in auslieferungswürdigem Zustand sein. Wie viele Model 3 noch 2017 ausgeliefert werden, hat Musk schließlich nicht versprochen.
Musks Vorgaben sind durchwegs ambitioniert. Noch bevor er das Model X als zweite Baureihe auf der Straße hatte, redete er über das Model 3 Einstiegsmodell, das Tesla bislang ungeahnte Stückzahlen bescheren sollte. Und jetzt, bevor auch nur ein Model 3 in Kundenhand ist, wandert der Fokus auf das nächste Riesen-Projekt. Schon 2019 soll das Model Y als Kompakt-SUV kommen – mit Elektroantrieb, versteht sich. „Die Nachfrage für das Model Y wird wahrscheinlich höher sein als beim Model 3“, sagte der Tech-Milliardär am Dienstagabend beim jährlichen Tesla-Aktionärstreffen im kalifornischen Mountain View.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Doch zunächst das Model 3. Mit Hilfe des 35.000 Dollar teuren Elektroauto soll der Sprung in den Massenmarkt gelingen. Tesla will endlich etablierten Autobauern wie General Motors, Ford, aber auch den deutschen Herstellern im größeren Stil Kunden abjagen. Mehr als 400.000 Vorbestellungen hat Tesla bereits für das Model 3 erhalten – ohne dass die Kunden das Auto überhaupt gesehen haben. Alle Bilder, die es bislang von dem Tesla-Kompaktwagen gibt, zeigen den Prototypen. Die Serienversion soll erst mit dem Produktionsstart im Juli präsentiert werden.
Nicht nur die Kunden scheinen Tesla zu vertrauen (allein die Vorbestellung für das Model 3 kostete 1000 Dollar), sondern auch die Investoren. Im November notierte die Aktie noch bei 178 Dollar, aktuell liegt der Kurs bei über 350 Dollar. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 56 Milliarden Dollar ist der kleine Elektroautobauer aus Kalifornien an der Börse wertvoller als die US-Riesen GM (51 Milliarden Dollar) und Ford (44 Milliarden Dollar).
Je näher der Start des Model 3 kommt, desto stärker scheint der Kurs zu steigen. Spekulativ orientierte Investoren hoffen offenbar auf einen neuen Schub, wenn Tesla die finale Version des Model 3 zeigt.
Kursziel 190 Dollar?
Doch nicht alle Experten an der Wall Street glauben an einen weiteren Boom. Erst im Mai hatte einige US-Analysehäuser die Tesla-Aktie heruntergestuft. Goldman Sachs, einer der prominentesten Tesla-Kritiker, riet zum Verkauf und setzte das Kursziel auf 190 Dollar herab. „Die durchschnittliche Markterwartung für das zweite Halbjahr erscheint viel zu hoch“, schrieb Analyst David Tamberrino damals. Die Markteinführung des Model 3 bleibe das wichtigste Ereignis für die Aktie. „Doch der Verkauf des Model 3 dürfte zu Lasten des Absatzes des Model S gehen.“
Auch unter den Analysten von Morgan Stanley nimmt die Skepsis zu. Die Investmentbank geht davon aus, dass Tesla bis weit ins Jahr 2019 hinein Verluste schreiben wird. Analyst Adam Jonas hält es sogar für möglich, dass Tesla zum Übernahmeziel wird. „Es ist immer schwerer vorstellbar, dass Tesla der dominante Spieler im Markt für Elektroautos wird und dass das Unternehmen auf lange Sicht eigenständig bleibt“, schreibt Jonas. Deutliche Worte von etablierten Branchenkennern. Doch mehr als einen kleinen Dämpfer haben Tamberrino und Jonas nicht erwirkt.
Wie groß die Wette der Investoren auf die Zukunft von Tesla ist, zeigt ein einfacher Blick auf die Produktionszahlen. Der Elektroautobauer ist gerade dabei, die Produktion massiv aufzustocken: Rund 84.000 Fahrzeuge wurden im vergangenen Jahr gebaut, eine halbe Million sollen es 2018 sein. Ein solcher Ausbau um rund 400.000 Fahrzeuge würde selbst etablierte Autobauer mit jahrzehntelanger Produktionserfahrung vor große Herausforderungen stellen. Will Musk das Model 3 als Türöffner für den Massenmarkt einsetzen, sind diese Stückzahlen nötig – eine weitere Baureihe mit „nur“ 100.000 Einheiten hilft Tesla nicht weiter. Sie müssen diesen ambitionierten Sprung also schaffen – und das mit einem verschärften Zeitplan.
In der Branche sind jahrelange Vorlaufzeiten für eine neue Produktionslinie Standard. Nahezu jedes Auslastungsszenario wird simuliert, die Abläufe am Band selbst und in der gesamten Zuliefererkette optimiert, bevor auch nur ein Teil gefertigt wurde. Qualitätsprobleme und weitere Verzögerungen können so erkannt werden, bevor sie die Produktion beeinflussen. Musk hält von diesen gründlich geplanten Produktionsanläufen wenig, das Stadium des Feldversuchs überspringt er gerne. Immerhin gab es offenbar im März eine Test-Fertigung des Model 3 im kleinen Maßstab. Dem Vernehmen nach soll das Ergebnis Musk zufriedengestellt haben.
Doch selbst wenn Musk es schafft, das Model 3 pünktlich auszuliefern, ist das Risiko für Tesla und seine Anleger noch lange nicht gebannt. Eine Liste der offenen Baustellen für Tesla.