
Teslas Autopilot kommt nicht aus den Schlagzeilen: Wenige Tage nach Bekanntwerden eines tödlichen Unfalls mit einem Tesla Model S untersucht die US-Verkehrssicherheitsbehörde einen zweiten Unfall. Die Ermittlungen befinden sich noch in einem frühen Stadium: Es müsse erst geklärt werden, ob der Autopilot zum Zeitpunkt des Unfalls überhaupt in Betrieb war, teilte die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) in der Nacht zum Donnerstag mit.
Inzwischen hat der Elektroautobauer weitere wenige schwere Unfälle bei Fahrten mit der Technik bestätigt. Es habe mehrere Unfälle ohne Todesfolge gegeben, sagte ein Sprecher dem „Wall Street Journal“. Eine konkrete Zahl wurde nicht genannt. Die Zeitung sprach von „einer Handvoll“ von Fällen, mit denen die „Autopilot“-Technik in Verbindung gebracht werde.
Der aktuelle Fall soll so abgelaufen sein: Am 1. Juli soll ein 77-Jähriger aus Michigan mit seinem Model X – dem Elektro-SUV von Tesla – auf einem Highway in Pennsylvania verunfallt sein – laut US-Medienberichten soll der Wagen zuerst eine Leitplanke berührt haben, quer über die Straße geschleudert sein und sich nach dem Aufprall gegen eine Betonmauer überschlagen haben. Der Fahrer und sein Schwiegersohn, der ebenfalls im Auto saß, sollen verletzt worden sein.
Laut der Pennsylvania State Police soll der Fahrer zu einem Beamten gesagt haben, dass er den Autopilot aktiviert habe. Ob der Wagen tatsächlich autonom unterwegs war und ob der Fahrer vor dem Unfall wieder die Kontrolle übernommen hat, muss jetzt in der Untersuchung geklärt werden.
Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens
Der Fahrer lenkt, bremst und beschleunigt selbständig. Einfache Systeme wie Abstandshalter unterstützen ihn.
Das elektronische System übernimmt bestimmte Funktionen wie etwa das automatische Einparken oder das Spurhalten. Der Fahrer bleibt aber weiter in der Verantwortung, die Hände bleiben am Lenkrad.
Das Fahrzeug fährt weitgehend autonom, der Fahrer muss nicht mehr alles dauerhaft überwachen. Er darf die Hände vom Lenkrad nehmen, muss aber in der Lage sein, nach Vorwarnung die Kontrolle wieder zu übernehmen.
Der Fahrer kann noch übernehmen, ist aber nicht mehr erforderlich, um das Auto zu steuern. Elektronische Systeme können alle Verkehrssituationen automatisch bewältigen.
Das Lenkrad entfällt, das Auto wird nur noch vom System gesteuert.
Tesla selbst teilte inzwischen mit, dass es noch unklar sei, ob der Autopilot eingeschaltet gewesen sei. Das könne daran liegen, dass die Antenne des Autopiloten bei dem Überschlag beschädigt worden sein könnte. Zunächst hieß es aber von dem Unternehmen, man sehe "keinen Grund zu glauben, dass der Autopilot etwas mit diesem Unfall zu tun habe". Tesla habe zudem dreimal versucht, den Fahrer anzurufen – konnte ihn aber nicht erreichen. Auch mehrere US-Medien konnten nicht mit dem 77-Jährigen, der in Michigan eine Kunstgalerie besitzen soll, sprechen.
Das Unternehmen gab zudem an, dass man erst mit Sicherheit eine Aussage über den Zustand des Autopiloten treffen könne, wenn man den Datenspeicher des Model X ausgelesen habe.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Am 30. Juni, also nur einen Tag vor dem Unfall, hatte die NHTSA bekannt gegeben, dass es einen tödlichen Unfall mit einem selbstfahrenden Tesla gegeben habe. Bei dem Vorfall in Florida soll ein Model S den Anhänger eines Lastwagens an einer Kreuzung nicht richtig erkannt haben und ist mit ihm kollidiert.
Tesla hatte die teilautonome Funktion im vergangenen Jahr vorgestellt und per Software-Update für seine Autos freigeschaltet. Der Autopilot kann Tempo, Abstand und Geschwindigkeit halten, vor Hindernissen bremsen oder ihnen ausweichen sowie automatisch einparken.
Tesla betonte zugleich wiederholt, dass die Software die Elektromobile nicht grundsätzlich zu selbstfahrenden Autos mache und die Fahrer stets den Überblick und ihre Hände am Steuer behalten sollten. Im Internet wurden jedoch viele Videos veröffentlicht, auf denen zu sehen ist, dass etliche Tesla-Fahrer sich nicht an diese Vorgaben halten. Im Gegensatz zu den teilautonomen Stau-Assistenten, die nur in einem sehr engen Rahmen funktionieren, schränkt Tesla den Autopiloten nicht ein. Dem „Wall Street Journal“ sagten zwei Tesla-Fahrer, die „Autopilot“-Technik habe stehende Fahrzeuge auf der Fahrbahn nicht erkannt.
Die Untersuchungen zu den beiden Unfällen laufen zwar noch, dennoch haben sie bereits Auswirkungen über Tesla und die USA hinaus: Volvo kündigte an, anders als ursprünglich geplant doch keine völlig selbstfahrenden Autos im Jahr 2017 auf die Straße bringen zu wollen. "Nein, niemand wird 2017 hinter dem Lenkrad eines Volvos E-Mails lesen", sagte Erik Coelingh, Entwicklungsleiter für selbstfahrende Fahrzeuge, der Wochenzeitung "Die Zeit". Volvo könne noch nicht nachweisen, dass die Autos "mit allen außergewöhnlichen Situationen zurechtkommen. Deshalb müssen die Autopiloten vorerst weiterhin vom Fahrer überwacht werden."
Laut Coelingh gibt es Probleme, unbenannte Objekte auf der Fahrbahn zu erkennen, wie ein verlorenes Reserverad oder einen abgefallenen Auspuff. Zudem sei noch nicht abschließend geklärt, was passiere, wenn die Steuertechnik etwa wegen eines Computerfehlers ausfiele.