Dieser Sommer steckt voller Überraschungen. Erst vergangene Woche verblüffte Microsoft-Chef Satya Nadella das Silicon Valley und die Welt mit der 26,2 Milliarden Dollar Übernahme des Business-Netzwerks LinkedIn. Am Dienst nach Schluss der amerikanischen Börsen verkündete Multi-Unternehmer Elon Musk den nächsten großen Coup im Silicon Valley. Der von ihm geführte Elektroautohersteller Tesla Motors plant die Übernahme von Solar City, einem der größten Solaranlagen-Installateure und Betreiber Nordamerikas. Geboten sind 2,8 Milliarden Dollar in Form eines Aktientauschs, ein Aufschlag von bis zu 30 Prozent auf die Solar City-Aktie, die am Dienstag mit 21,19 US Dollar endete und nach Bekanntgabe der Offerte bis zu 23 Prozent zulegte. Tesla Motors verlor hingegen bis zu 12 Prozent.
„Die Welt braucht nicht noch einen weiteren Autohersteller“, begründete Musk den Schritt vor Analysten. „Sie hat nachhaltige Energieunternehmen nötig.“ Genehmigen die Aktionäre beider Unternehmen den Plan, entsteht ein Konzern mit 30.000 Mitarbeitern.
Wenigstens muss sich Workaholic Musk, der angeblich nur fünf Stunden schläft und nebenbei auch noch das Raumfahrtunternehmen SpaceX leitet, nicht einarbeiten. Er ist Mitgründer von Solar City. Mit 22 Prozent Anteil ist Musk dessen größter Aktionär. Ebenso wie bei Tesla, wo ihm noch rund 21 Prozent gehören.
Mit dem Eheantrag rückt auch der Musksche Familienclan noch enger zusammen. Musks Cousins Lyndon und Peter Rive sind ebenfalls Solarcity-Gründer und führen das Unternehmen operativ, Lyndon als CEO und Peter als Technikchef. Dem Solar City Verwaltungsrat steht Musk vor, ebenso wie bei Tesla Motors, wo auch sein Bruder Kimbal Mitglied ist. Neben Elon Musk ist auch sein Finanzgenie Antonio Gracias, Gründer des Investmentunternehmens Valor Equity Partners, in beiden Aufsichtsräten tätig. Ein schwerwiegender Interessenskonflikt, weshalb sich Musk und Gracias bei den Verhandlungen über den Deal heraushalten wollen. Ob das ausreicht, werden klagefreudige Aktionärsanwälte mit Sicherheit austesten.
In der Theorie macht die Verbindung Sinn. „Wir debattieren bereits seit Jahren darüber“, so Musk. Schon heute ist Solar City als Abnehmer von Stromspeichern der wichtigste Verbündete in Musks Plan, den Preis von hochleistungsfähigen Akkus zu senken und damit Elektroautos tauglich für den Massenmarkt zu machen.
Musk baut Tesla Motors als den ersten rein auf Elektroautos fokussierten Autohersteller auf. Derzeit kann sich nur die gut betuchte Oberklasse seine Luxusstromer Tesla S und den Geländewagen Model X leisten. Für einen gut ausgestatteten Wagen müssen zwischen 80.000 und 120.000 Dollar berappt werden.
Den Massenmarkt und den Zugang zur Mittelklasse der Verdiener soll der ab Sommer nächsten Jahres gefertigte Model 3 ab Preisen von 35.000 Dollar öffnen, für den bereits 400.000 Vorbestellungen vorliegen. Doch die Eroberung des Massenmarktes sowie der Gewinnzone – irgendwann im nächsten Jahrzehnt – wird nur klappen, wenn die Akkus der Elektroautos günstiger werden. Noch immer sind sie die mit Abstand teuerste Komponente. Musk will deren Preis mit Skaleneffekten drücken. In der Wüste von Nevada zieht Tesla Motors deshalb Jahres gemeinsam mit dem japanischen Konzern Panasonic eine gigantische Batteriefabrik hoch. Am 29. Juli soll die fünf Milliarden Dollar teure Anlage eröffnet werden, im November die Serienproduktion anlaufen.
Diese sogenannte Gigafactory 1 soll als Blaupause für weitere Anlagen dienen. Deren Produktion nicht nur Tesla Motors und Panasonic abnehmen soll, sondern auch Solar City, heute bereits der wichtigste Kunde.
Energieversorger neuen Typs
Solar City wiederum wurde vom Muskschen Familienclan vor zehn Jahren als Energieversorger neuen Typs aus der Taufe gehoben. Das Unternehmen, das derzeit 13.000 Mitarbeiter beschäftigt, wurde mit dem Installieren und Verleasen von Solaranlagen groß. Besitzer von Eigenheimen oder Gewerbeimmobilien werden Solaranlagen aufs Dach montiert, ohne dass diese für deren Anschaffung zahlen müssen. Im Gegenzug überlassen sie ihre Steuervergünstigung und die gewonnene Sonnenenergie dem Betreiber und verpflichten sich, ihren Strom für die nächsten 15 bis 20 Jahre über Solar City zu beziehen.
Das Modell ist sehr kapitalintensiv für Solar City, weil das Unternehmen die Anlagen vorfinanzieren muss. Auch sonst funktioniert es nur dank großzügiger staatlicher Förderung. Eigentlich sollte die Steuergutschrift von 30 Prozent der Kosten der Anlagen im vergangenen Jahr auslaufen, wurde zur großen Erleichterung der Solarbranche im letzten Moment bis auf 2019 verlängert. Aber die Kalkulation fußt auch auf den hohen Einspeisevergütungen, die traditionelle Stromversorger an Solar City zahlen. Kalifornien hat sie zwar verlängert. Doch in den republikanisch regierten Nachbarstaaten Nevada und Arizona wurde sie bereits zurückgefahren. Politiker und Lobbyisten für fossile Brennstoffe mäkeln, dass Stromkunden ohne eigene Immobilie die Einspeisevergütung für Solarkunden quersubventionieren müssen.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Der Ausweg: Solar City verkauft die Solarenergie nur noch dann an traditionelle Stromversorger, wenn das preislich Sinn macht. Ansonsten bleibt die erzeugte Energie dort wo sie erzeugt wurde, gespeichert in stationären Akkus. Diese wiederum werden von Tesla geliefert. In Hawaii vermarket Solar ity das Bündel bereits.
Mit dem Zusammengehen werden interessante Modelle denkbar. Tesla könnte seinen Kunden nicht nur Elektroautos offerieren, sondern auch deren gesamte Stromversorgung und managen. Schon behaupten Witzbolde, dass auch Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX später dazu stösst – um die umweltbelastenden Akkus auf fremden Gestirnen zu entsorgen.
So weit die Theorie. In der Praxis sind die Vorhaben nicht nur wegen ihres Finanzbedarfs riskant. Aber das ist ja bei allen Musk Unternehmen Programm. All seine Unternehmen verbrennen Kapital.
Solar City ist wegen seines Kapitalbedarfs bereits in der Zwickmühle. Das Unternehmen blutet Geld, verlor allein im ersten Quartal 283 Millionen Dollar. Großaktionär Musk sprang Solar City mehrfach finanziell zur Seite, ließ sein Raumfahrtunternehmen SpaceX Schuldverschreibungen für 214 Millionen Dollar erwerben.
Um die staatlichen Förderungen mitzunehmen und sein Imperium an Solaranlagen weiter rasch auszubauen, hat Solar City Chef Rive bereits künftige Einnahmen an Banken verkauft. 227 Millionen Dollar hat er damit jüngst eingesammelt. Die Aktie, die im August vergangenen Jahres mit 61 Dollar ihre Spitze erreichte, hat fast zwei Drittel ihres Wertes verloren.
Solar City ist berüchtigt für seine Außendienstmitarbeiter, die in Baumärkten wie Home Depot auf Kundenfang gehen. Doch die sind schwerer zu überreden, seit klar ist, dass ein langfristiger Solarvertrag eine kostspielige Hürde beim Weiterverkauf der Immobilie ist.
Der Preiskampf in der Branche ist so aggressiv geworden, dass der Wettbewerber Sun Edison im April Bankrott anmelden musste.
Enorme Gelder braucht auch Musk, der 2018 bereits 500.000 Elektroautos fertigen will, das Zehnfache der Produktion des vergangenen Jahres. Mit der halben Million Fahrzeuge erreicht seine Stammfabrik im kalifornischen Fremont ihre Grenzen, weitere Produktionsstätten müssen dann hochgezogen und finanziert werden. Ebenso wie die Akkuproduktion. Mit der Kombination von Tesla Motors und Solar City müsste Konzernchef Musk dann gleich drei Bälle in der Luft halten – Elektroautos, Akkus und Solarstrom. Allein die Serienproduktion des Tesla 3 ist eine riesige Herausforderung. „Das betrifft das Tesla 3 Modell in keinerlei Weise“, versichert Musk.
Bei seinen Mitaktionären muss er noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Im Mai hatte Tesla Motors bereits die Ausgabe von 6,8 Millionen Aktien angekündigt, um mit deren Verkauf 1,5 Milliarden Dollar für den Ausbau der Produktion einzusammeln. Nun werden die Tesla Aktionäre durch den Solar City Deal weiter verwässert.