Liebe Leser, dies ist ein Vorbericht von Donnerstag auf die Tesla-Präsentation. Hier finden Sie die aktuellen Bilder vom neuen Tesla Semi Truck und dem überraschend vorgestellten Roadster.
Elon Musk gibt sich – wie immer – viel Mühe. Er will seine Produkte möglichst attraktiv anpreisen, Begehrlichkeiten wecken. So verwunderte es kaum, als er vor der nächsten Produktvorstellung an diesem Donnerstag twitterte: „Das wird euren Verstand aus eurem Schädel in eine andere Dimension pusten.“ Bereits früher hatte er geschrieben, das neue Produkt sei „unwirklich“ und ein echtes „Biest“.
Tesla Semi Truck unveil to be webcast live on Thursday at 8pm! This will blow your mind clear out of your skull and into an alternate dimension. Just need to find my portal gun ...
— Elon Musk (@elonmusk) 12. November 2017
Einzig: Der Tesla-Chef beschreibt damit keinen neuen Elektro-Sportwagen, sondern einen Lkw. Mit Elektroantrieb, versteht sich.
Ein Lastwagen von einem Autobauer, der bislang vor allem exklusive Limousinen und SUV verkauft? Dazu von einem Unternehmen, das mit dem komplexen Produktionsstart des Massenmodells Model 3 vor einer großen Belastungsprobe steht?
Nach Einschätzungen von Experten könnte der „Semi Truck“, wie die Lkw-Zugmaschinen in den USA genannt werden, das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt sein. „Gerade für den E-Lkw scheint die Firma weniger auf die Zukunft zu wetten als eine echte Nische am Markt zu bedienen“, sagt Axel Schmidt, der bei der Unternehmensberatung Accenture global für das Automotive-Geschäft verantwortlich ist, „immerhin hat man bei der Entwicklung ja wohl eng mit Logistikfirmen zusammengearbeitet.“
Schafft der Tesla-Truck fast 500 Kilometer?
Bereits im vergangenen Jahr hatte Musk als Teil seines „Masterplans“ angekündigt, dass Tesla sich nicht nur auf Pkw beschränken, sondern auch mit Lastwagen und Bussen den Waren- und Personentransport revolutionieren wolle. Seitdem war es angesichts der Model-3-Probleme ruhig um das Lkw-Projekt geworden – lediglich mit zwei Verschiebungen des Präsentationstermins hatte der „Semi“ wieder Schlagzeilen gemacht.
Abgesehen von den vollmundigen Twitter-Ankündigungen seines Chefs hat sich Tesla bei harten Fakten sehr bedeckt gehalten. Offiziell hat sich das kalifornische Unternehmen bis heute noch nicht zu Eckdaten wie Reichweite, Nutzlast oder Preis geäußert. Im August zitierte die Nachrichtenagentur Reuters Scott Perry, Manager des Nutzfahrzeugvermieters und Logistikkonzerns Ryder, mit der Aussage, Tesla werde mit einer Batterieleistung von 200 bis 300 Meilen (320 bis 480 Kilometer) an den Start gehen. Er bezog sich auf Gespräche, die er mit Vertretern von Tesla zu Beginn des Jahres geführt habe.
Mit den klassischen Semi-Trucks, der mit einer Tankfüllung bis zu 1600 Kilometer fährt, wird der Elektro-Lkw deshalb kaum konkurrieren. Das hat Tesla erkannt und richtet das „Beast“ auf einen anderen Einsatzzweck aus: Den Verteilverkehr auf der Mittelstrecke.
Gerüchten zufolge verzichtet Tesla sogar auf eine große Kabine mit Schlafplatz. Anstatt irgendwo am Rande eines Highways zu nächtigen, soll der Tesla-Truck offenbar im Depot an der Steckdose hängen. Es geht also nicht darum, Waren von Detroit nach San Francisco zu transportieren, sondern eher Häfen oder Bahnhöfe mit großen Verteilzentren zu verbinden oder große Supermärkte zu beliefern.
Wenn Musk seinen Truck mit einer solchen Reichweite liefern kann, könnte er eine große Zielgruppe ansprechen. Laut Sandeep Kar, Chef-Stratege bei Fleet Complete aus Toronto, umfassen rund 30 Prozent aller Lkw-Fahrten in den USA zwischen 100 und 200 Meilen. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, Lkw-Bewegungen zu erfassen und auszuwerten. „Solange Musk die 200 Meilen schafft, kann er seinen Truck als Langstreckenfahrzeug bezeichnen und wird damit recht haben“, so Kar.
„In bestimmten Einsatzszenarien können E-Lkw wie der Tesla Semi niedrigere Gesamtbetriebskosten – auch „Total Cost of Ownership“ oder TCO – als heutige Diesel-Lkw erreichen“, sagt Schmidt. „Verschiedene Berechnungen bestimmen diesen „break-even-point“ für die Gesamtkosten auf Strecken um die 200 bis 300 Kilometer am Tag.“ Ein Reichweiten-Fenster, das sowohl der Tesla-Truck als auch der kürzlich vorgestellte Elektro-Lkw von Daimler erreichen. Ein weiteres Argument für die E-Lkw: Sie sind „immun“ gegen schärfere Emissionsregeln oder mögliche Fahrverbote in Städten. Die Schlussfolgerung von Unternehmensberater Schmidt: „Sie könnten also wirklich bald zu einer wirtschaftlich sinnvollen Alternative zum Diesel werden.“
Der Knackpunkt sind die Batteriekosten
Da die laufenden Energiekosten geringer ausfallen als bei einer Zugmaschine mit Verbrennungsmotor ist der entscheidende Punkt für die Wirtschaftlichkeit der Anschaffungspreis. Eine Diesel-Zugmaschine kostet in den USA etwa 120.000 Dollar. Laut den Batterie-Forschern Shashank Sripad und Venkat Viswanathan von der Carnegie Mellon University kosten alleine die Akkus für eine Reichweite von 200 bis 400 Meilen bei ähnlicher Nutzlast so viel wie ein ganzer Diesel-Truck.
Batteriegewicht und -eigenschaften würden elektrische Trucks auf rund 300 Meilen limitieren. Dass es in naher Zukunft einen elektrischen Langstrecken-Lkw mit einer deutlich höheren Reichweite geben wird, halten Forscher aus Kostengründen für unwahrscheinlich.
Einen „wirklichen Durchbruch“ der Stromer im Frachtgeschäft sieht Accenture-Manager Schmidt vorerst nicht. „Trotz der wirtschaftlichen Vorteile von Elektro-Lkw bleiben noch einige Fragen zu klären; allen voran die nach der Ladeinfrastruktur“, so Schmidt. „Auf einigen Mittel- und allen Langstrecken-Fahrten werden die E-Lkw Ladestopps benötigen. Das kostet Zeit und damit im Frachtgeschäft auch Geld.“
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Schmidts Beispielrechnung: Die 100-Kilowattstunden-Batterie eines Tesla Model X braucht mit dem Supercharger etwa vierzig Minuten, um von null auf 80 Prozent Ladezustand zu kommen. Die Batterie des kürzlich vorgestellten Daimler-Elektrotruck e-Fuso fasst 300 kWh. Sofern die Ladesäule mitspielt, würde eine Ladung auf 80 Prozent (darüber wird die Schnellladeleistung zum Schutz der Batterie meistens abgeregelt) des E-Lkw zwei Stunden dauern – für etwa 350 bis 400 Kilometer Fahrt.
Auch andere Unternehmen entwickeln E-Antriebe
Dennoch mahnt Schmidt die Hersteller zur Vorsicht: „Wenn die bestehende Ladeinfrastruktur erweitert werden würde oder wenn schärfere Emissions-Vorschriften und innerstädtische Fahrverbote den Druck auf Diesel-Lkw weiter erhöhen. Lkw-Hersteller sollten den Markt also in jedem Fall beobachten, um nicht erneut derart überrascht zu werden, wie zuletzt von der Deutschen Post und deren StreetScooter.“
Doch es sind nicht nur die batterieelektrischen Lkw, die im Fokus der Hersteller stehen. Siemens etwa arbeitet in mehreren Feldversuchen an Oberleitungen über den Highways, um so die Elektromotoren der Zugmaschinen mit Strom zu versorgen. Die ersten Resultate seien positiv, sagte Siemens-Manager Andreas Thon jüngst dem Tech-Magazin „Wired“.
Ein anderer Ansatz für Langstrecken-Lkw mit Elektromotor ist die Brennstoffzelle. Toyota bastelt bereits länger an der Technologie. In ein Nutzfahrzeug will es aber zuerst ein US-Start-up bringen. Die Nikola Motor Company, nicht nur beim Namen an Tesla und dessen Namensgeber angelehnt, will 2021 das Modell „One“ mit einer Reichweite von 1300 bis 1900 Kilometer auf den Markt bringen. E-Motor, Teile der Brennstoffzelle und Leistungselektronik kommen von Bosch.
Das zeigt: Sowohl Start-ups als auch die etablierten Unternehmen in der Nutzfahrzeug-Branche glauben an den Elektromotor. Die Frage wird sein, wann welche Speichertechnologie für welchen Einsatzzweck zu welchem Preis auf den Markt kommt. Und im Falles des Tesla-Trucks lautet die Frage: Kann das Unternehmen neben der „Produktionshölle“ des Model 3 überhaupt noch ein weiteres Großprojekt stemmen?