Teslas gesamter Businessplan steht und fällt mit dem Model 3, daraus hat Musk nie einen Hehl gemacht. "Unsere Mission ist der emissionsfreie Massenverkehr", dieser Satz ist Teil jeder Produktankündigung, überhaupt jedes öffentlichen Auftritts des Visionärs. Einlösen kann das Versprechen nur das im April 2016 vorgestellte Model 3, halb so teuer wie die beiden bisherigen Tesla-Modelle. Rund eine halbe Million Vorbestellungen hat Tesla für das Mittelklasse-Elektroauto weltweit. "Die Gewinnmarge beim Model 3 ist kleiner als bei den beiden anderen Modellen; wenn Tesla überleben soll, muss es das Model 3 in sehr großen Stückzahlen bauen", sagt Joseph Spak, Analyst von RBC Capital.
Die Tesla-Ingenieure haben deshalb mit einer ganzen Reihe von Traditionen im Autobau gebrochen, um das Model 3 schnell und zugleich günstig bauen zu können. So verzichtet Tesla auf die teure Aluminiumkarosserie der beiden Oberklassemodelle, verwendet für das Model 3 Stahlblech. Beim Hochfahren der Massenproduktion, in der Tesla keine Erfahrung hat, kam es deshalb zu Problemen mit den Schweißpunkten.
Inzwischen hat Tesla die Sache im Griff. Auch auf eine aufwendige Vorserienproduktion verzichteten die Kalifornier, sie gingen von den Prototypen gleich in die eigentliche Fertigung. Das spart einige Monate Zeit.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Das Model 3 trägt damit im ersten Quartal immerhin bereits 27 Prozent zum Konzernumsatz bei – Tendenz weiter stark steigend. Die ursprünglich für Ende 2017 angepeilten 5000 Model 3 pro Woche verspricht Musk nun für Ende Juni 2018. Der Gesamtumsatz stieg im ersten Quartal überraschend stark: um 26 Prozent auf 3,4 Milliarden Dollar; hier hatten die Analysten im Mittel nur mit rund 3,2 Milliarden Dollar gerechnet.
Die Börse reagierte richtungslos auf die durchwachsenen Zahlen. Nach anfänglicher Euphorie gab die Tesla-Aktie zunächst in den USA nachbörslich um rund vier Prozent nach; inzwischen ist sie jedoch im europäischen Handel wieder erholt und oszilliert rund um die 300-Dollar-Marke.
Rasanter Cash-Verbrauch bereitet Sorgen
Musk wiederholte sein Versprechen von Mitte April, wonach das Unternehmen noch im zweiten Halbjahr 2018 die Profitabilitätsschwelle erreichen soll. Allerdings ist nach wie vor fraglich, wie genau das gelingen soll. Zwar lag die Rohmarge in der Autoproduktion in den ersten drei Monaten bei 20 Prozent – ebenfalls besser als von Analysten zuletzt erwartet. Allerdings steigen zugleich die Kosten für Service und Aftermarket – ein Bereich, der wegen der verhältnismäßig geringen Kundenzahl bei den Luxusmodellen S und X bei Tesla bislang nur sehr rudimentär vorhanden ist.
Beim Service wie dem Aftersales-Support tut sich bereits der nächste riesige Kostenblock auf, und die Investitionen in den Produktionshochlauf des Model 3 dauern an. Einzelnen Studien zufolge hat Tesla folgerichtig an manchen Tagen des ersten Quartals bis zu 6600 Dollar Cash pro Minute verbrannt. „Diese Ziffer muss dringend nachhaltig verringert werden, wenn das Unternehmen mittelfristig überleben soll“, sagt Analyst Sullivan. „Und dazu muss Tesla nicht 5000, sondern 10.000 Model 3 pro Woche bauen“, so der Analyst.
Musk weiß natürlich um diese Rechnungen und versprach denn auch am Mittwoch erneut, er habe „null Zweifel“, dass Tesla die versprochenen 10.000 Model 3 pro Woche „ab Ende des Jahres“ bauen könne. Das bleibt ein technischer wie finanzieller Kraftakt.
Aktuell hat Tesla bereits mehr als zehn Milliarden Dollar Schulden angehäuft und im gerade abgelaufenen ersten Quartal rund eine Milliarde seiner Barmittel verbraucht. Das Tempo des Geldverbrennens dürfte sich in den kommenden Wochen selbst im besten Fall noch nicht verringern, so dass Tesla wohl noch in diesem Jahr erneut frisches Geld besorgen muss. Aktuell verfügt das Unternehmen noch über 2,67 Milliarden Dollar an liquiden Mitteln.
Umso interessanter wäre daher Musks Antwort auf eine Analystenfrage gewesen, in der explizit nach dem Zeitpunkt der nächsten Kapitalerhöhung gefragt wurde. „Langweilig, langweilig, nächste Frage“, sagte Musk. Die Analysten waren perplex. Bleibt nur zu hoffen, dass Musk noch weiß, was er tut. Einfacher macht er es seinem Unternehmen so jedenfalls nicht.