Dass Elon Musk vor Risiken nicht zurückscheut, ist bekannt - nun stellt der Tech-Milliardär einmal mehr seinen unternehmerischen Wagemut unter Beweis. Für 2,6 Milliarden Dollar (2,4 Mrd Euro) soll sein Elektroautobauer Tesla die Ökostromfirma SolarCity schlucken. Beide Unternehmen schreiben regelmäßig rote Zahlen und sind bislang nicht viel mehr als große Versprechen. An diesem Donnerstag sollen die Aktionäre über die Fusion abstimmen.
Musk schwärmt von einer „idealen Verbindung“ mit offensichtlichen Vorteilen. Die Übernahme schaffe den einzigen vollintegrierten Energiekonzern der Welt, mit Nachhaltigkeit aus einer Hand: Stromerzeugung und Energiespeicher von SolarCity, umweltschonender Transport mit dem Elektroauto von Tesla. Als „einzigartige Kombination, die übertrifft, was jedes andere Unternehmen bieten kann“, preist der Superstar des Silicon Valleys seinen Plan an.
Dennoch gibt es erhebliche Zweifel. Kritiker werfen Tesla-Chef Musk Interessenkonflikte vor, da er zugleich größter Anteilseigner und Verwaltungsratschef bei SolarCity ist. Er war Geburtshelfer der von Cousins gegründeten und geführten Firma. Auch Tesla-Mitgründer JB Straubel sitzt bei SolarCity im Verwaltungsrat. Der Großinvestor Jim Chanos bezeichnete den geplanten Deal deshalb als „schlimmstes Beispiel für schamlose Unternehmensführung“.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Der bekannte Hedgefonds-Manager spricht von einer „wandelnden Insolvenz“ und geht davon aus, dass das fusionierte Unternehmen rund eine Milliarde Dollar pro Quartal verbrennen wird. Chanos macht keinen Hehl daraus, dass er von Musks Geschäftsgebaren nichts hält und auf einen Kursverfall der Aktien seiner Firmen wettet. Der Finanzinvestor mag ein Extrembeispiel für besonders verschärfte Ansichten sein, doch auch gemäßigtere Stimmen sind skeptisch.
Würde es sich bei der Übernahme nicht durch und durch um einen „Silicon Valley Deal“ handeln, so wäre der Plan schon bei seiner Ankündigung gescheitert, schrieb etwa Experte Steven Davidoff Solomon in seiner „New York Times“-Kolumne „Deal Professor“. Das Vorhaben sei angesichts der Verflechtungen der Firmen „inzestuös“ und so stark von Interessenkonflikten behaftet wie nur möglich. Dass Musk damit durchkomme, liege an seinem Bonus als Tech-Visionär.
Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland 2009-2015
Im Jahr 2009 wurden in Deutschland 162 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 541 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 2.154 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 2.956 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 6.051 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 8.522 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
2015 stieg der Elektroauto-Absatz auf 12.363 Exemplare. Für das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 ist das weiter viel zu wenig. Der Bestand liegt derzeit bei rund 19.000 Elektroautos.
Tatsächlich hat der 45-jährige Selfmade-Milliardär wenig Probleme, Anlegern den heiklen Deal zu vermitteln. Der gebürtige Südafrikaner, der sein Startkapital als Mitgründer des Bezahldienstes Paypal verdiente, kann als Guru der Tech-Szene ohnehin so ziemlich alles verkaufen: Musk betreibt nebenher noch die Raumfahrtfirma SpaceX und den Hyperloop - eine Art futuristische Rohrpost, die Menschen mit bis zu 1200 Kilometern pro Stunde transportieren soll.
Nüchtern betrachtet sehen die Geschäftszahlen von SolarCity indes bedenklich aus: Im letzten Quartal fiel ein Verlust von 225 Millionen Dollar an, obwohl der Umsatz lediglich bei 200 Millionen Dollar lag. Der Aktienkurs des Unternehmens, das „Powerwall“-Akkus als Energiespeicher im Eigenheim und Solar-Dachziegel anbietet, ist seit Jahresbeginn um gut 60 Prozent abgestürzt. Kein Wunder, dass einige Beobachter Musks Interesse an der Firma als Weg einschätzten, sein dort investiertes Geld zu retten, meint „Deal Professor“ Davidoff.
Der Tesla-Chef hält knapp 22 Prozent an SolarCity und ist damit nicht nur größter Anteilseigner, sondern auch im Besitz wesentlicher Stimmrechte. Dahinter folgen neben anderen Führungsmitgliedern der Unternehmen Schwergewichte der Investmentszene wie etwa die Vermögensverwalter und Fonds-Riesen Fidelity, Vanguard und Blackrock. Sie alle sind Musk wohlgesonnen. Deshalb gilt die Zustimmung zu dem Deal trotz aller Kritik als so gut wie sicher.