Tesla Warum der Rückzug von der Börse Sinn ergibt

Tesla verdankt der Börse sein Überleben. Doch das Abnabeln ergibt Sinn: Elon Musk offeriert eine im Gegensatz zu Kapital wirklich knappe Ressource. Quelle: AP

Der Elektroautopionier Tesla verdankt der Börse sein Überleben. Doch das Abnabeln ergibt Sinn. Denn Elon Musk offeriert eine im Gegensatz zu Kapital wirklich knappe Ressource.

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„Guten Morgen“ grüßte Elon Musk am Dienstag um 10:28 Uhr kalifornischer Zeit auf Twitter und setzte einen Smiley hinterher. Da hatte er bereits seit einer Stunde wieder mal Geschichte geschrieben und weltweit für Wirbel gesorgt. Und zwar mit seiner überraschenden Ankündigung, den Elektroautohersteller Tesla von der Börse zu nehmen, eventuell zumindest. Zu einem Gebot von 420 Dollar pro Aktie, was ungefähr 71 Milliarden Dollar Wert entspricht.

Nur ein Gedankenspiel konnte es nicht sein, schließlich behauptete Musk, die Finanzierung bereits sicher zu haben. „Es ist der beste Weg“, bekräftigte Musk in einer E-Mail an seine Mitarbeiter. Und nur deshalb als Vorhaben deklariert, da es der Einwilligung der Aktionäre bedürfe.

Die Nasdaq stoppte den Handel um 11:06 Uhr kalifornischer Zeit, nachdem der Tesla-Kurs um sieben Prozent zugelegt hatte. Als er kurz vor Börsenschluss wieder startete, beendete die Aktie den turbulenten Tag 11 Prozent im Plus, ein Zuwachs von 6,3 Milliarden Dollar beim Wert.

Sicher ist, dass Musk sich ähnlich wie US-Präsident Donald Trump über alle Regeln hinwegsetzt. Dass der Chef eines börsennotierten Konzerns während des laufenden Handels darüber spekuliert, sein Unternehmen von der Börse zu nehmen – das ist ein Novum. Zumal Musk seit Wochen ankündigt, dass die Short Seller – darunter prominente Hedgefonds-Milliardäre wie David Einhorn oder Jim Chanos – sich wegen ihrer Wetten gegen Tesla die Finger verbrennen würden.

Seinem Chefjustitiar Todd Maron hat er mit seinen Gedankenspielen jede Menge Arbeit eingebrockt. Eine Welle von Klagen wegen Marktmanipulation von den zahlreichen auf Aktionärsrecht spezialisierten Anwaltskanzleien ist programmiert. Hätte Musk entsprechende Pläne bereits bei der Präsentation der jüngsten Quartalszahlen vor einer Woche offenlegen müssen, zumal er anscheinend bereits Gespräche mit Investoren geführt hat? Oder ist das am Dienstag in den frühen Morgenstunden geschehen? Ist es Taktik, damit die Leerverkäufer sich mit Tesla-Aktien eindecken müssen, um ihre Verluste zu begrenzen und damit den Kurs nach oben treiben?
Dass Gründer damit hadern, ihre Unternehmen an die Börse gebracht zu haben, hat Tradition. Der texanische Computerpionier Michael Dell war die ständige Kritik an seiner Strategie und Unternehmensführung so leid, dass er vor fünf Jahren seinen Konzern mit Hilfe von Silicon-Valley-Investoren vom Aktienmarkt nahm.

Tesla sorgt für Ausnahmezustand an der Wall Street: Erst ein Bericht über eine Milliarden-Beteiligung Saudi-Arabiens, dann folgt ein Paukenschlag von Firmenchef Musk bei Twitter.

Andere, wie der Software-Milliardär Jim Goodnight, Chef und Gründer des Analyseunternehmens SAS, haben sich bewusst gegen einen Börsengang entschieden, um ihre unternehmerische Freiheit zu wahren. Weil ihm die Wall Street nicht im Nacken saß, so der ehemalige Professor für Statistik, habe er in den schwierigen Zeiten nach der Bankenkrise von 2008 auch keine Mitarbeiter entlassen müssen.

Auch Dell begründete seinen Rückzug von der Börse damit, „dass wir nun langfristig unser Unternehmen neu aufstellen können, ohne auf kurzfristige Resultate schauen zu müssen.“ Seine Handlungsfähigkeit hat das nicht eingeschränkt. Im Gegenteil: Dell erwarb danach für 67 Milliarden Dollar den Speicherspezialisten EMC, immer noch der größte Tech-Deal der Geschichte.

Hochfliegende Ambitionen zum Verändern der Welt

Tatsächlich wäre es für Musk wesentlich bequemer, Tesla aus dem Sperrfeuer der Wall Street zu nehmen. Vor allem, was ihn wahrscheinlich am meisten beflügelt, um Leerverkäufern eine Nase zu drehen. Und er müsste sich nicht von Analysten teeren und federn lassen, wenn er sein Versprechen kassiert, kein zusätzliches Kapital aufnehmen. Akkus sind der größte Engpass für die Expansion von Tesla, sowohl bei Autos als auch Solar-Energiespeichern. Seine Gigafactory in Nevada reicht nicht aus. Für das Errichten von zusätzlichen Produktionsstätten in China und Deutschland braucht Musk frische Gelder. Sie befeuern Wachstum und wären damit gut angelegt.

Tesla ist als Weltmarke bekannt genug, um sich aus anderen Quellen zu finanzieren. Die Zeiten, wo der Börsengang die Existenz des Silicon-Valley-Start-ups und den Produktionsbeginn des Tesla S sichern musste, sind vorbei. In den Zeiten der lockeren Finanzen und niedrigen Zinsen, das sieht Musk bei seinem Weltraumtransportunternehmen SpaceX, gibt es dank privatem Geld Alternativen zum Börsengang.

Finanzbeteiligungsunternehmen haben seit langem Probleme, ihr Kapital einigermaßen plausibel anzulegen. Davon profitiert Softbank-Chef Masayoshi Son, der sich für seine Abenteuer bei Uber, WeWork und dem Chiphersteller Nvidia über seinen Vision Fonds rund 100 Milliarden Dollar gesichert hat, viel davon aus der arabischen Welt. Darunter auch Gelder von Apple. Schließlich hat der iPhone-Gigant nach Schulden über 100 Milliarden Dollar auf der hohen Kante, mit dem er nichts anzufangen weiß.

Hohe Verluste, aber steigende Produktionszahlen und Nachfrage sowie bessere Liquidität im laufenden Quartal – die oft beschworene Pleite des Elektroautoherstellers bleibt weiter aus.
von Matthias Hohensee

Im Silicon Valley gibt es seit Jahren das Gerücht, dass Google-Gründer Larry Page seinem engen Freund Musk versprochen habe, ihm bei finanziellen Engpässen unter die Arme zu greifen. Fast zwei Milliarden Dollar hat SpaceX laut dem Analyseunternehmen PitchBook seit Gründung 2002 eingesammelt, darunter fast die Hälfte von Google. Die jüngste Finanzierungsrunde vom April bezifferte den Unternehmenswert auf 25 Milliarden Dollar vor dem Einstieg der Investoren.
Zudem gibt es jede Menge Tesla-Fans, die den Elektroauto-, Akku und Solarpanel-Hersteller nicht nur finanziell als lohnenswerte Investition sehen, sondern auch Musks Kampf gegen fossile Brennstoffe unterstützen. Seine aktuellen Aktionäre wolle er gern behalten, bekräftigt Musk. Wer wolle, könne verkaufen. Die anderen würden einfach vom Anleger zum Gesellschafter bei Tesla wechseln. Er sei den gegenwärtigen Aktionären so dankbar, dass er „ihre Prosperität in jedem Szenario sicherstellen“ werde.

Genau wie Softbank-Chef Son hat auch Musk hochfliegende Ambitionen zum Verändern der Welt. Als Chef von Tesla und Space X treibt er sie sogar höchstpersönlich voran. An Ideen hat es im Silicon Valley nie gemangelt. Doch wirklich selten sind ausführbare Ideen, die groß genug sind und sich weltweit skalieren lassen. Musk kontrolliert also eine rare Ressource.

Alles gute Gründe, die dafür sprechen, dass der Multi-Unternehmer sich die Einwilligung seiner Aktionäre sichern kann, obwohl er nur zwanzig Prozent der Stimmen kontrolliert. Seine Abenteuer mit den Aktienmärkten wären damit erstmal beendet, nachdem SolarCity von Tesla geschluckt wurde.
Obwohl ein erneuter Börsengang nicht ausgeschlossen wäre. Dell und seine Silicon Valley Partner vom Finanzbeteiligungsunternehmen Silverlake erwägen diesen gerade wieder. Allerdings nur, wenn sie den Konzern auch danach weiterhin beherrschen. Ob Musk ähnliches vorhat? Wahrscheinlich nur, wenn das Wetten auf fallende Aktienkurse verboten wird.

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