Tesla-Werk in Deutschland Tesla will an deutsche Subventionstöpfe ran

Der kalifornische E-Autohersteller Tesla plant offenbar den Bau eines Werkes in Deutschland. Doch welcher Ort bekommt den Zuschlag? Eine Forschungsarbeit über eine Standortsuche von BMW verrät, nach welchen Kriterien wohl auch Tesla entscheiden wird.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Es war ein einziger Satz, der in einigen Landesregierungen in Deutschland und ihren Wirtschaftsförderungsgesellschaften hektische Betriebsamkeit auslöste: „Germany is a leading choice for Europe. Perhaps on the German-French border makes sense, near the Benelux countries” (Deutschland wäre eine sehr gute Wahl für Europa. Vielleicht wäre ein Standort an der deutsch-französischen Grenze sinnvoll, nahe der Benelux-Staaten.) twitterte Tesla-Chef Elon Musk am 19. Juni über die Suche nach dem besten Standort für ein europäisches Tesla-Werk.

Seither buhlen vor allem die Bundesländer Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern um die Gunst des Tesla-Bosses. Doch warum eigentlich an der deutsch-französischen Grenze? Warum die Nähe zu Benelux? Vielleicht weil Tesla ein Montagewerk (in dem halbfertige Autos endmontiert werden) in den Niederlanden hat. Geht es Musk um die Nähe zu Kunden, um Infrastruktur, um die Verfügbarkeit von Zulieferern, um günstige Arbeitskräfte oder hohe Subventionen der lokalen und überregionalen Stellen?

Bekannt ist über die genaue Strategie von Tesla praktisch nichts, die Kalifornier hüllen sich in Schweigen. Bekannt ist allerdings, wie bei dem letzten großen Autowerk, das in Deutschland errichtet wurde, die Entscheidung fiel: Vor 13 Jahren eröffnete BMW sein Werk in Leipzig – nach einem professionellen Auswahlverfahren, das sich über etliche Monate hinzog.

Wie das Auswahlverfahren ablief, hat eine Forschungsarbeit an der Universität Dortmund minutiös nachgezeichnet. Manager von BMW und Wirtschaftsförderer kommen in der Arbeit in seltener Offenheit zu Wort. Anders als sonst üblich verließ sich BMW bei der Standortsuche nicht auf externe Berater, sondern schrieb das neue Werk per Pressemitteilung aus. „Die vorhandenen Kapazitäten innerhalb des BMW Werkverbundes reichen für das Produktionsvolumen einer neuen Modellreihe nicht aus“, hieß es im Juli 2000, „BMW beabsichtigt daher, ein komplett neues Werk zu errichten.“
Innerhalb weniger Wochen meldeten sich damals 250 Standorte aus ganz Europa in der Münchner Firmenzentrale. Aus denen wurden zunächst 13 geeignete Standorte herausgefiltert, für die konkrete Machbarkeitsstudien erstellt wurden. Am Ende fiel die Wahl auf Leipzig. Auf dem Weg dorthin mussten die Standorte zunächst sogenannte Basisanforderungen erfüllen, die sich wie eine Blaupause für den Fall Tesla lesen.

Elf Punkte umfasst der Katalog, darunter: „Grundstücksgröße: 200 bis 250 Hektar, vorzugsweise in Form eines gedrungenen Rechtecks.“ Zudem sollte das Grundstück eben und waagerecht sein, über einen Gleisanschluss und eine Autobahn in höchstens fünf Kilometern Entfernung verfügen, zum nächsten Flughafen dürfe es höchstens eine Stunde dauern. Zudem solle es ausreichend viele „qualifizierte oder qualifizierbare“ Arbeitskräfte in der Region geben. Besonders kompliziert: Das Grundstück selbst müsse von einem einzigen Verkäufer stammen. Was hier steht, so bestätigen es Wirtschaftsförderer, ist ein typischer Katalog für Großansiedlungen.

von Martin Seiwert, Stefan Hajek, Matthias Hohensee, Angelika Ivanov

Besonders interessant sind darüber hinaus konkrete Wünsche, die BMW im darauffolgenden Schritt gegenüber den Standorten der engeren Auswahl äußerte. So berichteten Wirtschaftsförderer damals, BMW habe von Anfang an klargemacht, das Werk auf jeden Fall „auf der grünen Wiese“ errichten zu wollen. Industriestandorte schieden damit schnell aus. Diese Bedingung ist typisch für die Autoindustrie. Eher speziell klingt hingegen ein weiterer Wunsch, den BMW äußerte: Es dürfe sich kein Produktionsstandort eines weiteren Automobilherstellers im Umkreis von 50 Kilometern befinden. Das Unternehmen wollte damit vor allem sicherstellen, beim Zugriff auf den lokalen Arbeitsmarkt möglichst wenig Konkurrenz zu bekommen.

Entscheidend aber, und das dürfte am Ende auch im Falle von Tesla gelten, waren im Fall von BMW wohl die zu erwartenden Fördermittel für den Fabrikbau. Nachdem sich das Unternehmen aufgrund von Problemen beim Produktionsstart im US-Werk Spartanburg ein paar Jahre zuvor darauf entschieden hatte, das Werk in Deutschland zu bauen, hatte sich der Bewerberkreis endgültig eingeengt. Nur am Standort Leipzig aber ergab sich die Möglichkeit, in den Genuss von EU-Beihilfen zu kommen. Und das sollte sich lohnen. Zunächst kalkulierte BMW mit 280 Millionen Euro, am Ende genehmigte die EU sogar 363 Millionen Euro – bei Baukosten von 1,2 Milliarden Euro. Weitere 16 Millionen steuerte die Stadt Leipzig beim Kauf und der Aufbereitung des Grundstücks hinzu.

Die Investitionsentscheidung im Fall BMW lässt sich noch in einer weiteren Hinsicht auf den Fall Tesla anwenden. Denn zwei der nun in der Diskussion befindlichen Standorte wurden auch damals untersucht. Das Flughafengelände im bayerischen Hof wurde wohl aufgrund der Altlasten im Boden relativ früh ausgeschlossen, die Fläche im rheinischen Euskirchen hingegen schaffte es immerhin unter die letzten 13. Aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland war hingegen kein Standort in der Auswahl.
Elon Musks Tweet stützt die Vermutung, dass Subventionen eine große Rolle für seine Entscheidung spielen. Seine Twitter-Botschaft dürfte vor allem den Zweck gehabt haben, die willigen Bundesländer auf Trab zu bringen und das Wettrüsten bei den angebotenen Subventionen anzuheizen. Diese Rechnung scheint schon aufgegangen zu sein.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%