Denn Bremsscheiben, Lichtmaschinen oder Scheibenwischermotoren dürfen, weil unter dem Blech verborgen, prinzipiell auch von unabhängigen Händlern und Produzenten angeboten werden, sofern sie die technischen Anforderungen des Herstellers erfüllen. Sichtbare Teile wie Kotflügel, Außenspiegel oder Stoßstange dagegen dürfen ausschließlich vom Hersteller gefertigt und vertrieben werden.
Die Autobesitzer kostet das Quasi-Monopol der Hersteller bares Geld. Der ADAC hat 2013 ausgerechnet, dass die Preise für Karosserieteile eines VW Golf innerhalb von sechs Jahren um 40 Prozent gestiegen sind, die der Teile unter der Haube aber nur um zwölf Prozent. Außerhalb Deutschlands ist das anders. „Viele Länder in Europa haben den Designschutz im Ersatzteilmarkt durch die Einführung einer Reparaturklausel abgeschafft, weil er hier gegen Grundsätze der Marktwirtschaft verstößt und freien Wettbewerb verhindert“, moniert Hartmut Röhl, Präsident des Gesamtverbandes Autoteile-Handel (GVA).
Der Lobbyverband der freien Ersatzteilhersteller und -händler kämpft seit Jahren dafür, den Designschutz auf Ersatzteile vollständig abzuschaffen, wie das in anderen EU-Ländern wie Belgien, Großbritannien oder Spanien schon länger der Fall ist. Auch die EU-Kommission und das EU-Parlament starteten schon 2004 eine Initiative zur Einführung einer sogenannten Reparaturklausel. Die sollte alle Ersatzteile vom Designschutz freistellen.
Mehrere Abmahnungen
„Aber die Autoindustrie torpediert diese Bemühungen und hat die EU-Initiative blockiert“, beschwert sich Röhl, „eine europaweit einheitliche Regelung wird es demnach vorerst nicht geben.“ Im Mai dieses Jahres zog die Kommission ihren Vorschlag nach fast zehnjähriger Beratungszeit zurück. Blockiert wurden die Liberalisierungsbemühungen vor allem von Deutschland und Frankreich.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) verteidigt die Entscheidung. Angesichts der Gefahr der Produktpiraterie in Schwellenländern, wo Rechtsschutzsysteme gerade erst entstünden, dürfe die EU nicht signalisieren, „dass sie weitreichende Ausnahmen zugunsten des Kopierens von Kfz-Ersatzteilen schafft“, heißt es beim VDA. Auch den Vorwurf, sie würden den Wettbewerb verhindern, bestreiten die Autohersteller. Schließlich werde der Designschutz so gut wie nie eingeklagt.
Tatsächlich haben die Hersteller in einer freiwilligen Selbstverpflichtung ein Stillhalteabkommen gegenüber freien Ersatzteillieferanten und -händlern abgegeben. Das ist aber rechtlich nicht bindend: Wer in Deutschland Kotflügel, Motorhauben oder Frontscheiben fertigt, muss trotzdem mit einer Abmahnung aus Wolfsburg, München oder Rüsselsheim rechnen. Der Hersteller kann sogar Lagerbestände und Maschinen beschlagnahmen lassen.
Auch wenn das in der Praxis selten vorkommt – von Zeit zu Zeit zeigen die Hersteller ihre Folterwerkzeuge, um allzu freche Ersatzteilhändler und -lieferanten zu disziplinieren. Ein freier Teilehändler, der aus Angst vor Sanktionen lieber nicht namentlich genannt werden will, berichtet von „mehreren Abmahnungen in den letzten paar Jahren“. Erst kürzlich habe er eine neue Unterlassungserklärung unterschrieben. VW und Daimler gelten als besonders harte Hunde. Der abgemahnte Hersteller produziert seine Teile darum vorsorglich außerhalb Deutschlands und lagert sie in Ländern, in denen der Designschutz nicht gilt.